Direkt zum Inhalt

Interview mit Timo Ihamuotila - Group CFO ABB

Timo Ihamuotila

Group CFO ABB «CFO of the Year» in der Kategorie Swiss Market Index Expanded® (SMI Expanded®)

Timo Ihamuotila wurde im April 2017 zum Group Chief Financial Officer und Mitglied der Konzernleitung von ABB ernannt. Er war seit 2009 Group CFO der Nokia Corporation und zuvor unter anderem als Executive Head of Sales und Corporate Treasurer bei Nokia tätig. Timo Ihamuotila war zudem bei der Citibank Plc in London im Derivatehandel und bei der Kansallis Bank in Finnland im Asset and Liability Management tätig.

Deloitte: Was möchten Sie als CFO in den nächsten 12 Monaten besonders vorantreiben?

Timo Ihamuotila: In erster Linie natürlich die Fortsetzung des guten Geschäftsgangs von ABB. Aber es gibt ein paar Punkte, auf die ich spezifisch eingehen möchte. Der erste Punkt betrifft unser Betriebsmodell „ABB Way“. Dieses definiert unsere Arbeitswei-se mit unserer dezentralen Struktur und gemäss den Grundsätzen Verantwortlichkeit, Transparenz und Schnelligkeit. In diesem Jahr werden wir weiter an unserer „ABB-Way-Broschüre" arbeiten. Ziel ist es, ein klares und unterhaltsames Kommunikationsmittel zu schaffen, damit jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter versteht, WIE ABB arbeitet. Damit festigen wir unsere Kultur der hohen Leistung und Integrität für die Zukunft.

Das zweite wichtige Thema für mich in den nächsten 12 Monaten ist der Abschluss unseres „ABB Finance Transformation Program“. Mit diesem Programm harmonisieren wir alle gesetzlich vorgeschriebenen Finanzdaten und definieren sie wo nötig neu. Es handelt sich um ein 3-Jahres-Programm von der Definition bis zur vollständigen globalen Implementierung, die im zweiten Halbjahr 2024 abgeschlossen sein wird. Danach werden alle ABB-Finanzdaten in der Cloud verfügbar sein und wir können sie in allen Dimensionen durchleuchten, um unseren Geschäftsverlauf zu analysieren. Ausserdem werden wir in der Lage sein, unsere Abschlüsse nahezu in Echtzeit zu erstellen.

Darüber hinaus möchten wir auf dem Erfolg des ersten integrierten Geschäftsberichts von ABB aufbauen, den wir Anfang letzten Jahres veröffentlicht haben und in dem nicht nur unsere Finanz-, sondern auch unsere Nachhaltigkeitsleistung im Fokus stehen. Mit unserem Wertschöpfungsmodell im Zentrum wollen wir die Art und Weise, wie wir über die Fortschritte bei der Erreichung unserer Ambitionen berichten, kontinuierlich verbessern und aufzeigen, wie wir kurz-, mittel- und langfristig ganzheitlich Werte für unsere Stakeholder schaffen. Es liegen also in der Tat sehr spannende Zeiten vor uns!

Deloitte: Wie schätzen Sie das Potenzial von generativer künstlicher Intelligenz für die Finanzfunktion ein, nicht zuletzt auch im Hinblick des Arbeitskräftemangels?

Timo Ihamuotila: Es gibt viele Werkzeuge, um die Effizienz und Effektivität der Finanzfunktion zu verbessern. Ich denke nicht, dass wir bei ABB Finance diesbezüglich in erster Linie auf generative KI setzen sollten. Wie oben erwähnt sind wir aktuell in einer Transformation des Finanzbereichs. Damit werden wir ein vollständig abgestimmtes, konsistentes Datenmodell als Grund-lage für unsere Finanzanalyse und -planung haben. Das hat für uns derzeit oberste Priorität. Im Moment verhält es sich bei uns ein bisschen wie beim Hausbau, zuerst braucht man ein solides Fundament, bevor man sich schickem Interieur zu-wenden kann. Mit der Transformation des Finanzwesens werden wir durch die Harmonisierung von Prozessen auch Effi-zienzgewinne erzielen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Für grosse Unternehmen wirft generative KI auch einige Fragen auf, wie z.B. in Bezug auf das geistige Eigentum. Diese Themen müssen vor einer Implementierung geklärt werden. Daher denke ich, dass der Einsatz generativer KI für uns bei ABB im Finanzbereich noch ein Stück entfernt ist. Auf der anderen Seite – und hier spreche ich nicht über unsere Finanz-funktion – ist generative KI ein Thema, dass für die Arbeit mit unseren Kunden in den Bereichen Elektrifizierung und Automatisierung an Bedeutung gewinnt. KI ist ein fester Bestandteil unseres Geschäfts und im gesamten Konzern verfol-gen wir aktuell mehr als 100 Projekte in diesem Bereich.

Deloitte: Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Rolle des CFOs in den nächsten Jahren verändern?

Timo Ihamuotila: Meiner Erfahrung nach wird die Rolle des CFO immer vorausschauender und strategischer. Es ist sehr wichtig, dass CEO und CFO gut zusammenarbeiten und dass der CFO die richtigen Vergleichsgrössen für die Entscheidungsfindung liefern kann, z.B. für die Kapitalallokation und das Portfoliomanagement. Ich glaube auch, dass die Rolle des CFO verstärkt darin bestehen wird, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen systematisch arbeitet, um langfristigen Wert zu schaffen. Das bedeutet, dass er sich mehr auf einen agilen langfristigen Planungsprozess konzentriert und die Umsetzung der Unterneh-mensstrategie unterstützt. Natürlich werden auch die traditionellen Aufgaben wie ein präzises Reporting und die Sicherstel-lung der Finanzierung weiterhin wichtig bleiben.

CFOs müssen sich zudem mehr Gedanken darüber machen, welche Art von Kompetenzen in Zukunft benötigt werden. Mit einer breiten, automatisierten und jederzeit verfügbaren Datenbasis wird sich der Schwerpunkt von der Ist-Berichterstattung hin zur Analyse verlagern. Dies wird mehr Kompetenzen im Bereich Finanzplanung und -analyse und sogar Datenwissenschaftler im Finanzbereich erfordern. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Ich denke, dass sich die Prognosegenauigkeit in Zukunft verbessern wird, wenn Prognosen auf der Grundlage von Datenmodellen und einigen Top-down-Anpassungen erstellt werden können, anstatt als Bottom-up-Prozess, an dem viele Mitarbeitende beteiligt sind. Dies wird sowohl die Effektivität als auch die Effizienz verbessern. Ein weiterer Bereich ist die interne Revision, die sich zunehmend von separaten Prüfungen hin zu einer kontinuierlichen Datenüberwachung und der Erkennung von Anoma-lien in den Daten entwickeln wird, was wiederum sowohl die Effektivität als auch die Effizienz verbessert.

Deloitte: Wie schätzen Sie die Zinsentwicklung in den nächsten 12 Monaten und damit die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen ein?

Timo Ihamuotila: Bei den Zinserhöhungen für den Euro und den Schweizer Franken gab es zuletzt ein Innehalten. Die Zinssätze sind wahr-scheinlich nahe bei ihren Höchststanden und dürften von nun an allmählich zurückgehen. Und aus den USA konnten wir zuletzt auch eine andere Tonalität vernehmen, wenngleich wir abwarten müssen, wie sich die Lage entwickelt, da es sich um ein sehr dynamisches Wirtschaftsumfeld handelt. Aus der Distanz betrachtet waren Nullzinsen für immer kein vernünf-tiges Szenario, und ich glaube auch nicht, dass wir in absehbarer Zeit dorthin zurückkehren werden. Die Finanzierungsbe-dingungen für grosse Unternehmen sind insgesamt weiterhin gut, der Markt ist genug liquide und ich sehe keine Proble-me bei der Verfügbarkeit von Finanzierungmitteln für Unternehmen mit guter Bonität. Die Preise von Vermögenswerten haben sich angesichts höherer Zinssätze ebenfalls etwas gemässigt, was Unternehmen mit soliden Bilanzen Möglichkeiten für eine bessere Risikorendite bieten könnte, wenn sie über anorganisches Wachstum nachdenken.

Unser Wissen