Von einer rein akademischen Disziplin im Jahr 2011 hat sich Process Mining in den letzten zehn Jahren erheblich weiterentwickelt und ist zu einem Katalysator für die digitale Transformation und verbesserte Prozesseffizienz in vielen Unternehmen geworden. Die gestiegenen Investitionen in Process Mining und die damit verbundene Entwicklung eines milliardenschweren Softwaremarktes zeigen sich auch in der erstmaligen Veröffentlichung des MagicQuadrantTM für Process Mining Tools durch Gartner im März 2023. Verschiedene Akquisitionen und Partnerschaften sowie die jüngsten Aktualisierungen des Produktportfolios kündigen mit der bevorstehenden Konvergenz von Process Mining und Task Mining noch mehr Umwälzungen am Horizont an.
Bislang haben wir uns in unserer Blogserie ausschliesslich auf das Process Mining konzentriert und dessen Wert sowie unseren bewährten Implementierungsansatz beschrieben, der den Phasen Focus, Act und Scale folgt. In diesem Artikel wenden wir uns dem Konzept des Task Mining zu und stellen seine wichtigsten Anwendungsbereiche und Anwendungsfälle vor.
Task Mining stützt sich auf aufgezeichnete Desktop-Aktivitäten (d.h. Front-Office-Systeme wie Excel, Outlook usw.), die durch Algorithmen des maschinellen Lernens ergänzt werden, um Sequenzen von Aktivitäten zu identifizieren, die von einzelnen Benutzern oder Teams ausgeführt werden. Die Aktivitäten, die im Rahmen des Task Mining erfasst werden, können von einfachen Tastenanschlägen und Mausklicks bis hin zu komplexeren Benutzerinteraktionsmustern reichen, die Eingaben in verschiedenen Front-Office-Anwendungen umfassen.
Wie bereits in unseren früheren Blogs erwähnt, stützt sich das Process Mining auf Ereignisprotokolldaten aus Backend-Systemen (d.h. ERP-Systeme, CRM- oder PLM-Systeme usw.), um End-to-End-Prozesse zu modellieren und zu konstruieren, indem Fall-IDs mit bestimmten Zeitstempeln verbunden werden.
Kurz gesagt, beide Methoden zoomen auf unterschiedliche Granularitätsebenen und liefern unterschiedliche Arten von Erkenntnissen. Task Mining liefert ein Bild des Verhaltens auf Einzel- oder Teamebene, während Process Mining Einblicke in übergreifende, unternehmensweite Geschäftsprozesse ermöglicht. Weitere Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Task und Process Mining sind in Abbildung 1 dargestellt.
Wie die Hauptphasen der End-to-End-Prozessumwandlung beziehen sich auch die wichtigsten Anwendungsfälle des Task Mining auf die Entdeckung, Optimierung und Automatisierung von Aufgaben. Bei der Aufgabensuche geht es darum, zu bewerten, wie bestimmte Aufgaben von Einzelpersonen oder Teams ausgeführt werden, und einen Vergleich mit dem erwarteten Ergebnis anzustellen. Wenn Abweichungen oder Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden, kann die Aufgabenoptimierung aktiviert und in einen Gesamtplan zur kontinuierlichen Verbesserung eingebettet werden. Wir beobachten zunehmend, dass sich Unternehmen nicht nur auf die Identifizierung von Arbeitsspitzen und die damit verbundene Optimierung der Personalbesetzung konzentrieren, sondern auch darauf, zu ermitteln, ob für bestimmte Anwendungen angemessene Zeiten aufgewendet werden. Wenn das Ergebnis der Analyse auf Automatisierungspotenzial hinweist, kann die Aufgabenautomatisierung in die allgemeine Automatisierungsagenda aufgenommen werden, um einen Mehrwert zu schaffen.
Angesichts der aktuellen makroökonomischen Bedingungen sehen wir einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Task Mining im Rahmen von allgemeinen Produktivitäts- und/oder Kostenoptimierungsprogrammen. Die meisten Unternehmen nutzen Task Mining auch, um evidenzbasierte Signale für die kontinuierliche Verbesserung des allgemeinen Engagements, der Zusammenarbeit, der Integration und des allgemeinen Wohlbefindens der Mitarbeiter zu erkennen. Um diese unternehmensweiten Bemühungen zum Erfolg zu führen, müssen einige Schlüsselfaktoren berücksichtigt werden, wobei der Datenschutz im Mittelpunkt steht, der im nächsten Abschnitt genauer erläutert wird.
In Übereinstimmung mit der Darstellung in Abbildung 1 umfassen die wichtigsten strategischen Überlegungen für den Einsatz von Task Mining Fragen des Datenschutzes, des Change Managements und der Akzeptanz bei allen Mitarbeitern sowie der effektiven Nutzung und Skalierung von Task Mining angesichts der im Vergleich zu Process Mining verbesserten Time-to-Value.
Da das Task Mining auf der Aufzeichnung von Aktivitäten beruht, die von einzelnen Benutzern oder Teams durchgeführt werden, ist der Datenschutz entscheidend. Die Anonymisierung oder Pseudonymisierung kritischer Daten ist ein wertvoller Ansatzpunkt, ebenso wie die Einschränkung von Daten über Datenpoolberechtigungen und die Durchführung von Analysen für Mitarbeitergruppen, um die Vertraulichkeit zu wahren. Die meisten dieser Massnahmen sind zwar in den führenden Task-Mining-Tools bereits standardmässig enthalten, reichen aber in Ländern mit strengen Datenschutzbestimmungen möglicherweise nicht aus, so dass die Abstimmung mit den Betriebsräten zu einem entscheidenden Faktor wird. Daher ist die frühzeitige Einbindung von Datenschutzexperten und Betriebsräten für den Erfolg des Task-Mining-Programms unerlässlich, ebenso wie eine angemessene interne Kommunikation und ein entsprechendes Change Management.
Bei der Unterstützung verschiedener Task Mining-Initiativen haben wir gesehen, dass alle wichtigen Anwendungsfälle der Aufgabenerkennung, Aufgabenoptimierung und Aufgabenautomatisierung effektiv eingesetzt werden können, sobald sie mit der strategischen Gesamtagenda in Einklang gebracht und von der Geschäftsleitung entsprechend unterstützt werden. Der Umfang von Task-Mining-Projekten kann von anfänglichen Proof-of-Concepts und individuellen Proof-of-Value-Initiativen bis hin zu einer umfassenderen Einbindung in die gesamte Automatisierungs- und Digitalisierungsagenda variieren. Darüber hinaus stellen wir fest, dass führende Unternehmen, die Process Mining bereits in grossem Umfang einsetzen (gekennzeichnet durch ein spezielles Kompetenzzentrum und eine weitreichende Einführung von Process Mining im gesamten Unternehmen), zu Task Mining übergehen, um die Erkenntnisse über die End-to-End-Prozesse durch detailliertere Informationen auf der Ebene der einzelnen Mitarbeiter zu ergänzen.
Die Kombination von Prozess- und Task Mining bietet einzigartige Einblicke in manuelle Aktivitäten, die ausserhalb von Schlüsselsystemen stattfinden, und ermöglicht so einen 360°-Blick auf Back-End- und Front-End-Systeme. Um den Wert des kombinierten Prozess- und Task Mining zu beweisen, haben wir ein führendes Konsumgüterunternehmen dabei unterstützt, die ursprüngliche Analyse seines Order-to-Cash-Prozesses (durchgeführt mittels Process Mining) weiter zu verfeinern und weitere Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und umzusetzen.
Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, ergab die Bewertung, dass der grösste Teil der Zeit (analysiert an den Prozessschritten der Stufe 1 des Order-to-Cash-Prozesses) ausserhalb des SAP-Systems verbracht wird, dem wichtigsten ERP-System des Kunden und dem wichtigsten System, das im Order-to-Cash-Prozess eingesetzt wird. Infolgedessen haben wir ausgewählte Bereiche und Teams im gesamten Prozess eingehend untersucht und uns dabei auf die Übergänge zwischen allen Anwendungen konzentriert, die von den Mitarbeitern im Prozess verwendet werden. Durch die Anwendung von Task Mining war es daher möglich, die Gesamtaufwandsschätzungen für die Basis-FTEs zu verfeinern und Ausnahmen sowie die "Happy Path"-Prozessschritte auf der Grundlage von Volumen (Process Mining) und Zeitaufwand (Task Mining) zu identifizieren.
Die Kombination aus Prozess- und Task Mining ermöglichte die Definition detaillierterer Initiativen zur kontinuierlichen Verbesserung, die auf eine 40%ige Reduzierung des Gesamtaufwands durch die Beseitigung von Ausnahmen und die Automatisierung des "Happy Path" hindeuteten. Dies wurde erreicht, da das Task Mining eine bessere Sicht auf die verbleibenden Teile des Order-to-Cash-Prozesses ermöglichte. Nur 21% der Zeit wurde tatsächlich in SAP verbracht, gegenüber 54% in der Microsoft-Technologie. Insgesamt zeigte der kombinierte Ansatz aus Task- und Process Mining ein vielversprechendes Potenzial für die Ausweitung auf andere Prozessbereiche im Unternehmen des Kunden, was zu detaillierteren Einblicken und einem grösseren Verbesserungspotenzial führte.
In diesem Artikel haben wir unseren Schwerpunkt auf das Task Mining verlagert und die wichtigsten Anwendungsfälle, strategische Überlegungen und ein besonderes Beispiel für die Kombination von Prozess- und Task Mining beschrieben. Wir gehen davon aus, dass sich der Einsatz von Task Mining aufgrund der laufenden Programme zur Produktivitäts- und Kostenoptimierung weiter beschleunigen wird. Wir erwarten auch einen weiteren Einsatz von grossen Sprachmodellen im Bereich der Prozessintelligenz, der durch die Ausweitung der generativen KI vorangetrieben wird, um Unternehmen in die Lage zu versetzen, potenzielle Bereiche für Verbesserungen und letztlich Effizienzsteigerungen zu identifizieren.