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Das FIFA-Transfersystem im Spannungsverhältnis des EU-Rechts

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beurteilt bestimmte Transferregeln des Weltfußballverbandes (FIFA) als Verstoß gegen die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Wettbewerbsrecht

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Überblick

Anstoß für das Urteil des EuGH gab der Fall eines ehemaligen französischen Fußballers, dessen streitbelasteter Austritt aus dem russischen Verein, dem er verpflichtet war, im Jahr 2014 eine Geldstrafe der FIFA in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro zur Folge hatte. Daran sollte sich der Verein beteiligen, der den Spieler in der Zukunft verpflichten wollte. Hierdurch sah der EuGH den Spieler in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt und witterte darüber hinaus einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht.

Sachverhalt

Ein Fußballprofi unterschrieb im Jahr 2013 einen Vertrag bei einem russischen Verein, den er nach einem Jahr ohne wichtigen Grund aufkündigte. Sein anschließend geplanter Wechsel zu einem belgischen Fußballklub scheiterte allerdings an den restriktiven FIFA-Transferregeln. Diese sehen vor, dass der neue Verein mit vertragsbrüchigen Spieler:innen gesamtschuldnerisch für die geforderte Entschädigungssumme des alten Vereins mithaftet. Die Entschädigungssumme betrug im gegenständlichen Fall über zehn Millionen  Euro. Zudem droht dem neuen Verein eine Transfersperre von einem Jahr, wenn er die Spieler:innen zum Vertragsbruch angestiftet hat, was nach den derzeit geltenden FIFA-Regeln vermutet wird. Weiters muss im Fall einer Streitigkeit über die Vertragsauflösung der nationale Fußballverband die Ausstellung eines internationalen Freigabescheins verweigern. Aufgrund des daher gescheiterten Wechsels klagte der Spieler schließlich die FIFA, woraufhin das zuständige belgische Berufungsgericht dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorlegte, ob die Transferregeln gegen die europarechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Wettbewerbsverbot verstoßen.

Entscheidung des EuGH: FIFA-Transferregeln unvereinbar mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit Wettbewerbsrecht

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bildet eine Grundfreiheit der EU und gewährleistet allen Unionsbürger:innen das Recht, in jedem EU-Mitgliedsstaat ihren Arbeitsplatz frei zu wählen und unter den gleichen Bedingungen eine Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, wie die Angehörigen des jeweiligen Staates. Der EuGH beurteilt die fraglichen FIFA-Transferregeln nunmehr als mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit von Berufsfußballspieler:innen unvereinbar, die ihre Tätigkeit bei einem neuen Verein mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat ausüben wollen. Konkret bezeichnet der EuGH die Regelungen als geeignet, den internationalen Transfer zu behindern, weil sie für die Spieler:innen sowie den Verein als neuen Arbeitgeber mit erheblichen rechtlichen, großen finanziellen und sportlichen Risiken verbunden seien.

Grundsätzlich können Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch bestimmte im Allgemeininteresse liegende Ziele, nämlich im vorliegenden Fall die Gewährleistung eines gewissen Grades an Beständigkeit in den Fußballmannschaften, gerechtfertigt werden. Nach Ansicht des EuGH gehen die fraglichen FIFA-Bestimmungen allerdings über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinaus. Sowohl die Haftung des neuen Vereins als auch die Sanktion der Transfersperre seien demnach unverhältnismäßig. Zudem beurteilt er die in den Bestimmungen vorgesehene Vermutung der Anstiftung zum Vertragsbruch als rechtswidrig. Laut dem Urteil wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit weiters durch das für den nationalen Fußballverband geltende Verbot, für die Dauer einer Vertragsstreitigkeit einen Freigabeschein auszustellen, ungerechtfertigt beschränkt. Diese Bestimmung führe faktisch dazu, dass der neue Verein die Spieler:innen nicht einsetzen darf.

Unabhängig davon verletzen die Regelungen nach Ansicht des EuGH auch Wettbewerbsrecht der EU, zumal sie eine Beschränkung bzw Verhinderung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs zwischen den Fußballvereinen innerhalb der EU bezwecken. Für diesen Wettbewerb sei die Möglichkeit essenziell, bereits ausgebildete Spieler:innen zu verpflichten, die bei einem anderen Verein unter Vertrag stehen. Obwohl nach Ansicht des EuGH die Verhinderung eines uneingeschränkten Wechsels der Spieler:innen als legitimes Ziel verfolgt werden darf, ähneln die beschränkenden FIFA-Bestimmungen in ihrer Ausgestaltung einer wettbewerbsrechtswidrigen Abwerbeverbotsvereinbarung, da sie in die Verteilung der Arbeitnehmer:innen eingreifen und Märkte abschotten können.

Fazit

Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie das belgische Berufungsgericht die Rechtsauffassung des EuGH bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die FIFA selbst sieht in einer ersten Reaktion die wichtigsten Grundsätze ihres Transfersystems dennoch als bestätigt an, will das Urteil in weiterer Folge aber noch analysieren. Aufgrund der Beurteilung des EuGH als klaren Verstoß gegen das Unionsrecht erscheint der unveränderte Bestand des aktuellen FIFA-Transfersystems allerdings fraglich.