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Der Weg der Schweiz zu einer Kreislaufwirtschaft

Die Herausforderungen des Kreislaufsystems - drei Fallstudien

Die Schweiz befindet sich auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft an einem kritischen Punkt, und die Lösungen könnten in den Händen der eigenen Industrie liegen. Dieser Artikel befasst sich mit drei wichtigen Fallstudien - der umgekehrten Wertschöpfungskette von Timberloop, den Lösungen für Bauabfälle von Susteno und dem kosteneffizienten Recycling von Migros -, die den Grundstein für eine nachhaltigere Schweiz legen könnten.

Circle Economy hat in Zusammenarbeit mit Circular Economy Switzerland und Deloitte Schweiz im März 2023 den ersten Circularity Gap Report (CGR) für die Schweiz veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Kreislaufwirtschaftsquote der Schweiz - also die Quote, mit der gebrauchte Materialien in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden - mit 6,9 % niedriger ist als der weltweite Durchschnitt von 7,2 %, aber auch niedriger als in anderen Ländern wie Grossbritannien mit 7,5 % und Polen mit 10,2 %. Die derzeitige Situation der Schweiz ist nicht nachhaltig: Das Land verbraucht 163 Millionen Tonnen neuer Materialien pro Jahr: rund 19 Tonnen pro Kopf, deutlich mehr als das geschätzte nachhaltige Niveau von 8 Tonnen pro Kopf. Das bedeutet, dass die Schweiz, um ihre Lebensqualität und ihr Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, eine Umweltzerstörung verursacht und zum Klimawandel beiträgt, der zum grössten Teil ausserhalb ihres Territoriums stattfindet (etwa 70 %). Um nachhaltiger voranzukommen, bietet die Kreislaufwirtschaft den Gesellschaften Wege, das Wirtschaftswachstum vom Materialverbrauch abzukoppeln. Die erste Schweizer Kreislaufwirtschaft bietet fünf Szenarien, um dies zu erreichen, nämlich:

  • einen kreislauforientierten Lebensstil zu pflegen
  • advance circular manufacturing
  • Verkehr und Mobilität neu denken
  • eine kreisförmige gebaute Umwelt aufbauen
  • ein kreislauforientiertes Lebensmittelsystem zu fördern.

 

Die Bewältigung der oben genannten Szenarien würde der Schweiz in der Tat Möglichkeiten bieten, Fortschritte bei der Erreichung ihrer Klimaziele zu machen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass es sich hierbei um Indikatoren auf Makroebene handelt, so dass die Akteure aus Wirtschaft und Politik die Aufgabe haben, Wege zu finden, diese Indikatoren aktiv in ihre eigene Strategie einzubinden. Um diese Akteure zu unterstützen und gemeinsam einen Fahrplan für eine Kreislaufwirtschaft in der Schweiz zu erstellen, wurde eine Multi-Stakeholder-Koalition gegründet, die verschiedene Akteure aus der Industrie, der Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor zusammenbringt, darunter Circular Economy Switzerland und Deloitte Schweiz.

Im Rahmen dieser nationalen Roadmap wurde bei Deloitte Schweiz ein erster Kreislaufwirtschafts-Inkubator organisiert, zu dem drei grosse Schweizer Unternehmen eingeladen wurden, um ihre drängendsten Herausforderungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft vorzustellen und ein erstes gemeinsames Brainstorming zur Entwicklung erster Lösungen zu ermöglichen. Während des Inkubators wurden die folgenden drei Hauptprobleme mit den eingeladenen Unternehmen und Teilnehmern diskutiert:

Eine umgekehrte Lieferkette sollte es Unternehmen ermöglichen, ihre Produkte am Ende ihrer Lebensdauer (d.h. nach dem Verbrauch) zurückzuerhalten. Die CGR liefert ein Beispiel für eine solche Wertschöpfungskette: Timberloop, von der Bekleidungs- & schuhmarke Timberland. Timberloop ist eine Plattform, über die Kunden ihre gebrauchten Produkte an das Unternehmen zurückgeben können, um ihnen ein zweites Leben zu geben und so die Materialien so lange wie möglich in Gebrauch zu halten. Wenn eine längere Nutzung aus Qualitäts- oder anderen Gründen nicht möglich ist, werden diese Produkte als letzter Ausweg recycelt. Um als Plattform verlässlicher zu werden und sich selbst zu finanzieren und weiterzuentwickeln, muss Timberloop jedoch Zugang zu einem grossen Volumen an gebrauchter Kleidung erhalten, um die für die Entwicklung der Reparaturindustrie und des Secondhand-Marktes erforderliche Grössenordnung zu erreichen und Recycling-Akteure zu gewinnen.

 

Wie können diese Herausforderungen bewältigt werden?


Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurden mehrere Wege vorgeschlagen. Erstens könnten Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln, wie z. B. die Vermietung, bei der sie das Eigentum an ihren Produkten über deren gesamten Lebenszyklus hinweg behalten und somit für eventuelle Reparaturen verantwortlich sind, und Anreize für die Entwicklung von Produkten schaffen, die für Reparaturen und eine längere Nutzung geeignet sind, sowie den Zugang zu grösseren Mengen an gebrauchten Artikeln ermöglichen. Zweitens sollten Unternehmen versuchen, die Rückverfolgbarkeit jedes Produkts zu verbessern, um Klarheit über die gesamte Wertschöpfungskette, einschliesslich der Bestandteile jedes Produkts, zu erhalten und so die Sortierung und das Recycling zu erleichtern. Dies würde auch dabei helfen, die Akteure in der gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren und Anreize für die Teilnahme an der umgekehrten Wertschöpfungskette zu schaffen. In der Tat sind die Kunden in der Regel nicht motiviert, ihre gekauften Waren zum Verkäufer zurückzubringen, da sie es vorziehen, ihre Altkleider zu den üblichen Recyclinganlagen zu bringen. Mit einem höheren Mass an Transparenz könnten Unternehmen Kunden belohnen, die ihre Artikel zurückbringen, und sie so dazu anregen, den Kreislauf zu schliessen. Um diese Wege zu unterstützen, müssen gleichzeitig innovative digitale Lösungen geschaffen werden.

Viele Produkte und Dienstleistungen verwenden Abfall als Input. Dies hat viele Vorteile, wie z. B. die Verringerung der Umweltauswirkungen der Produktion und die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette. In diesem Sinne hat Holcim einen neuen Zement namens Susteno entwickelt, der teilweise aus recycelten Bau- und Abbruchabfällen (CDW) besteht - wie in der Schweizer CGR gezeigt. Dieser neue Zement ist ein Beispiel dafür, wie Abfall mit dem richtigen Geschäftsmodell wiederverwertet werden kann. Es gibt jedoch beträchtliche Mengen anderer Bau- und Abbruchabfälle, wie z.B. Beton, die derzeit hauptsächlich downgecycelt werden und bei denen es schwierig ist, an die erforderlichen Abfallmengen heranzukommen, um neue Wege des Upcyclings zu beschreiten. Dafür gibt es viele Gründe, wie z.B. ein mangelndes Verständnis oder Bewusstsein für den Wert, der in Abfällen gefunden werden kann, oder das Versäumnis, den Unterschied zwischen "guten" und "sehr guten" Nachhaltigkeitspraktiken zu erkennen oder die eine gegenüber der anderen zu fördern. Es gibt in der Tat Unterschiede zwischen den verschiedenen Recycling-/Wiederverwendungspraktiken, da einige Praktiken energie- und ressourcenintensiver sind als andere. Die derzeitige Praxis des Recyclings von Rückbaubeton war zwar fortschrittlich und eine Erfolgsgeschichte, als sie eingeführt wurde, aber sie hat sich nicht parallel zu den heutigen neuen Technologien entwickelt. Die Verwendung von Rückbaubeton als alternativer Rohstoff für die Klinker- und Zementproduktion, anstatt ihn als alternativen Zuschlagstoff für die Transportbetonproduktion zu verwenden, würde im Vergleich zu den derzeitigen Praktiken enorme Einsparungen an Ressourcen und CO2-Emissionen ermöglichen. In der Schweiz wird derzeit nicht zwischen verschiedenen Recyclingmöglichkeiten unterschieden. Das bedeutet, dass Abfälle oft "downgecycelt" werden (wie im Fall von Rückbaubeton), d.h. zu etwas von geringerem Wert recycelt werden (z.B. Strassenbau oder minderwertiger Beton).

 

Wie können diese Herausforderungen bewältigt werden?


Um diese Herausforderung zu bewältigen, wurden mehrere Lösungen auf Unternehmens- und Länderebene vorgeschlagen. Unternehmen könnten das PAS-Modell (Product-as-a-Service) in Erwägung ziehen, das es ihnen ermöglicht, das Eigentum bis zum Ende des Lebenszyklus zu behalten und es in neuen, wirklich wiederverwerteten Anwendungen zu verwenden. Zweitens wäre es wertvoll, auf der Ebene des Ökosystems zu arbeiten und gemeinsam daran zu arbeiten, das CDW in höherwertige Anwendungen zu lenken. Schliesslich wurde auf Länderebene die Rolle der Regierung bei der Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Förderung der Kreislaufwirtschaft ermittelt. In Anbetracht der raschen technologischen Entwicklung im Recycling-Sektor müsste der Rechtsrahmen häufiger überarbeitet werden, um die verschiedenen Praktiken des Fahrradfahrens zu differenzieren.

Nicht alle Lebensmittelverpackungen sind wiederverwendbar oder können einfach eliminiert werden. Bei allen Arten von Verpackungen hilft das Recycling, wertvolle Ressourcen zurückzugewinnen und unsere Abhängigkeit von neuen Rohstoffen zur Herstellung von Produkten zu verringern. Die Migros ist ein weiteres Beispiel, das in der Schweizer CGR mit ihrem einzigartigen Kunststoff-Rücknahmeprogramm hervorgehoben wird. Indem sie der Öffentlichkeit eine unkomplizierte Möglichkeit bietet, gemischte Kunststoffverpackungen wie Becher, Schalen und Folien zu sammeln, bietet die Migros Wege, den Kreislauf der Kunststoffnutzung zu schliessen. Dieses Rücknahmesystem wurde erstmals von Migros eingeführt und unterstützt die Umwandlung von Kunststoffen, die zur Herstellung neuer Verpackungen und Produkte wiederverwendet werden sollen. Derzeit ist das Recycling von gemischten Kunststoffverpackungen eine teure Angelegenheit, was bedeutet, dass recycelte Materialien nur selten mit neuen Ressourcen konkurrieren können. Hierfür gibt es viele Gründe. Erstens ist der Strom der gesammelten gemischten Kunststoffe in der Schweiz noch nicht gross genug, um die notwendigen Grössenvorteile zu erzielen, die den Preis für recycelte Materialien senken. Zweitens benötigen die Recyclingtechnologien noch erhebliche Innovationen und Unterstützung, um ihre volle Reife zu erreichen. Recyclingverfahren sind nicht nur teuer, sondern unterliegen auch physikalischen Beschränkungen, wie z.B. der Farbe und dem Geruch des Outputs. Derzeit sind Verpackungen in Grautönen für die Kunden nicht immer attraktiv, so dass die Bereitschaft, für eine ökologischere Verpackung mehr zu bezahlen, begrenzt ist. Und schliesslich spiegelt der Preis von Neuware die externen Effekte nicht vollständig wider, was bedeutet, dass die Umweltkosten selten berücksichtigt werden.

 

Wie können diese Herausforderungen bewältigt werden?


Es gibt Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu meistern. Erstens ist es auf Länderebene wichtig, finanzielle Anreize zu schaffen, um sicherzustellen, dass die Kosten für technologische Investitionen kein Hindernis für die Verbesserung der Recyclingkapazität des Landes darstellen. Die Regierung kann hier eine Schlüsselrolle spielen, da die Gesetzgebung die Recyclingaktivitäten in der Schweiz fördern kann. Zum Beispiel könnte die Gesetzgebung Recyclingunternehmen dazu ermutigen, in bessere Technologien zu investieren, indem sie Steuererleichterungen für die von ihnen erbrachten ökologischen Leistungen gewährt, d.h. den CO2-Fussabdruck der Schweiz verringert. Darüber hinaus könnte die Politik freiwillige Massnahmen und Lösungen der Industrie gezielt unterstützen: Regulierungsbehörden und der private Sektor sollten Hand in Hand arbeiten, um die notwendigen Fortschritte bei der Kreislaufwirtschaft zu erzielen. Diese Art von Partnerschaften hat sich in der Vergangenheit als sehr effektiv erwiesen. Zweitens wäre ein Anreiz für Kunden, ihre gebrauchten Produkte zurückzugeben, ein wertvoller Weg, um eine ausreichende Menge an gemischten Kunststoffen zu erzeugen, die von Unternehmen verwendet werden können. Im Gegenzug könnten die Recycling-Organisationen die mit dem Recycling verbundenen Grenzkosten senken. Um dies zu erreichen, könnten Aufklärungsmassnahmen über den Wert des Kunststoffrecyclings oder die Bereitstellung von Prämien als Anreiz für die Kunden eine Möglichkeit sein, den Umfang der Kunststoffrückgabe zu erhöhen.

Die Schweiz gilt seit langem als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Dieses Image wird durch die natürliche Schönheit und die unberührten Landschaften verstärkt, die jedes Jahr Millionen von Touristen anziehen. Doch mit einer wachsenden Bevölkerung und einer steigenden Nachfrage nach Ressourcen steht das Land vor grossen Herausforderungen, um die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu befriedigen und gleichzeitig die ökologischen Grenzen zu respektieren. Die Circular Roadmap ist eine ehrgeizige Initiative, die darauf abzielt, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Indem sie zusammenarbeiten, können Unternehmen, Einzelpersonen und politische Entscheidungsträger eine nachhaltigere Zukunft für die Schweiz, ihre Menschen und ihre Umwelt schaffen. Mit dem ersten Kreislaufwirtschafts-Inkubator wurden einige der Herausforderungen und praktikable Lösungen identifiziert. Diese Lösungen könnten als Grundlage für das Thema auf nationaler Ebene dienen, und wir werden in Zukunft darüber berichten, wie die Recyclinginitiativen der Schweiz vorankommen.

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