Die Rolle des Verwaltungsrats in Bezug auf den demografischen Wandel
Nathalie Bourquenoud ist Mitglied des Verwaltungsrats der Vaudoise Versicherung (NRK- und CTD-Ausschüsse), der Chocolats Camille Bloch SA sowie der Stiftung UNICEF Schweiz und Liechtenstein. Als Gründerin der Oxadi AG begleitet sie die Transformation von Organisationen. Zuvor hatte sie die Arbeitswelten der Post-Finance und der Mobiliar transformiert. Sie hat die beiden Unternehmen an die Anforderungen der digitalen Welt angepasst und sie als die besten Arbeitgeber der Schweiz positioniert. Mit 34 Jahren war sie die erste weibliche Führungskraft im Konzern der Schweizerischen Post und wurde CFO der PostColis SA. Dank ihrer über 17-jährigen Tätigkeit bei PostFinance und Raiffeisen verfügt sie über umfassende Erfahrungen im Retail Banking. Zudem war sie acht Jahre lang Mitglied der Geschäftsleitung der Mobiliar und während sechs Jahren Verwaltungsratspräsidentin der Versicherung SwissCaution.
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swissVR Monitor: Sie sind eine ausgewiesene Verwaltungsratsexpertin mit Mandaten in verschiedenen Branchen. Welche Rolle und Aufgaben hat der Verwaltungsrat, wenn es darum geht, wie Unternehmen die Auswirkungen des demografischen Wandels bewältigen?
Nathalie Bourquenoud: Die Auswirkungen des demografischen Wandels betreffen weit mehr als nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehungsweise die Ressourcen eines Unternehmens. Sie wirken sich auch auf die Kunden, die Entwicklungsstrategie, die digitale Transformation sowie die politische und geografische Dynamik aus. Der Verwaltungsrat muss die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern, indem er es langfristig attraktiv und leistungsfähig macht. Es obliegt ihm daher, demografische Veränderungen und ihre Auswirkungen proaktiv anzugehen und so das Unternehmen vorausschauend und nicht reaktiv zu führen.
swissVR Monitor: Gemäss unserer Befragung wurde der demografische Wandel in etwas mehr als der Hälfte der Verwaltungsräte in den letzten 12 Monaten diskutiert. Wie schätzen Sie dieses Ergebnis ein?
Nathalie Bourquenoud: Das ist ein guter Anfang, aber es bedeutet, dass fast die Hälfte noch nicht darüber spricht. Den demografischen Wandel zu ignorieren ist jedoch so, als würde man in einem Boot nicht sehen wollen, dass das Wasser mit der Flut steigt. Diejenigen, die vorausschauend handeln, werden den anderen einen Schritt voraus sein. Die Diskussionen sollten auch auf alle Ebenen der Organisation ausgedehnt werden. Entscheidend ist, dass strategische Überlegungen zu Investitionen angestellt werden, anstatt sich nur auf Kosteneinsparungen um jeden Preis zu konzentrieren.
swissVR Monitor: Unsere Untersuchung zeigt ausserdem, dass Verwaltungsräte den demografischen Wandel grösstenteils im Gesamtgremium diskutieren und selten in Ausschüssen. Für welche Ausschüsse wäre dieses Thema Ihrer Meinung nach besonders relevant?
Nathalie Bourquenoud: Immerhin wird das Thema angesprochen, aber der demografische Wandel lässt sich nicht auf Zahlen beschränken. Es handelt sich um eine qualitative Herausforderung, die die Kompetenzen und das Fachwissen betrifft, die für eine Zukunftssicherung erforderlich sind. Dieses Thema findet seinen Platz im Nominierungs- und Vergütungsausschuss (Talentmanagement, Diversität), im Strategieausschuss (Anpassung der Angebote, Erschliessung neuer Märkte) oder auch im Ausschuss für digitale Transformation (Erwerb von menschlichen und technologischen Kompetenzen). Warum nicht auch im CSR-Ausschuss, um die gesellschaftlichen Auswirkungen und den generationenübergreifenden Transfer zu behandeln. Kurzum, der demografische Wandel ist ein übergreifendes Thema, das eine gründliche Reflexion auf verschiedenen Ebenen erfordert.
swissVR Monitor: Mehr als acht von zehn der befragten Verwaltungsratsmitglieder geben an, dass ihr Gremium über genügend Fachwissen verfügt, um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf ihr Unternehmen zu beurteilen. Welche Fachgebiete sollten die Mitglieder eines Verwaltungsrats abdecken, damit ausreichend Expertise zu diesem Thema vorhanden ist?
Nathalie Bourquenoud: Das Fachwissen muss multidisziplinär sein und folgende Bereiche abdecken:
Fachwissen zu haben, ist gut. Es sich konkret zunutze zu machen, ist noch
besser.
swissVR Monitor: Laut Aussage der Befragten hat die Mehrheit der Verwaltungsräte bisher keine Ziele bezüglich der Herausforderungen und Chancen des demografischen Wandels für die eigene Unternehmensstrategie festgelegt. Wie können Verwaltungsräte bei einer solchen Zielformulierung vorgehen?
Nathalie Bourquenoud: Warum sollte man sich immer auf das Setzen von Zielen konzentrieren? Das Wichtigste ist, aktiv und konkret zu sein und das System weiterzuentwickeln. Der erste Schritt besteht darin, eine qualitative Diagnose zu erstellen, um die tatsächlichen Auswirkungen auf das Unternehmen zu verstehen. Dann gilt es, eine kollektive Reflexion über Themen wie generationenübergreifende Diversität, Produktanpassung oder die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen anzustossen. Und schliesslich, diese Herausforderungen in eine Gesamtstrategie einzubinden und Schubladendenken zu vermeiden. Es geht nicht darum, sich mit schönen Erklärungen zufriedenzugeben: Messen Sie die Auswirkungen der Massnahmen und setzen Sie eine echte interne Debatte in Gang!