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Internationale Vermögensverwaltung: Schweiz bleibt Nummer eins, doch die internationale Konkurrenz rückt ihr bedrohlich nahe

Zürich/Genf

Im Markt für internationale Vermögensverwaltung verteidigt die Schweiz ihren Spitzenplatz. Laut einer neuen Studie von Deloitte zieht nach wie vor kein anderes Land mehr Geld von internationalen Privatkundinnen und -kunden an. Auch bei der Wettbewerbsfähigkeit ist die Schweiz weiterhin führend. Doch der Vorsprung zur Konkurrenz ist geschrumpft, und die Schweiz muss sich in verschiedenen Bereichen verbessern, wenn sie ihre Position langfristig halten will. Der Ruf der Schweiz als «sicherer Hafen», gestützt durch ein stabiles, zuverlässiges Wirtschafts- und Finanzsystem, hat durch den Zusammenbruch der zweitgrössten Schweizer Bank im März 2023 erheblich gelitten. Gleichzeitig verändert sich die internationale Regulierungs- und Steuerlandschaft, was teilweise zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führt.

Laut der fünften Ausgabe des Deloitte International Wealth Management Centre Ranking (IWMCR) (auf Englisch), einer Studie, die Vermögensverwaltungszentren weltweit in Bezug auf ihre Grösse und Wettbewerbsfähigkeit vergleicht, ist die Schweiz weiterhin führend, und zwar in beiden Kategorien. Mit ausländischen Vermögenswerten in Höhe von 2,2 Billionen US-Dollar bleibt die Schweiz das grösste Buchungszentrum. Der Vorsprung ist jedoch nur noch knapp: Mit lediglich 8 Milliarden US-Dollar Abstand folgt das Vereinigte Königreich auf Platz zwei. Auf Rang drei liegen die USA.

Die global verwalteten Vermögenswerte umfassten im Jahr 2023 10,1 Billionen US-Dollar – 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings ist das internationale Marktvolumen seit 2018 relativ stabil. Verändert hat sich hingegen die Verteilung: Während in der Schweiz vor vier Jahren noch knapp 24 Prozent dieser Vermögen verwaltet wurden, waren es 2023 rund 21 Prozent. Am meisten Marktanteile haben in dieser Zeit Panama und die Karibik verloren, am meisten dazugewonnen haben das Vereinigte Königreich und die USA. Beide verwalten nun ebenfalls jeweils rund 21 Prozent.

Schweiz am wettbewerbsfähigsten
 

Auch in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit belegt die Schweiz den Spitzenplatz. Singapur und die USA folgen auf dem zweiten und dritten Platz. Damit haben die Schweiz und Singapur ihre Spitzenpositionen im Ranking seit der letzten Studie von 2021 halten können. Die USA sind neu unter den Top drei und haben das Vereinigte Königreich überholt, das nun auf dem fünften Platz rangiert. Die Schweiz ist aufgrund ihrer Stärke in grundlegenden Bereichen wie Infrastruktur, Eigentumsrechte und Datenschutz wettbewerbsfähiger als ihre Konkurrenz. Allerdings drohen jüngste Entwicklungen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als führendes globales Vermögensveraltungszentrum zu schwächen: etwa die Folgen der Übernahme von Credit Suisse durch UBS sowie steuerliche und regulatorische Anpassungen.

«Das Geschäftsmodell der internationalen Vermögensverwaltung steht unter Druck. Wir sind jedoch der Meinung, dass die ausländischen Vermögenswerte ein wichtiger Motor für den Schweizer Finanzsektor bleiben werden, wenn sich die Schweiz stärker an einer internationalen Agenda für eine umsichtige Regulierung orientiert, um die Stabilität des Finanzsektors zu erhöhen, ohne das Wachstum zu behindern. Dies setzt voraus, dass die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde bei der Umsetzung dieser internationalen Vorschriften pragmatisch vorgeht, um eine Überlastung der Vermögensverwaltungsbranche zu vermeiden», sagt Jean-François Lagassé, Globaler Leiter Wealth Management und Leiter des Finanzdienstleistungssektors bei Deloitte Schweiz.

Folgen des CS-Zusammenbruchs spürbar
 

Vor allem für Kundinnen und Kunden aus Europa und dem Nahen Osten ist die Schweiz nach wie vor das führende und bevorzugte Vermögensverwaltungszentrum. Doch die Stabilität des Wirtschafts- und Bankenmarktes der Schweiz wurde durch den Zusammenbruch von Credit Suisse im Jahr 2023 erschüttert, als innerhalb weniger Tage riesige Summen an Kundengeldern abgezogen wurden. Seither haben sich die Vermögenszuflüsse aus diesen beiden Regionen nicht vollständig erholt. Hinzu kommt, dass wesentliche bisherige Alleinstellungsmerkmale der Schweiz – tiefe Steuerbelastung, politische und wirtschaftliche Stabilität, Rechtssicherheit und Neutralität – in den letzten Jahren an Bedeutung bzw. an Kraft verloren haben. Die Schweiz hat somit an Attraktivität für vermögende internationale Bankkundinnen und -kunden eingebüsst.

Dass beispielsweise die USA so stark aufholen konnten, liegt vor allem an der sehr guten Qualität ihrer Vermögensverwalter, ihrer führenden Position im Bereich künstliche Intelligenz und ihrem starken Kapitalmarkt. Auch die Nichteinhaltung gewisser internationaler Regulierungs- und Steuerabkommen verschafft den Vereinigten Staaten regulatorische und steuerliche Vorteile gegenüber anderen internationalen Vermögenszentren, die diese Abkommen einhalten. In Bezug auf Finanzstabilität schneiden die USA hingegen vergleichsweise schlecht ab, da mehrere kleinere Banken Insolvenz anmelden mussten und die Eigenkapitalanforderungen niedrig sind.

Lokale Vermögensverwaltung wird attraktiver
 

Während die globalen Finanzvermögen in den vergangenen zehn Jahren um 4,4 Prozent gewachsen sind, verliert die internationale Vermögensverwaltung an Bedeutung. Der Anteil dieser Vermögenswerte ist von 5,3 Prozent im Jahr 2013 auf heute 3,7 Prozent gesunken. Die globalen Vermögensverwalter werden sich in Zukunft strategisch noch stärker auf das lokale Geschäft ausrichten. Denn lokales Banking gewinnt gegenüber internationalem Banking an Bedeutung, da das entsprechende Angebot immer reifer und ausgefeilter wird und im Vergleich leichter zugänglich ist.

Der Bericht von Deloitte nennt klare Prioritäten, die gesetzt werden müssen, wenn die Schweiz nicht hinter die Konkurrenz zurückfallen will. «Die Schweiz muss sich darauf konzentrieren, ihre regulatorischen Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass die Finanzstabilität gewährleistet ist, aber auch Wachstum weiterhin möglich bleibt, um nach dem Ende von Credit Suisse das Vertrauen wiederherzustellen», sagt Jean-François Lagassé. «Schweizer Vermögensverwalter müssen in die digitale Transformation investieren und ihre operationelle Effizienz optimieren, um ihre führende Position auf dem Weltmarkt langfristig zu verteidigen», fügt er hinzu.

Die Zukunft der globalen Vermögensverwaltung wird geprägt sein von technologischen Fortschritten, regulatorischen Veränderungen, geopolitischen Risiken, wirtschaftlichen Verschiebungen und demografischen Entwicklungen. «Während Finanzplätze wie Grossbritannien langfristig mit Herausforderungen für ihre Wettbewerbsfähigkeit konfrontiert sein werden, dürften die USA, Hongkong und Singapur in der Lage sein, sich als potenzielle Marktführer zu etablieren», sagt Patrik Spiller, Leiter Wealth Management Industry Practice bei Deloitte Schweiz. Der Druck auf die Schweiz, dieser Konkurrenz standzuhalten, wird weiter steigen. «Um ihren Wettbewerbsvorteil zu erhalten, muss die Schweiz ihre internationalen Strategien anpassen und auf weitere regulatorische Verbesserungen, eine Verringerung des Verwaltungsaufwands und eine Beschleunigung des Innovationstempos hinarbeiten», so Patrik Spiller weiter.

Über das Deloitte Wealth Management Centre Ranking (auf Englisch)

Deloitte hat zum fünften Mal (2013, 2015, 2018, 2021 und 2024) die weltweit führenden Vermögensverwaltungszentren auf Grundlage von Wettbewerbsfähigkeit und Grösse (Volumen international verwalteter Vermögen) analysiert und eingestuft. Als internationale Vermögensverwaltungszentren werden Länder oder Jurisdiktionen definiert, die sich in grossem Umfang auf Privatkundinnen und -kunden aus der ganzen Welt spezialisiert haben und diese betreuen. Der Bericht basiert auf der Deloitte Private Banking Datenbank und einem Analysemodell, das auf Rohdaten und Finanzzahlen von Drittanbietern zurückgreift.

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