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EuGH: Informationsersuchen und anwaltliche Verschwiegenheitspflicht

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Überblick

Der internationale Informationsaustausch auf Ersuchen macht auch nicht davor halt, berufsrechtliche Parteienvertreter in die Pflicht zu nehmen. Am 26. September 2024 erließ der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall "Ordre des avocats du barreau de Luxembourg" (Rechtssache C-432/23) ein wegweisendes Urteil zur Reichweite des anwaltlichen Berufsgeheimnisses im Kontext des Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten.

Hintergrund des Verfahrens

Im Ausgangsfall hatte die luxemburgische Finanzverwaltung im Rahmen ihrer Ermittlungen für die spanischen Steuerbehörden auf Grundlage der EU-Amtshilferichtlinie Informationen beim Rechtsanwalt eines Abgabepflichtigen über bestimmte Unternehmenstransaktionen angefordert. Der Anwalt weigerte sich unter Berufung auf seine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht, die Informationen herauszugeben. Nach luxemburgischem Recht bestand in Steuersachen jedoch kein Auskunftsverweigerungsrecht, es sei denn, der Mandant würde andernfalls einer Strafverfolgung ausgesetzt. Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem EuGH stand daher die Frage, inwieweit nationale Regelungen, die den Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden regeln, sowie auch die Amtshilferichtlinie mit dem durch die EU-Grundrechtecharta geschützten Recht auf effektiven Rechtsbeistand und dem anwaltlichen Berufsgeheimnis vereinbar sind.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass das anwaltliche Berufsgeheimnis ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf effektiven Rechtsbeistand darstellt, das durch die EU-Grundrechtecharta geschützt wird. Dies gelte unabhängig vom Rechtsgebiet und somit auch im Steuerrecht. Der EuGH betonte, dass Anwälte:innen eine zentrale Rolle in der Wahrung der Rechte ihrer Mandanten:innen spielen und eine Kommunikation ohne die Gefahr einer Offenlegung im Fall von behördlichen Anfragen stattfinden muss.

Weiters führte der EuGH aus, dass die Amtshilferichtlinie nur die Pflichten der Mitgliedstaaten zum Informationsaustausch regle. Die Pflichten für jene Personen, die über die Informationen verfügen, ergeben sich demgegenüber aus dem nationalen Recht. Insofern liege kein Verstoß der Amtshilferichtlinie gegen die Grundrechtecharta vor.

Der Gerichtshof hat anerkannt, dass es in bestimmten Fällen im Rahmen von Steuerermittlungen notwendig sein könnte, Informationen zu erlangen, um die ordnungsgemäße Erhebung von Steuern sicherzustellen. Die luxemburgische Regelung nehme den Inhalt der anwaltlichen Beratung in Steuersachen fast vollständig aus dem Schutz der Verschwiegenheitspflicht aus. Dies sei laut EuGH ein nicht zu rechtfertigender Eingriff, der dem Unionsrecht widerspreche.

Fazit

Das vorliegende Urteil des EuGH stärkt den Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses und betont die Bedeutung der Rechte der Mandanten:innen im Lichte der EU-Grundrechtecharta. Dies ist ein wichtiges Bekenntnis zum Schutz der Privatsphäre der Steuerpflichtigen. Nicht abschließend geklärt wurde durch das Urteil, ob sich Steuerberater:innen in derartigen Fällen ebenso wie Rechtsanwälte:innen auf ihre berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht berufen können.