Das Schweizer Parlament hat neue Berichts-, Transparenz- und Sorgfaltspflichten erlassen, die im Jahr 2022 in Kraft treten. Art. 964a-c des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) beziehen sich auf die Berichtspflichten für Umwelt-, Sozial- und Governance-Angelegenheiten (ESG) für grosse Schweizer Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs)1 und gelten ab dem Kalenderjahr 2023 mit einer Berichtspflicht im Jahr 2024. Um die künftige Konsistenz und Vergleichbarkeit dieser Berichterstattung zu gewährleisten, werden die Unternehmen ermutigt, ab dem Kalenderjahr 2024 die Offenlegungsanforderungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) für ihre Berichterstattung zu Umweltfragen anzuwenden.
Die neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union (EU) haben eine erhebliche extraterritoriale Reichweite und werden die Berichtslandschaft grundlegend verändern. Im November 2022 haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament den endgültigen Text der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive - CSRD) verabschiedet, die eine Nachhaltigkeitsberichterstattung und -prüfung vorschreibt, die weit über das hinausgeht, was die meisten Unternehmen heute leisten, und die umfangreicher ist als die CO-Berichtsanforderungen. Die CSRD gilt für alle Unternehmen, die in der EU in erheblichem Umfang tätig sind, einschliesslich nicht börsennotierter Schweizer Unternehmen mit nur einer Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU. Die Anforderungen treten stufenweise in Kraft, wobei die früheste Anwendung vom 1. Januar 2024 bis zum 1. Januar 2028 erfolgt.
Darüber hinaus ist das International Sustainability Standards Board (ISSB) der IFRS Foundation für die Entwicklung von IFRS-Standards für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen zuständig, die eine globale Grundlage für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen bilden. Das ISSB geniesst internationale politische Unterstützung und wird von der G7, der G20, der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), dem Financial Stability Board, den Finanzministern und den Zentralbankgouverneuren von mehr als 40 Ländern unterstützt. Die Übernahme in der Schweiz hängt davon ab, ob die ISSB-Standards durch die lokalen Gesetze und Vorschriften vorgeschrieben sind.
Die U.S.A. Die Securities and Exchange Commission (SEC) hat ebenfalls Regeländerungen vorgeschlagen, die von Registranten verlangen würden, bestimmte klimabezogene Angaben in ihre Registrierungserklärungen und periodischen Berichte aufzunehmen, einschliesslich Informationen über klimabezogene Risiken und bestimmte klimabezogene Finanzkennzahlen in einer Anmerkung des geprüften Jahresabschlusses.
Für Schweizer Unternehmen kann es eine Herausforderung sein, herauszufinden, welche Vorschriften gelten werden und wann diese gelten werden. Diese Publikation beschreibt die sich abzeichnende Landschaft für eine standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung und gibt Beispiele dafür, welche Berichterstattungsvorschriften für Schweizer Unternehmen gelten können und wann diese anwendbar sind. Diese Beispiele konzentrieren sich auf die CSRD der EU und die CO, die sich wahrscheinlich stärker auf Schweizer Unternehmen auswirken werden.
ALPHA ist ein nicht börsennotiertes multinationales Unternehmen (ALPHA Group) mit weltweitenAktivitäten2. Die Muttergesellschaft ist in der Schweiz ansässig. In den letzten beiden Berichtszeiträumen hatte die ALPHA Gruppe:
Die Gruppe hat drei hundertprozentige, nicht börsennotierte Tochtergesellschaften, die in der EU registriert und tätig sind und die nach IFRS in der Schweizer Gruppe konsolidiert werden. Im letzten Berichtszeitraum hatte jede der einzelnen EU-Tochtergesellschaften:
Die ALPHA Gruppe ist in der Schweiz registriert, fällt aber nicht in den Anwendungsbereich von Art. 964a-c OR, da sie keine PIE ist. Die ALPHA Gruppe muss keinen nicht-finanziellen Bericht gemäss OR vorlegen.
Die ALPHA Gruppe und ihre Tochtergesellschaften sind nicht an einem EU-regulierten Markt notiert und die EU-Tochtergesellschaften erfüllen keines der drei Kriterien für die Einstufung als "grosses EU-Unternehmen "4. Daher fällt die ALPHA Gruppe erst ab dem 1. Januar 2028 in den Anwendungsbereich der CSRD, da die Gruppe in den letzten beiden Geschäftsjahren in der EU einen Nettoumsatz von jeweils mehr als 150 Mio. EUR erzielt hat.
Der endgültige Text der CSRD verlangt, dass der Nachhaltigkeitsbericht Informationen auf Konzernebene der nicht EU-hörigen Muttergesellschaft enthält. Damit fallen die gesamte Schweizer Muttergesellschaft und ihre weltweiten Aktivitäten ab dem 1. Januar 2028 in den Anwendungsbereich der CSRD. Die EU-Tochtergesellschaft des Schweizer Unternehmens wird für die Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsinformationen verantwortlichsein5.
In diesem modifizierten Szenario ist die ALPHA-Gruppe an der Pariser Euronext notiert. Daher fällt die Gruppe in den Anwendungsbereich von Art. 964a-c CO ab dem 1. Januar 2023, weil es ein Schweizer PIE ist und die Grössenkriterien erfüllt. Die Gruppe erstellt einen Bericht über nicht-finanzielle Angelegenheiten in Übereinstimmung mit dem CO.
Die ALPHA Gruppe fällt ab dem 1. Januar 2024 in den Anwendungsbereich der CSRD, da die ALPHA Gruppe an einem EU-regulierten Markt notiert ist und mehr als 500 Mitarbeiter hat.
Die CSRD verlangt, dass der Nachhaltigkeitsbericht Informationen auf Konzernebene enthält. Damit fallen ab dem 1. Januar 2024 die gesamte Nicht-EU-Muttergesellschaft und ihre weltweiten Aktivitäten in den Anwendungsbereich der CSRD. Die in diesen Nachhaltigkeitsberichten geforderten Informationen sollten in Übereinstimmung mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder als gleichwertig erachteten Standards erstellt werden.
Es ist möglich, dass die EFRAG-Regelung als gleichwertig mit den Anforderungen von CO angesehen wird, da diese weitgehend auf der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD), dem Vorgänger der CSRD, basiert. Wenn der ESRS der EFRAG in der Schweiz als gleichwertig angesehen würde, könnte das Unternehmen nur nach dem ESRS berichten.
In diesem modifizierten Szenario erfüllt eine der nicht börsennotierten EU-Tochtergesellschaften zwei der drei Kriterien, um als "EU-Grossunternehmen" zu gelten, und würde daher ab dem 1. Januar 2025 in den Anwendungsbereich der CSRDfallen6. Die ALPHA Gruppe fällt ab dem 1. Januar 2028 in den Anwendungsbereich der CSRD, da die Gruppe in den letzten beiden Geschäftsjahren jeweils einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR in der EU erzielt hat (wie bei Szenario 2.1). Für die Zwecke der CO ist die ALPHA Gruppe keine PIE und muss keinen nicht-finanziellen Bericht gemäss CO vorlegen.
Übergangsbestimmung: Die CSRD enthält eine Übergangsbestimmung, die die EU-Nicht-PIE-Tochtergesellschaft für sieben Jahre von der Erstellung eines separaten Nachhaltigkeitsberichts für die Tochtergesellschaft befreit, wenn die Tochtergesellschaft in einen "konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht" einer anderen EU-Tochtergesellschaft derselben obersten Nicht-EU-Muttergesellschaft einbezogenist7.
Die ALPHA Gruppe hat keine EU-Zwischenmuttergesellschaft, die eine konsolidierte Berichterstattung auf EU-Ebene erstellt, die die Befreiung ermöglichen würde. Es könnte jedoch möglich sein, dass ALPHA ab dem 1. Januar 2025 freiwillig eine konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung der Gruppe erstellt, so dass die Befreiung für die grosse EU-Tochtergesellschaft gilt. In diesem Szenario gibt es zwei wichtige Überlegungen:
In diesem Szenario werden zwei der drei EU-Tochtergesellschaften in der dritten EU-Tochtergesellschaft konsolidiert, und die daraus resultierende EU-Gruppe erfüllt zwei der drei Kriterien, um als "grosse EU-Gruppe "8 zu gelten. Die EU-Grossgruppe fällt ab dem 1. Januar 2025 in den Geltungsbereich der CSRD. Wenn eine der konsolidierenden EU-Tochtergesellschaften die Kriterien erfüllt, um als EU-Grossunternehmen zu gelten (wie in Beispiel 2.3), dann könnte diese EU-Tochtergesellschaft die Übergangsbestimmung anwenden, die sie von der Erstellung eines eigenständigen Nachhaltigkeitsberichts befreit, da sie nun in den konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht einer anderen EU-Tochtergesellschaft desselben obersten Nicht-EU-Mutterunternehmens einbezogen ist.
Die ALPHA Gruppe fällt nur dann in den Anwendungsbereich der ISSB-Standards, wenn diese in die lokalen Gesetze und Vorschriften der Schweiz übernommen werden oder wenn die Gruppe in einer ausländischen Jurisdiktion notiert ist, die die ISSB-Standards vorgeschrieben hat. Die drei nicht börsennotierten EU-Tochtergesellschaften können auch einzeln in den Anwendungsbereich der ISSB-Standards fallen, wenn diese in die jeweiligen Gesetze und Vorschriften der EU-Länder, in denen die Tochtergesellschaften registriert sind, übernommen werden. Der ISSB hat für IFRS S1 und IFRS S2 den 1. Januar 2024 als Datum des Inkrafttretens festgelegt, die lokalen Regulierungsbehörden können jedoch ein anderes Datum wählen.
Die ALPHA Group und ihre Tochtergesellschaften fallen in ihrer derzeitigen Form nicht in den Anwendungsbereich der SEC-Klimaoffenlegungsregeln, da keines der Unternehmen an einem in den USA regulierten Markt notiert ist. Das Datum des Inkrafttretens der SEC-Klimaoffenlegungsregeln wurde noch nicht bekannt gegeben.
Es gibt Unterschiede zwischen den von EFRAG, ISSB und SEC vorgeschlagenen Nachhaltigkeitsstandards.
Interessierte Kreise: Einige dieser Verordnungen haben ein anderes Publikum. Die Vorschriften des ISSB und der SEC sind auf die Bedürfnisse der Anleger ausgerichtet. Die EFRAG-Vorschriften sind jedoch breiter angelegt und auf die Bedürfnisse von mehr als nur Investoren ausgerichtet.
Wesentlichkeit: Eine der Auswirkungen der unterschiedlichen Zielgruppen ist, dass es eine unterschiedliche Definition von Wesentlichkeit gibt, und das kann eine besondere Herausforderung sein, wenn es um die praktische Anwendung geht. Die ISSB-Standards verwenden dieselbe Definition von Wesentlichkeit, die auch für die IFRS-Rechnungslegungsstandards gilt. In ähnlicher Weise schlägt die SEC-Regel vor, ihre Definition von finanzieller Wesentlichkeit für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verwenden. EFRAG schlägt jedoch das Konzept der doppelten Wesentlichkeit vor, das die finanzielle Wesentlichkeit und die Wesentlichkeit der Auswirkungen umfasst. Ein Unternehmen muss darüber berichten, wie sein Geschäft durch nachhaltigkeitsbezogene Angelegenheiten beeinflusst wird und wie sich seine Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt auswirken.
Ansatz zur Standardsetzung: Die ISSB-Standards sind prinzipienbasiert und sehr allgemein gehalten. Im Gegensatz dazu verlangen die ESRS umfangreiche detaillierte Angaben und Datenpunkte.
Anwendungsbereich: Wir gehen davon aus, dass die Anwendung der entsprechenden Vorschriften in der Schweiz wie folgt ablaufen wird.
5. Schlussfolgerung
Die kommenden Verordnungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung haben eine erhebliche extraterritoriale Reichweite, und es kann für Schweizer Unternehmen eine Herausforderung sein, herauszufinden, welche Verordnung(en) gelten werden. Folglich müssen sich die Schweizer Unternehmen mit den verschiedenen Vorschriften vertraut machen und die Auswirkungen auf ihre Berichterstattung sorgfältig bewerten. Unterschiedliche Nachhaltigkeitsvorschriften bringen auch unterschiedliche Vorschriften für die Assurance mit sich, z.B. besteht derzeit keine Verpflichtung, eine Assurance für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen von CO einzuholen, aber es besteht die Notwendigkeit, eine Assurance einzuholen, wenn ein Schweizer Unternehmen in den Anwendungsbereich der CSRD fällt.
Die Unternehmen befürchten, dass sie möglicherweise mehr als einen Satz von Standards anwenden müssen. Theoretisch könnte ein Unternehmen in den Anwendungsbereich der CO-, EFRAG-, ISSB- und SEC-Vorschriften fallen. Die Angleichung der Standards ist ein anhaltender und wichtiger Bereich der Debatte zwischen den Standardsetzern. Für die betroffenen Unternehmen wird es wichtig sein, zu verstehen, wie diese Standards miteinander verbunden sind und wie sie miteinander in Einklang gebracht werden können.
Fussnoten: 1) Art. 2 lit. c Revisionsaufsichtsgesetz definiert PIEs als (a) börsennotierte Unternehmen, d. h. Unternehmen, (i) deren Beteiligungspapiere an einer Börse notiert sind; (ii) die Anleihen ausstehen haben; oder (iii) die mindestens 20 % der Vermögenswerte oder Erträge zur konsolidierten Bilanz eines Unternehmens unter (i) oder (ii) beitragen, und (b) beaufsichtigte Unternehmen, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA beaufsichtigt werden, wie Banken oder Versicherungsgesellschaften. 2) Das Diagramm wurde vereinfacht, um nur die Schweizer Muttergesellschaft und die EU-Tochtergesellschaften zu zeigen und andere weltweite Aktivitäten auszuschliessen. 3) "Nettoumsatz" bezeichnet die Beträge aus dem Verkauf von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen nach Abzug von Umsatzrabatten, Mehrwertsteuer und anderen direkt mit dem Umsatz verbundenen Steuern. Die Definition wird für Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute und Unternehmen im Anwendungsbereich von Artikel 40a (1) der CSRD geändert. 4) "Grosse" EU-Unternehmen (unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder nicht und einschliesslich Tochtergesellschaften von Nicht-EU-Muttergesellschaften) sind Unternehmen, die zwei der folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 20 Mio. EUR Bilanzsumme; mehr als 40 Mio. EUR Nettoumsatzerlöse; mehr als 250 Mitarbeiter. 5) Die EU-Tochtergesellschaft, die diesen konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht erstellt, muss eine der EU-Tochtergesellschaften sein, die in mindestens einem der vorangegangenen fünf Geschäftsjahre den grössten Umsatz in der EU erzielt hat, gegebenenfalls auf konsolidierter Basis. Ein solcher konsolidierter Nachhaltigkeitsbericht müsste alle EU-Tochtergesellschaften der Nicht-EU-Muttergesellschaft umfassen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen. 6) Nehmen wir zum Beispiel an, dass die EU-Tochtergesellschaft 1 im letzten Berichtszeitraum eine Bilanzsumme von 30 Millionen Euro und 400 Mitarbeiter hatte. Dieses EU-Tochterunternehmen wird ab dem 1. Januar 2025 in den Anwendungsbereich der CSRD fallen und muss einen Nachhaltigkeitsbericht für EU-Tochterunternehmen veröffentlichen. 7) Siehe Fn. 5. 8) Ob solche Unternehmen gross sind, wird anhand der gleichen Schwellenwerte für grosse EU-Unternehmen bestimmt, wobei das Kriterium des Nettoumsatzes für solche Unternehmen angepasst wurde