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Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2.0?

Grünen fordern neues Elektrizitätswirtschaftsgesetz im Parlament

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Überblick

Am 24.4.2025 wurde einen Antrag betreffend des seit langem ausstehenden neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) samt einem Bundesgesetz zur Definition des Begriffs der Energiearmut für die statistische Erfassung und für die Bestimmung von Zielgruppen für Unterstützungsmaßnahmen (Energiearmuts-Definitions-Gesetz – EnDG) im Nationalrat eingebracht. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zugewiesen.

Der Antrag baut auf der bereits 2024 eingebrachten Regierungsvorlage auf, beinhaltet jedoch Überarbeitungen anlässlich der im damaligen Gesetzgebungsverfahren zahlreich eingegangenen Stellungnahmen. Von Interesse für diesen Artikel sind die Abänderungen des ursprünglichen Entwurfs hinsichtlich On-Site und Off-Site-Power-Purchase-Agreements (PPAs) sowie Berechtigungen von sogenannten „Aktiven Kunden“.

Strombezugsverträge

„Strombezugsverträge“ sollen nun legaldefiniert werden. Ein solcher Vertrag ist gemäß § 6 Z 135 ElwG ein Vertrag zwischen einem Erzeuger und einem:r Endkund:in (ausgenommen Haushaltskund:innen und Kleinunternehmen) über den unmittelbaren Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen von Energie. Diese Bestimmung erfasst damit sogenannte „Off-Site-PPA“. Bei Off-Site-PPAs findet eine Stromabnahme nicht über eine direkte Stromleitung statt, sondern nur indirekt über das öffentliche Stromnetz. Dem Grunde nach handelt es sich dabei um eine bilanzielle Stromabnahme.

Ein Praxisfall wäre beispielsweise, wenn sich ein Industriebetrieb dazu entscheidet, dass er langfristig (etwa bis zu zehn Jahren) grünen Strom zu fixen Preisen beziehen möchte. Hierfür schließt er mit einem Projektierer, wie einem Windparkbetreiber, einen Strombezugsvertrag ab (ergo das Off-Site-PPA) und bezieht sodann den produzierten Strom über das öffentliche Stromnetz. Für beide Vertragspartner ergeben sich hierbei Vorteile: Der Industriebetrieb erhält Strom unabhängig vom Marktpreis und ist damit von Schwankungen an der Strombörse isoliert (Stichwort: Merit-Order-Prinzip). Der Windparkbetreiber seinerseits kann mit fixen Einnahmen rechnen. Beide Vertragspartner haben damit Planungssicherheit. Voraussetzung in der Praxis ist aber, dass beide Vertragspartner derselben Bilanzgruppe zugeordnet sind.

Ex lege soll nunmehr klargestellt werden, dass ein solcher Strombezugsvertrag mit Endkund:innen keine Lieferung von Strom darstellt (§ 57 Abs 1 ElwG). Der Erzeuger wird daher nicht als Lieferant angesehen und unterliegt damit nicht den damit verbundenen weitreichenden regulatorischen Pflichten. Dies gilt aber nur insofern, als dass die Endkund:innen gleichzeitig einen Vertrag mit einem Lieferanten abgeschlossen haben, da nur so die europarechtlich vordeterminierten Endkundenrechte gegenüber dem Lieferanten gewahrt werden können.

Die Regelung, dass Strombezugsverträge nunmehr keine Lieferung von Strom im rechtlichen Sinn darstellen, ist begrüßenswert und erleichtert damit die praktische Handhabe von Off-Site-PPAs. Es gibt jedoch weiterhin einen für die Praxis überaus relevanten Haken: Es besteht gemäß den Gesetzesmaterialien immer noch kein Rechtsanspruch darauf, dass die zu beziehende Strommenge in das Netz eingespeist werden darf. Hierfür bedarf es weiterhin der Zustimmung des Bilanzgruppenverantwortlichen, welcher sodann die Strommengen an die Endkund:innen zuweist. So führt der Antrag hierzu aus, dass der Lieferant (der in der Regel der Bilanzgruppenverantwortliche sein wird) insbesondere nicht dazu verpflichtet ist, „die Strommengen aus dem Strombezugsvertrag als Vorlieferung in die Bilanzgruppe der Endkundin oder des Endkunden aufzunehmen.“

Genau bei dieser Zustimmung ist aber wohl die größte Hürde zu sehen, der Bilanzgruppenverantwortliche muss weiterhin dazu „überredet“ werden (etwa in Form einer gütlichen Einigung), das Off-Site-PPA zuzulassen. Mitunter stehen Bilanzgruppenverantwortliche solchen Off-Site-PPA kritisch gegenüber, führen diese doch zu einem Weniger an Einnahmen. Es ist abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier noch Nachschärfungen vornehmen wird.

Gemeinsame Energienutzung und Aktive Kunden

Neu ist auch der Begriff des „Aktiven Kunden“. Dieser ist nach § 6 Z 6 ElwG eine Endkundin oder ein Endkunde oder eine Gruppe gemeinsam handelnder Endkunden, der bzw die im Nahebereich oder innerhalb der Gebotszone erzeugte oder eigenerzeugte oder gemeinsam mit anderen erzeugte Elektrizität verbraucht, speichert oder eigenerzeugte Elektrizität verkauft oder an Flexibilitäts- oder Energieeffizienzprogrammen teilnimmt, sofern es sich dabei nicht um ihre bzw. seine gewerbliche oder berufliche Haupttätigkeit handelt.

Der österreichische Begriff des Aktiven Kunden wird über die europarechtlichen Begriffe des „Eigenversorger im Bereich der erneuerbaren Elektrizität“ und des „Aktiven Kunden“ der EU-Richtlinien 2018/2001 und 2019/944 „gestülpt“ und umfasst diese beiden Begriffe insgesamt. Begründet wird dies mit den zahlreichen Parallelen im Begriffsverständnis. Lediglich der Aktive Kunde nach Art. 2 Z 8 RL 2019/944 darf neben dem Verbrauchen, Speichern und Verkaufen des eigens erzeugen Stroms auch an Flexibilitäts- oder Energieeffizienzprogrammen teilnehmen. Der österreichische Aktive Kunde besitzt daher all die obig genannten Befugnisse.

Aktive Kund:innen sollen dazu berechtigt werden, neben ihrem „normalen“ Energieliefervertrag, an der gemeinsamen Energienutzung mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 6 MW teilzunehmen. Diese absolute Teilnahme- und Kapazitätsgrenze ist pro Teilnehmer:in zu berechnen. Darüber hinaus dürfen Haushaltskund:innen nur mit einer Stromerzeugungsanlage mit einer Maximalkapazität von bis zu 30 kW, alle sonstigen Aktiven Kunden mit 100 kW, an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen, ohne dass sie als Lieferanten oder Stromhändler anzusehen sind. Wird diese Grenze überschritten, treffen sie bestimmte Lieferantenverpflichtungen. Auch große Unternehmen im Nahebereich können an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen.

Es ist den Beteiligten offengelassen, wie sie diese gemeinsame Energienutzung genau etablieren. Möglichen wären etwa Peer-to-Peer-Verträge oder auch die Schaffung von juristischen Personen, wie etwa einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft. Hinzuweisen ist darauf, dass nicht nur der Erzeuger in dieser Konstellation als Aktiver Kunde zu werten ist, sondern auch andere Endkund:innen, die den Strom von einem Aktiven Kunden abnehmen. Beide können damit an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen. Die Tatsache, dass für eine solche Konstellation keine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft mehr nötig ist, ist eine wesentliche Neuerung und dürfte dazu beitragen, dass die dezentrale Stromversorgung vorangetrieben wird.

Es ist folglich möglich, dass Privathaushalte mittels Peer-to-Peer-Verträgen ihren eigens produzierten Strom an andere Privathaushalte verkaufen und so an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen.

Für die gemeinsame Energienutzung kann ein sogenannter Organisator bestellt werden. Dieser kann, muss aber nicht, ein Aktiver Kunde sein. Möglich soll auch sein, dass beispielsweise ein Windparkbetreiber als Organisator bestellt wird, und dieser der lokalen Bevölkerung vergünstigt Strom abgibt und gleichzeitig den Austausch von kleineren Erzeugungsmengen der Bevölkerung, beispielsweise durch PV-Anlagen, organisiert. Ebenso kann eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft als Organisator bestellt werden.

Entscheiden sich Aktive Kunden zu einer solchen gemeinsamen Energienutzung, dürfen sie bei der Energieversorgung nicht diskriminiert werden, indem sie etwa bestimmte Mindeststromliefermengen festlegen. Ebenso haben die Teilnehmer:innen der gemeinsamen Energienutzung nach § 66 Abs 1 ElwG einen Rechtsanspruch gegenüber den Netzbetreibern, an einer ebensolchen teilzunehmen. Anders als bei Off-Site-PPAs kann damit die Umsetzung nicht verhindert werden. Diese Regelung hat für Diskussionen bei Netzbetreibern geführt. Es wurde argumentiert, dass das Verbot einer Ungleichbehandlung für sie beschränkend wirkt, als dass Aktive Kunden sich sachlich von „normalen“ Kunden unterscheiden und eine Gleichbehandlung von „Ungleichen“ (verfassungs-)rechtlich bedenklich ist. Ob mit einer etwaigen höheren (Netz)Gebühr für Aktive Kunden bei gemeinsamer Energienutzung zu rechnen ist, wäre – anhand dieser Argumentation – denkbar.

Grundsätzlich soll vor allem sollen die eigene Erzeugung, Verbrauch und Verkauf von eigens erzeugtem Strom vereinfacht werden. Die Möglichkeiten sind hierbei überaus vielfältig, wobei sich dies in der Praxis noch beweisen muss. Potenziell könnte sich etwa folgende Konstellation ergeben: Ein Windparkbetreiber verkauft der lokalen Bevölkerung vergünstigten Strom (und kann sich so auch höhere Akzeptanz erhoffen) und übernimmt gleichzeitig die Rolle des Organisators. Die lokale Bevölkerung als Aktive Kunden können dann den Strom vergünstigt kaufen. Spinnt man dies noch weiter, kann der Windparkbetreiber es auch den Aktiven Kunden ermöglichen, zu vergünstigten Preisen E-Autos im Nahebereich des Windparks zu laden. Durch bidirektionales Laden könnte sodann der gesamte Strombedarf des Haushalts vom Elektroauto gespeist werden. Der Aktive Kunde muss sodann nicht noch zusätzlichen Strom, vor allem in der Nacht, zukaufen, sondern kann den Strom des Elektroautos verwenden. Hierfür würde es noch einer technischen Umsetzung bedürfen, die Möglichkeiten sind aber groß.