Die Schweiz kann stolz auf ihren robusten Versicherungssektor mit einer großen Anzahl erfolgreicher lokaler und globaler Versicherungsanbieter sein. Der inländische Markt für Personenversicherungen ist stabil, wobei die Versicherer ihr Netzwerk von Agenten und Maklern für den Vertrieb weitgehend nutzen. Es wurde nur in begrenztem Umfang in digitale Technologien investiert, und obwohl einige alternative Anbieter mit neuen Produktmerkmalen und Vertriebskanälen in den Markt eingetreten sind, haben sie sich noch nicht zu einer ernsthaften Bedrohung für die etablierten Marktteilnehmer entwickelt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass ein Wandel im Gange ist und dass es zu einer Disruption kommen wird, so wie es auch in anderen Branchen wie dem Bankwesen der Fall war.
Mit den jüngsten Fortschritten bei der Digitalisierung in der gesamten Wirtschaft entwickeln sich die Erwartungen der Kunden weiter. Die Coronavirus-Pandemie hat auch die Effizienz der Vertreternetzwerke der Versicherer in Frage gestellt, indem sie die persönliche Interaktion mit den Kunden eingeschränkt hat. Diese beiden Entwicklungen beschleunigen einen starken Wandel hin zur Digitalisierung, der auch dazu führen könnte, dass nicht-traditionelle Versicherer auf dem Schweizer Markt schneller Realität werden, als viele erwartet haben.
Um mehr darüber herauszufinden, wie sich Einstellungen und Verhalten ändern, hat Deloitte eine Umfrage unter Privatversicherungskunden in der Schweiz durchgeführt. Wir wollten besser verstehen, wie Kunden sich über Versicherungsprodukte informieren und ihre Kaufentscheidungen treffen. Ausserdem wollten wir herausfinden, wie zufrieden sie mit dem Versicherungsmarkt sind, wie er derzeit funktioniert, und ob sie für Veränderungen offen sind. Wenn sich die Bedürfnisse der Kunden ändern, müssen die Versicherungsunternehmen darauf reagieren, um relevant zu bleiben.
Die Ergebnisse der Umfrage wurden analysiert, und wir haben fünf Hauptauswirkungen für den Schweizer Versicherungsmarkt abgeleitet. Die Gesamtheit unserer Forschung einschliesslich der Ergebnisse finden Sie in unserem Forschungsbericht.
Versicherungsunternehmen und ihre Vertreter haben die Möglichkeit, die Qualität ihres Kundendienstes und die Erfahrungen derjenigen zu verbessern, die Informationen über Produkte und Dienstleistungen suchen, um eine Kaufentscheidung zu treffen.
Die Kunden wollen gut über Versicherungsprodukte informiert sein und sind im Allgemeinen nicht damit einverstanden, nur auf Vertrauen zu kaufen. Viele Kunden fühlen sich nicht ausreichend informiert oder haben kein Vertrauen in ihren aktuellen Versicherungsschutz - insbesondere bei komplexen Produkten. Unsere Untersuchungen zeigen, dass ein klarer Bedarf an besserer Beratung durch die Versicherungsanbieter besteht. Sie müssen die Lücke erkennen, die zwischen dem Wunsch der Kunden, etwas zu verstehen, und ihrem tatsächlichen Verständnis besteht. Sie müssen sowohl die Qualität und Eignung der Informationen als auch die Art und Weise, wie sie an die Kunden weitergegeben werden (z. B. durch direkte Beratung, veröffentlichte Wissensinhalte, Werbung usw.), überprüfen. Wenn Sie dies richtig machen und den Kunden ein gutes Verständnis vermitteln, ist dies ein wesentlicher Vorteil im Kaufprozess.
Versicherungen sind ein 'Erfahrungsgut'. Kunden können die Qualität eines Versicherungsprodukts nicht vor oder gar zum Zeitpunkt des Kaufs vollständig beurteilen. Der kritischste 'Moment der Wahrheit' ist nach dem Kauf, wenn sie einen Schaden geltend machen und feststellen, ob der Versicherungsschutz so gut ist, wie sie dachten, oder wie schnell und reibungslos ein Schaden reguliert werden kann. In diesem Sinne ist eine Versicherungspolice kein 'Produkt', sondern der Zugang zu einer Verpflichtung, eine zukünftige Dienstleistung zu erbringen. In der Praxis wird dieser Service nicht immer erbracht, und die Kunden haben selbst kaum persönliche Erfahrungen - sie müssen auf anderem Wege Vertrauen aufbauen. Folglich liegt es immer noch an den Anbietern und ihren Vertretern, ein überzeugendes Kundenerlebnis zu schaffen und durch Beratung und während des Kaufprozesses Vertrauen aufzubauen. Eine Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen, besteht darin, ein großartiges Beratungserlebnis zu bieten.
Alle Vertriebskanäle müssen bedient werden, insbesondere um jüngere Kunden anzusprechen.
Die meisten Kunden haben zwar immer noch hauptsächlich mit einem Vertreter oder Makler zu tun, aber immer mehr Kunden wenden sich auch anderen Kanälen zu. Für Versicherungsanbieter ist es wichtig zu verstehen, welche Kanäle von wichtigen Zielkundengruppen genutzt werden und welche Art von Informationen und Verkaufsservice sie benötigen. Um beispielsweise ältere Kunden zu unterstützen, muss der Schwerpunkt auf der Bereitstellung von "High-Touch"-Optionen und umfassenden Informationen über komplexe Versicherungsprodukte liegen, während es vielleicht sinnvoller ist, leicht zugängliche Informationen über einfache Versicherungen (hauptsächlich online) bereitzustellen, um jüngere Menschen mit weniger Interaktion mit einem Vertreter oder Makler zu erreichen.
Kunden unter 30 Jahren interagieren anders, aber nicht so sehr, wie man denken könnte: Die Befragten unter 30 Jahren nutzten eine Reihe verschiedener Kanäle, um sich zu informieren und Einkäufe zu tätigen. Es ist davon auszugehen, dass die Nutzung von Online- oder digitalen Kanälen weiter zunehmen wird - ein Trend, der auch in anderen Ländern zu beobachten ist (1). In Grossbritannien beispielsweise nutzen die Kunden in großem Umfang unabhängige Online-Plattformen, so genannte "Aggregatoren", die konsolidierte Informationen über eine Reihe von Versicherungsprodukten verschiedener Anbieter bereitstellen, damit der Einzelne eine fundierte Entscheidung treffen kann. In China, wo die Kunden eher bereit sind, ihre persönlichen Daten preiszugeben, setzen sich Apps mit einem personalisierten Push-Ansatz immer mehr durch. Die steigende Anzahl von Kanälen und Kundenkontaktpunkten erhöht jedoch unweigerlich die betriebliche Komplexität, so dass es für Versicherungsanbieter immer wichtiger wird, strategische Entscheidungen über ihre Investitionen in Prozesse, einschliesslich Customer Journeys, und Technologien zu treffen.
Agenten sind derzeit der dominierende Vertriebs- und Beratungskanal, aber die Ergebnisse zeigen, dass sie noch besser ausgestattet werden können, um effektiver auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen.
Agenten und Makler sind nach wie vor die wichtigsten Akteure im Verkaufs- und Beratungsprozess für neue Policen und Produkte: In den meisten Fällen erfolgt die Beziehung zwischen Versicherer und Kunde nach wie vor über einen Verkäufer und nicht direkt mit dem Anbieter selbst oder seiner Marke. Mehr Kunden interagieren derzeit mit Vertretern und in geringerem Masse mit Maklern als über irgendeinen anderen Kanal, da sie die angebotene Expertise schätzen. Nach der Preisgestaltung und den Produktmerkmalen stehen für die Kunden persönliche Beratung und Beziehungen im Vordergrund. Sie suchen nach vertrauenswürdigen Beratern und nicht nur nach einer Möglichkeit, Versicherungspolicen zu kaufen. Die Versicherungsanbieter sollten den Schwerpunkt ihrer Vermittler weiter ausbauen und ihnen Anreize bieten, neben dem Produktverkauf auch Risikoberatung und personalisierte Dienstleistungen anzubieten, insbesondere bei komplexen Produkten.
Die digitalen Kanäle sind noch nicht ausgereift genug, um einen alternativen Vertriebskanal zu bieten, aber sie können die Erfahrung des Vermittlers ergänzen: Der Verkaufsprozess für Versicherungen in der Schweiz wird nach wie vor durch den persönlichen Kontakt bestimmt. Vor allem wenn es um die aktive Ansprache geht - die nur einige Kunden immer begrüssen würden - zeigen unsere Untersuchungen, dass die Kunden eher bereit sind, Angebote anzunehmen, die von einem Vermittler unterbreitet werden, als von einer digitalen Anwendung. Wir stellen jedoch fest, dass sich jüngere Kunden wohler fühlen, wenn sie sich über Online-Kanäle mit Versicherungsfragen beschäftigen, als ältere Generationen. Die Versicherer müssen sich auf diesen Wandel vorbereiten. Erstens ist es wichtig, ihr Verständnis für digitale Berührungspunkte entlang der Customer Journey zu verbessern. Zweitens müssen die Anbieter eine Strategie entwickeln, die die Stärken ihrer Vertreter - Fachwissen und Vertrauensbildung - auf neue Weise und vor allem digital nutzt. Die Nutzung der Vorteile der digitalen Technologie sollte ein Teil davon sein.
Versicherungsanbieter sollten damit beginnen, die grundlegenden digitalen Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen, und zunächst einfache digitale Dienstleistungen anbieten, bevor sie fortgeschrittenere digitale Funktionen anbieten.
Kunden wollen zuerst Einfachheit und Bequemlichkeit, bevor sie fortschrittliche digitale Möglichkeiten nutzen: Kunden von Versicherungsprodukten bevorzugen weltweit einfache digitale Lösungen vor anspruchsvolleren digitalen Möglichkeiten(1). Tatsächlich nennt die überwältigende Mehrheit der Schweizer Kunden einen "leicht verständlichen Versicherungsvertrag" als oberste Priorität beim digitalen Abschluss einer Versicherung. In Zukunft wird sich die Erwartung an digitale Dienstleistungen wahrscheinlich über die Produktrecherche hinaus auf den Abschluss, die Erneuerung und die Änderung bestehender Verträge online ausweiten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die einfache Übertragung bestehender Offline-Verfahren in eine Online-Reise zum Erfolg führt, da dies in der digitalen Welt oft zu einem übermässig komplexen Prozess führt. Dies und die begrenzte Anzahl von Versicherern, die einen vollständig digitalen Vertrieb anbieten, könnte ein Grund dafür sein, dass relativ wenige Kunden online einkaufen. Unsere Daten belegen dies: Während nur 40 % der Kunden bei der Informationsbeschaffung ein persönliches Gespräch suchen, wenden sich über 60 % an einen Vertreter oder Makler, um eine Versicherung abzuschliessen.
Machen Sie Einfachheit zu einem geschäftlichen Gebot, denn in der heutigen digitalisierten Welt ist ein einfaches und benutzerfreundliches digitales Erlebnis ein wichtiger Hygienefaktor: Kunden reagieren negativ, wenn sie nicht den Service erhalten, den sie erwarten. Sie vergleichen nicht konkurrierende Produkte, sondern vielmehr die Qualität ihrer Erfahrungen mit Dienstleistern - und der Versicherungsanbieter mit dem "am wenigsten Aufwand" gewinnt. Das digitale Erlebnis sollte darauf abzielen, dass sich der Abschluss oder die Erneuerung von Versicherungspolicen reibungslos und problemlos gestaltet. Wenn es um Versicherungen geht, ist das beste Erlebnis oft dasjenige, das für den Kunden am intuitivsten ist. Idealerweise sollten Kunden das Gefühl haben, dass sie zu den für sie besten Entscheidungen geführt werden, ohne dass sie selbst viel Aufwand betreiben müssen. Doch obwohl es möglich sein sollte, einfache Versicherungsprodukte problemlos online zu kaufen, ist dies noch nicht überall der Fall. Oft sind die Informationen zu den Produkten noch zu komplex und die Risikobewertungen zu langwierig, selbst bei einfachen Policen, was die Wirksamkeit der digitalen Verkaufshilfen einschränkt.
Die Offenheit der Versicherungsanbieter gegenüber neuen Ansätzen ist insgesamt bescheiden, aber in den neuen Kundensegmenten ist sie grössere. Die Versicherungsanbieter müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie sich in Zukunft erfolgreich positionieren können.
Wie wird also der Versicherungsanbieter der Zukunft aussehen? Versicherungskunden wünschen sich nach wie vor viele grundlegende Dinge, wie z.B. den menschlichen Kontakt durch erfahrene Vertreter und Makler beim Abschluss einer Versicherung und die Bequemlichkeit und Einfachheit der Dienstleistungen beim Online-Abschluss. Über alle Altersgruppen hinweg prognostizieren wir jedoch eine allmähliche Verschiebung der Nachfrage hin zu einer individuelleren und aktiveren Risikoberatung und einem aktiveren Verkauf, der auch alternative Kanäle anstelle des Einsatzes von Vermittlern umfassen könnte. Die jüngeren Schweizer Kunden wollen keine Veränderungen, sind aber am offensten dafür und werden in Zukunft die treibende Kraft des Wandels sein.
Unsere Untersuchungen zeigen eine grössere Offenheit - vor allem bei den jüngeren Generationen - für neue Versicherungsansätze, z. B. verhaltensabhängige Prämien oder produktgebundene Angebote. Auch die Akzeptanz von alternativen Anbietern ist bei jüngeren Kunden grössere. Dies könnte wichtig sein, da Tech-Giganten in der Vergangenheit neue Märkte mit einem deutlichen Vorteil in Bezug auf digitale Fähigkeiten und Datenerfassung betreten haben. Dies kann ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da sie ihre Größe nutzen können, um die Konkurrenz zu unterbieten und die Kundenbedürfnisse mit überzeugenden und stark personalisierten Erlebnissen zu erfüllen. Was sich in anderen Branchen wie dem Bankwesen bereits abzeichnet, könnte auch im Versicherungswesen eher früher als später Realität werden.
Die Versicherungsanbieter müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie auf diese Anzeichen des Wandels reagieren und wie sie sich erfolgreich für die Zukunft positionieren können: