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Interview-Serie zur nachhaltigen Produktion

Wo befinden sich die Schweizer Produktionsunternehmen auf dem Weg zu Netto-Null?

Deloitte Schweiz hat sich an einige der wichtigsten Akteure und Vorreiter der Schweizer Fertigungsindustrie gewandt, um zu erfahren, welche Nachhaltigkeitsstrategie sie definiert haben und wie sie diese umsetzen.

Experteninterviews mit Schweizer Produktionsunternehmen

 

Unbeeindruckt von der Pandemie hat sich das Thema Nachhaltigkeit in den letzten 6-12 Monaten stark entwickelt. Immer mehr Fertigungsunternehmen spüren den Druck ihrer Kunden, nachhaltige Produkte zu liefern. Parallel dazu haben viele Fertigungsunternehmen erkannt, dass die Konzentration auf Nachhaltigkeit eine Chance ist, die Rentabilität durch Effizienzsteigerungen und die Entwicklung innovativer Produkte zu erhöhen. Wir haben führende Schweizer Unternehmen zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie befragt, wie sie diese umsetzen und was sie ihren Stakeholdern berichten und mitteilen.

Deloitte: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und inwieweit ist sie in Ihre allgemeine Geschäftsstrategie eingebettet?

Peter Rupp: Das Leitbild von Hilti ("We passionately create enthusiastic customers and build a better future") zeigt, dass Nachhaltigkeit schon immer Teil unseres Selbstverständnisses war. Dies war auch der Auslöser für die klare Definition unserer globalen Nachhaltigkeitsstrategie, die sehr zweckorientiert ist und sich auf zwei Hauptbereiche konzentriert:

  1. Wie können wir als Unternehmen nachhaltiger werden?
  2. Wie helfen wir unseren Kunden in der Bauindustrie, nachhaltiger zu werden?

Wir haben in den letzten Jahren ein starkes Corporate Sustainability Team aufgebaut, das direkt an den CEO berichtet, und 2021 haben wir unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Wir verfolgen einen faktenbasierten und offenen Kommunikationsansatz, wenn es um Nachhaltigkeit geht, und beziehen viele externe Stakeholder wie Kunden sowie aktuelle und zukünftige Mitarbeiter mit ein.

Während wir in der Vergangenheit viele nachhaltige Aktivitäten unbewusst unternommen haben, tun wir dies jetzt viel bewusster. Wir planen außerdem, unsere Nachhaltigkeitsstrategie vollständig in unsere Unternehmensstrategie zu integrieren, da wir wissen, dass sie das Potenzial hat, die finanzielle Leistung zu steigern. Hilti ist auch sehr stark auf die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ausgerichtet.

Deloitte: Welche Nachhaltigkeitskennzahlen soll Ihr Unternehmen erreichen und sind diese mit realistischen Geschäftsmöglichkeiten verbunden?

Peter Rupp: Die Nachhaltigkeitsstrategie basiert auf den drei Säulen: Umwelt, Menschen und Gesellschaft. Alle Nachhaltigkeitsziele werden durch messbare KPIs unterstützt. Im Interesse der Transparenz werden sowohl intern als auch extern dieselben KPI-Zahlen für die Nachhaltigkeitsziele kommuniziert.
In der Säule Umwelt konzentrieren wir uns auf CO2-Neutralität und Kreislaufwirtschaft. Wir haben eine Methodik entwickelt, wie letztere gemessen werden kann. Gegenwärtig liegt der Anteil an recyceltem Material nicht nur bei 23 %, sondern über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg.

In der Säule "Menschen" verfolgen wir einen umfassenden Ansatz, der die Gesundheit der Menschen, die unsere Werkzeuge benutzen, sowie die Sicherheit von Gebäuden im Allgemeinen berücksichtigt. Darüber hinaus konzentriert sich diese Säule auf die körperliche und geistige Gesundheit unserer Mitarbeiter.

Im Bereich Gesellschaft möchte Hilti mit der Hilti Foundation in Zukunft einen noch grösserenBeitrag für die Gesellschaft leisten. Darüber hinaus haben wir ein Corporate Volunteering-Programm mit dem Namen "Engaged beyond business" ins Leben gerufen, bei dem jeder Mitarbeiter durchschnittlich einen Arbeitstag pro Jahr für ein soziales oder ökologisches Projekt einsetzt, ohne direkten Bezug zum Unternehmen.)

Deloitte: Beinhaltet der Lern- und Entwicklungsplan in Ihrem Unternehmen einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - um das Bewusstsein der Mitarbeiter für dieses Thema zu schärfen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern?

Peter Rupp: Wenn wir das Thema Nachhaltigkeit mit einem "Marathon" oder einer Reise vergleichen, haben wir wahrscheinlich erst ein Viertel der gesamten Strecke zurückgelegt, wenn man bedenkt, dass wir unsere Branche in Sachen Nachhaltigkeit anführen wollen.

Von Anfang an haben wir uns stark auf die interne Kommunikation konzentriert, um das Engagement zu erhöhen. Das Engagement der Mitarbeiter ist unser stärkstes Instrument, denn die Umsetzung von Nachhaltigkeit muss von jedem Mitarbeiter getragen werden. Es gibt zwar ein zentrales Nachhaltigkeitsteam, aber jeder kann durch kleine Aktionen dazu beitragen - zum Beispiel, indem er sich fragt: Wie komme ich ins Büro? mache ich das Licht aus? usw. Das Thema Nachhaltigkeit ist auch in unser Hilti Onboarding-Programm integriert.

Wir sehen die Notwendigkeit, mehr strukturierte Trainings/Learnings zum Thema Nachhaltigkeit anzubieten. Dies ist besonders wichtig für Vertriebsteams, die sich aktiv Gedanken darüber machen, wie sie das Geschäft ihrer Kunden nachhaltiger gestalten können.

Deloitte: In welchen Teilen der Wertschöpfungskette sehen Sie das grösste Potenzial für Nachhaltigkeitsgewinne?

Peter Rupp: Das Produktdesign birgt das grösstePotenzial für Veränderungen und Nachhaltigkeitsgewinne. Im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft müssen Produktentwicklungsteams "mehr zirkulär denken". Je später Sie die Nachhaltigkeit integrieren, desto höher sind die Kosten und desto geringer die Auswirkungen.

Hilti hat 10 Technologien definiert und die Nachhaltigkeit in diese Technologien integriert (z.B. alternative Materialien zu Beton, wie Holz). Die Wahl der Materialien ist in letzter Zeit viel stärker in den Mittelpunkt gerückt als in der Vergangenheit. Massnahmen wie REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) zielen darauf ab, die Verwendung gefährlicher Substanzen oder kritischer Rohstoffe zu reduzieren und chemische Produkte durch organische zu ersetzen.

Auch in der Lieferkette, insbesondere im Transportwesen, gibt es ein großes Potenzial. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass ein dezentraler Lieferfussabdruck (näher am Kunden) verschiedene Vorteile hat, auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit.

Derzeit wird noch viel auf der Strasse und in der Luft transportiert (Luft = 1% des Volumens, aber 25% Beitrag zu den gesamten CO2-Emissionen). Wenn möglich, streben wir eine stärkere Umstellung auf den See- und Schienentransport an (z.B. wird Russland jetzt direkt per Bahn aus China beliefert).

Deloitte: Haben Sie externe Berater/Experten zur Unterstützung Ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen engagiert oder bauen Sie intern Kapazitäten auf?

Peter Rupp: Hilti arbeitet mit einer breiten Auswahl externer Stakeholder zu vielen Nachhaltigkeitsthemen zusammen. Diese Zusammenarbeit ist jedoch nicht nur auf Nachhaltigkeit beschränkt.

Staubmanagement, Gesundheit, grüne Gebäude usw. sind Themen, mit denen wir uns in Branchenverbänden wie der European Power Tools Association (EPTA) beschäftigen. Ausserdem arbeiten wir intensiv mit unseren Kunden zusammen und kooperieren mit Universitäten in der Schweiz, Deutschland, Italien, den USA, China und Singapur und anderen Ländern auf der ganzen Welt.

Wir arbeiten auch mit verschiedenen Experten zusammen, mit denen wir derzeit gemeinsam den "Wert für die Gesellschaft" unserer Geschäftsaktivitäten und Nachhaltigkeitsbemühungen definieren.

Es gibt vier Ebenen, um Nachhaltigkeit wirklich in unsere Geschäftsentscheidungen zu integrieren:

  1.  Echte Transparenz: zum Beispiel - CO2-Fussabdruck einschliesslich Scope 3 verifiziert und validiert bis Ende des Jahres
  2. Leitlinien/Richtlinien: Wie soll Nachhaltigkeit in Geschäftsprozessen berücksichtigt werden, zum Beispiel - wie wird ein Circularity Score berechnet?
  3. Integration von Nachhaltigkeit in Leistungsmanagement und Anreizsysteme
  4. Berechnen Sie den Wert für die Gesellschaft: Triple-Bottom-Line (Gewinn, Menschen und der Planet) durch Monetarisierung von Nachhaltigkeitsaspekten

Deloitte: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und inwieweit ist sie in Ihre allgemeine Geschäftsstrategie eingebettet?

Rolf Wagenbach: Nachhaltigkeit ist einer der fünf Unternehmenswerte von Implenia und damit fest in unserer Strategie verankert. Das Thema ist für uns in den letzten Jahren viel weiter gefasst worden, als dass wir uns auf Umweltschutz, nachhaltiges Bauen oder Bauen auf Kundenwunsch konzentrieren.

Unsere 5 Prioritäten für Nachhaltigkeit erstrecken sich auf die drei Hauptdimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Wir haben sie bereits 2010 festgelegt, was ihre anhaltende Relevanz und unser langfristiges Engagement zeigt:

  • Umwelt
    1. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen - z.B. Nachhaltige Entwicklung und Bauwesen, Liefermanagement
    2. Respekt für die Umwelt - z.B. beim Bau, Einsatz von Maschinen, CO2-Emissionen
  • Gesellschaft
    3. Attraktives Arbeitsumfeld - z.B. Arbeitsunfälle reduzieren, Vielfalt und Integration erhöhen
    4. Soziales Engagement und Compliance - z.B. Unterstützung von Projekten zur Entwicklung und sozialen Verantwortung
  • Wirtschaft
    5. Finanzielle und operative Exzellenz - z.B. Ratings, schlankes Bauen, BIM (Building Information Modeling), Digitalisierung

Implenia veröffentlichte ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht 2012 und berichtete bisher in einem Zweijahreszyklus, den wir erst kürzlich auf einen Jahresbericht mit viel detaillierteren Analysen umgestellt haben. Bei unseren jährlichen Zielen verfolgen wir einen Bausteinansatz, bei dem unsere kurzfristigen Ziele Teilmengen unserer langfristigen Ziele sind, von denen einige bis 2050 reichen. Wir tun dies, um bei der Umsetzung unserer Ziele so präzise und detailliert wie möglich zu sein. Nachhaltigkeitsziele sind oft tief in unser operatives Geschäft integriert und werden nicht als separates komplexes Thema wahrgenommen.

Deloitte: Können Sie etwas zur Governance im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsinitiativen Ihres Unternehmens sagen? Und ist die Vergütung der Führungskräfte an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt?

Rolf Wagenbach: Wir haben drei Ebenen der Governance rund um die Nachhaltigkeit:
Erstens wurde 2012 ein Nachhaltigkeitsausschuss eingerichtet, der sich aus dem CEO, dem Vorstand und der für Nachhaltigkeit zuständigen Person zusammensetzt. Im Jahr 2018 wurde dieser Ausschuss neu überdacht und sein Aufgabenbereich wurde erweitert, um einen Vertreter aus jedem der vier Geschäftsbereiche sowie aus unterstützenden Funktionen wie HR, Beschaffung, Finanzen, Marketing/Kommunikation, Compliance und Project Excellence & Services aufzunehmen. Der Nachhaltigkeitsausschuss trifft sich vierteljährlich.
Zweitens hat ein globales Nachhaltigkeitsteam, bestehend aus 5 Nachhaltigkeitsexperten, die Aufgabe, Nachhaltigkeit im Unternehmen zu verankern und Bauleiter und Projektmanager bei grossen Projekten zu unterstützen. Zwar ist jede Person im Team für mehrere Nachhaltigkeitsthemen zuständig, doch die Nachhaltigkeitsagenda muss von den Abteilungen und Funktionen vorangetrieben werden und kann nicht allein an das zentrale Team delegiert werden. Drittens gibt es lokale Nachhaltigkeitsbeauftragte (oft Umweltschutzbeauftragte) auf der Ebene der Abteilungen und des Landes.

Dieses Dreiergespann aus Ausschuss, globalen Experten und Delegierten hat sich als ein sehr erfolgreiches operatives Modell erwiesen. Was die Unternehmensführung betrifft, so gibt es sowohl eine Aufsicht durch den Vorstand als auch eine starke Beteiligung des Exekutivausschusses. Anita Eckardt, Mitglied des Exekutivausschusses, ist Vorsitzende des Nachhaltigkeitsausschusses. Der Verwaltungsrat ist für die Genehmigung der Nachhaltigkeitsstrategie verantwortlich.

Nachhaltigkeitsziele sind als Teil der kurzfristigen Anreize an die Vergütung gekoppelt. Indikatoren wie "Sicherheit" (Arbeitsunfallzahlen) sind ebenfalls eine Dimension dieser Ziele.

Deloitte: Beinhaltet der Lern- und Entwicklungsplan in Ihrem Unternehmen einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - um das Bewusstsein zu schärfen und die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter zu diesem Thema aufzubauen?

Rolf Wagenbach: Während es früher ausreichte, das Bewusstsein zu schärfen, braucht man heute echte Experten, um Wissen aufzubauen und Massnahmen zu Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen umzusetzen. Mehr über Nachhaltigkeit zu lernen, ist im gesamten Unternehmen wichtig - nicht nur für Produkte und Materialien, sondern auch für den Einkauf und die Finanzierung usw. Know-how entwickelt sich schnell und kann auch verloren gehen, wenn der Fokus nicht auf Bildung, Training und Lernen am Arbeitsplatz liegt.
Schulungen sind auch deshalb wichtig, weil die Nachhaltigkeitsanforderungen oder Nachhaltigkeitslabels bei Bauprojekten in den letzten Jahren sowohl an Umfang als auch an Komplexität erheblich zugenommen haben. Manchmal sind mehrere Kennzeichnungen für ein Gebäude relevant, wobei diese Anforderungen und Kennzeichnungen miteinander in Konflikt geraten können, so dass auch eine stärkere Standardisierung zur Verringerung der Komplexität erforderlich ist.

Deloitte: Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit Ihre Interaktion mit wichtigen Stakeholdern wie Aktionären, Kunden, Lieferanten und den Gemeinden, in denen Sie tätig sind?

Rolf Wagenbach: Nachhaltigkeitsnachweise werden zwar häufig von Kunden gefordert (immer noch mehr von privaten Unternehmen als von öffentlichen Unternehmen), haben aber bei Ausschreibungen/Bewertungen oft kein grosses Gewicht. In den überarbeiteten Richtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe wird Nachhaltigkeit nun neben Innovation und Qualität berücksichtigt, und diese drei Themen sollten zuerst bewertet werden. Allerdings ist die Bewertung der Nachhaltigkeit oft noch nicht sehr greifbar - und Projekte werden in der Regel aus finanziellen Gründen abgelehnt und nicht allein aus Gründen des Umweltschutzes. Bis zu einem echten Wandel ist es noch ein weiter Weg.
Implenia ist Gründungsmitglied des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS), das den neuen Standard "SNBS" unterstützt. Was die Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft betrifft, so unterstützt Implenia einen Lehrstuhl an der ETH Zürich und unterhält eine Partnerschaft mit der EPFL, die sich auf Nachhaltigkeitsthemen in der Westschweiz konzentriert.

Deloitte: In welchen Teilen der Wertschöpfungskette sehen Sie das grösste Potenzial für Nachhaltigkeitsgewinne?

Rolf Wagenbach: Implenia hat dort den grössten Hebel für Nachhaltigkeit, wo das Unternehmen bereits in der Planungsphase eines Projekts stark involviert ist. Zum Beispiel bei unseren Immobilienprojekten, bei denen wir von Anfang an involviert sind (einschliesslich des Kaufs von Grundstücken). Mit diesem Grad der Einbindung kann man die Entscheidungsfindung in den Bereichen Einkauf, Planung und Bau beeinflussen. Dieser Einfluss leistet einen wichtigen Beitrag zu dem ehrgeizigen Ziel, eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Die Lieferkette ist ebenfalls ein großer Hebel, aber ein schwieriger, wenn es darum geht, die eigenen Lieferanten zu bewerten.

Der CO2-Fussabdruck eines Bauunternehmens ist besonders relevant. Hier konzentrieren wir uns auf die Reduzierung der Emissionen, sei es beim Einsatz unserer Maschinen und Geräte oder bei der Auswahl und Herkunft der verwendeten Produkte und Materialien. Darüber hinaus professionalisieren wir auch kontinuierlich die Bewertung unserer direkten CO2-Emissionen, wobei immer mehr unserer Stakeholder auch die indirekten Emissionen unserer Zulieferer sehen wollen.

Deloitte: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und inwieweit ist sie in Ihre allgemeine Geschäftsstrategie eingebettet?

Suat Demokan: Nachhaltigkeit ist Teil unserer allgemeinen Unternehmensmission bei Bühler und wir beschäftigen uns nun schon seit fast 10 Jahren mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wir machen gute Fortschritte. Während unsere Nachhaltigkeitsstrategie früher eine 30-30-Strategie war, die sich darauf konzentrierte, den Abfall um 30 % und den Energieverbrauch um 30 % zu reduzieren, lautet unser neues Ziel 50-50-50 - mit Fokus auf Abfall, Energie und Wasser. Ziel ist es, Abfall, Energie- und Wasserverbrauch in den Wertschöpfungsketten unserer Kunden um 50% zu reduzieren. Als Teil der globalen Lebensmittelverarbeitungs- und Transportindustrie sind wir der Meinung, dass wir uns ehrgeizige Ziele setzen müssen, um die nachhaltige Ernährung und den Mobilitätsbedarf der wachsenden Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten zu decken.

Zusätzlich zu unseren externen Zielen haben wir auch interne Nachhaltigkeitsziele, die die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter, die Reduzierung des CO2-Fussabdrucks an den globalen Standorten und die Einhaltung der Vorschriften durch unsere Lieferanten umfassen. Trotz unserer guten Fortschritte gibt es immer Raum für Verbesserungen. Es wird in einigen Bereichen leichter sein, bis 2030 eine Netto-Nullbilanz zu erreichen als in anderen - zum Beispiel bei der Reduzierung von Geschäftsreisen. Nichtsdestotrotz sind wir bestrebt, echte innovative Lösungen für die zukünftige Nachhaltigkeit zu finden und nicht nur mit CO2-Zertifikaten zu kompensieren.

Deloitte: Können Sie etwas zur Governance im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsinitiativen Ihres Unternehmens sagen?

Suat Demokan: Da Nachhaltigkeit für uns ein klarer Business Case ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikominderung, werden alle unsere Nachhaltigkeitsinitiativen von der Unternehmensspitze geleitet. Auf strategischer Ebene gibt es bei Bühler einen Nachhaltigkeitsbeirat, der sich aus Führungskräften wie dem CEO, COO, CFO und CTO sowie zwei externen Experten zusammensetzt. Dieses Gremium entwickelt die Nachhaltigkeitsstrategie mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Natur und Mensch und legt die zu erreichenden Ziele fest. Der CTO leitet die externen Nachhaltigkeitsbemühungen, während der COO für die internen Initiativen verantwortlich ist.

Deloitte: Arbeiten Sie mit externen Stakeholdern wie Universitäten, Regierungen und Industrieverbänden zusammen, um Ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit zu unterstützen?
Suat Demokan: Die internationale Kooperation und Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen und Experten hat für uns Priorität. Bühler ist vor kurzem dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) beigetreten, einem globalen Netzwerk von über 200 zukunftsorientierten Unternehmen, die gemeinsam daran arbeiten, den Übergang zu einer nachhaltigen Welt zu beschleunigen. Darüber hinaus organisieren wir alle 3 Jahre die Bühler Networking Days, bei denen wir Experten aus verschiedenen Branchen und Wissenschaften zusammenbringen, um die globalen Nachhaltigkeitsherausforderungen in der Futtermittel-, Lebensmittel- und Mobilitätsindustrie zu diskutieren und potenzielle Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren.
Unser CTO spielt eine aktive und lautstarke Rolle in unserer Branche, insbesondere im Bereich der Innovation und der nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Wir wollen etwas bewirken und bei den Bemühungen um Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle spielen. Es ist daher wichtig, dass wir uns sowohl auf potenzielle Nachhaltigkeitslösungen als auch auf deren Umsetzung und die Messung ihrer tatsächlichen Auswirkungen konzentrieren.

Deloitte: Beinhaltet der Lern- und Entwicklungsplan in Ihrem Unternehmen einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - um das Bewusstsein zu schärfen und die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter zu diesem Thema aufzubauen?

Suat Demokan: Nachhaltigkeit ist ein immer wichtigeres Thema in unserem E-Learning-Lehrplan und bei der Einarbeitung unserer Mitarbeiter geworden. Es gibt viele Schulungsinitiativen und Tools, die jetzt obligatorisch und unternehmensweit verfügbar sind. Wir entwickeln laufend relevante Schulungsmaterialien zum Thema Nachhaltigkeit, da je nach Aufgabe/Rolle nicht alle Themen für jeden gleichermassen relevant sind - zum Beispiel Umweltrecht vs. Lebensmittelsicherheit. In den letzten Jahren wurde bei Bühler auch ein umfassender Fokus auf Programme zur Förderung von Vielfalt und Integration gelegt.

Deloitte: Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit Ihre Interaktion mit wichtigen Stakeholdern wie Aktionären, Kunden, Lieferanten und den Gemeinden, in denen Sie tätig sind?

Suat Demokan: Nachhaltigkeit ist der Schlüssel für unsere Beziehungen zu Lieferanten und Logistikanbietern. Wir haben einen Verhaltenskodex für Lieferanten und sprechen mit unseren Lieferanten aktiv über das Thema Nachhaltigkeit. Wir sprechen auch mit allen Partnern in der Lieferkette, um gemeinsam Lösungen zu finden, die die Lieferketten nachhaltiger machen. Auch unsere Kunden in der lebensmittelverarbeitenden Industrie erwarten von uns zunehmend die Einhaltung der Nachhaltigkeitsbestimmungen durch unsere Lieferanten - es gibt zwar noch keine festen Ziele, aber es gibt klare Standards und Zertifikate, deren Einhaltung von uns erwartet wird.

Wir unterziehen uns regelmässig der Bewertung der sozialen Verantwortung von Unternehmen und der nachhaltigen Beschaffung und berichten an EcoVadis und CDP. Während die freiwillige Teilnahme an den Bemühungen der Industrie definitiv einen Wandel zum Besseren einläutet, werden mehr staatliche Regulierungen erforderlich sein, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Viele Unternehmen, die die Vorteile der Nachhaltigkeit bereits erkannt haben, richten sie auf ihre Ziele aus - andere müssen noch überzeugt werden, möglicherweise mit Strafen. Bei Bühler begrüssen wir sowohl die Entwicklung globaler Nachhaltigkeitsstandards als auch die Harmonisierung und Einbeziehung dieser Standards in die IFRS-Standards.

Deloitte: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und inwieweit ist sie in Ihre allgemeine Geschäftsstrategie eingebettet?

Jenny Bofinger-Schuster: Nachhaltigkeit stand schon immer im Mittelpunkt der Innovationen und Produkte von Siemens für seine Kunden und ist Teil der Geschichte und DNA des Unternehmens. Seit der Gründung im Jahr 1847 sind wir in Bereichen tätig, die einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Im Juni 2021 wurde unser neuer Nachhaltigkeitsrahmen als lebendiger Rahmen mit einer Mischung aus kurz- und langfristigen Zielen vollständig in unsere Unternehmensstrategie integriert. Ein Beispiel für diese Integration in die Unternehmensstrategie ist die Art und Weise, wie wir M&A's durchführen - in der Vergangenheit haben wir immer 5 Imperative befolgt, jetzt haben wir einen 6. d.h. Nachhaltigkeit.

Unser Nachhaltigkeitsrahmen heisst "DEGREE" und ist eine Anspielung auf das 1,5-Grad-Ziel der SBTi (Science Based Target Initiative) zur Bewältigung des Klimaproblems. Und es beschreibt unseren 360-Grad-Ansatz in Sachen Nachhaltigkeit für alle Stakeholder - unsere Kunden, unsere Lieferanten, unsere Investoren, unsere Mitarbeiter, die Gesellschaften, denen wir dienen, und unseren Planeten.

Die sechs Buchstaben von "DEGREE" stehen für Dekarbonisierung, Ethik, Governance, Ressourceneffizienz, Gerechtigkeit und Beschäftigungsfähigkeit.

Für die Dekarbonisierung streben wir einen Netto-Null-Betrieb bis 2030 an, ein Ziel, zu dem wir uns bereits vor dem Pariser Abkommen verpflichtet hatten, und mit der Unterzeichnung der SBTi haben wir unsere Verpflichtung auf die gesamte Wertschöpfungskette ausgedehnt. Ethik konzentriert sich auf organisatorische Werte und eine Kultur des Vertrauens, während sich Governance auf die Systeme und Prozesse konzentriert, die wir implementieren und aufrechterhalten müssen. Ressourceneffizienz befasst sich mit Bereichen wie Kreislaufwirtschaft/Geschäftsmodelle, Ökodesign und Dematerialisierung mit Hilfe der Digitalisierung. Der Bereich Gleichberechtigung befasst sich mit der Vielfalt und Integration unserer Mitarbeiter. Der Bereich Beschäftigungsfähigkeit schliesslich zielt darauf ab, Siemens und seine Mitarbeiter durch gezielte Schulungen und digitales Lernen relevant und widerstandsfähig zu halten.

Deloitte: Können Sie etwas zur Governance im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsinitiativen Ihres Unternehmens sagen? Und ist die Vergütung der Führungskräfte an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt?

Jenny Bofinger-Schuster: Wir verfügen über ein klares ESG-Governance-Rahmenwerk, das von unserem Chief Sustainability Officer (CSO) bei Siemens beaufsichtigt wird. Dieser sitzt im Vorstand und leitet das Sustainability Board, dem Vertreter des Vorstands, der regionalen Einheiten, der operativen Gesellschaften und der Zentralfunktionen angehören. Vor zwei Jahren haben wir damit begonnen, die Vergütung an Nachhaltigkeitsziele zu koppeln. ESG-Ziele werden nun mit 20% im LTI-Programm (Long Term Incentive) gewichtet.

Der Corporate Sustainability Officer, der meine Rolle wäre, berichtet an den CSO und leitet die Nachhaltigkeitsabteilung, die das Nachhaltigkeitsprogramm bei Siemens vorantreibt.

Ausserdem verfügen wir über ein globales Netzwerk von Nachhaltigkeitsmanagern, die dabei helfen, Initiativen, Programme und Massnahmen in allen Geschäftseinheiten und Ländern zu koordinieren und umzusetzen. Letztlich sollte die Verantwortung für Nachhaltigkeit bei den CEOs der Geschäftseinheiten liegen und in die gesamte Organisation integriert werden. Eine vollständig erfolgreiche Transformation würde hier bedeuten, dass die Rolle des Chief Sustainability Officer (CSO) nicht mehr benötigt wird.

Deloitte: Beinhaltet der Lern- und Entwicklungsplan in Ihrem Unternehmen einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - um das Bewusstsein zu schärfen und die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter zu diesem Thema aufzubauen?

Jenny Bofinger-Schuster: Wir investieren erheblich in die Aus- und Weiterbildung und bieten ein breites Spektrum an digitalen Lernangeboten zum Thema Nachhaltigkeit für alle unsere Mitarbeiter - von der Forschung und Entwicklung bis hin zu Produktion und Vertrieb. Auch der Vorstand und die Geschäftsleitung kommunizieren regelmässig über Nachhaltigkeit und sorgen dafür, dass das Thema im Unternehmen einen hohen Stellenwert hat.
Die Komponente Beschäftigungsfähigkeit in unserem Nachhaltigkeitsrahmen zielt darauf ab, unsere Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, in einem sich schnell verändernden Umfeld widerstandsfähig und relevant zu bleiben. Wir haben unsere Ambitionen in Zielen verankert, an denen wir uns messen lassen wollen: digitale Lernstunden für unsere Mitarbeiter, Zugang zu psychischen Gesundheits- und Hilfsprogrammen für unsere Mitarbeiter und ihre Sicherheit, die für uns von enormer Bedeutung ist.

Deloitte: Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit Ihre Interaktion mit wichtigen Stakeholdern wie Aktionären, Kunden, Lieferanten und den Gemeinden, in denen Sie tätig sind?

Jenny Bofinger-Schuster: Die grösste Wirkung erzielen wir durch die Lösungen und Innovationen, die wir unseren Kunden anbieten, um sie bei der Bewältigung ihrer Nachhaltigkeitsherausforderungen zu unterstützen. Die enge Interaktion und die frühzeitige Erkennung dieser Herausforderungen sind der Schlüssel. Was die Lieferanten betrifft, so streben wir eine ESG-gesicherte Lieferkette an, die auf den Verpflichtungen der Lieferanten beruht. In diesem Sinne stellt unser Verhaltenskodex sicher, dass die Arbeit unserer 65.000 Lieferanten nachhaltig ist. Unser Ziel innerhalb unseres Nachhaltigkeitsrahmens "DEGREE" ist es, die Emissionen in der Lieferkette bis 2030 um 20% zu reduzieren und bis 2050 eine Netto-Null-Lieferkette zu erreichen. Ein ständiger Dialog mit unseren Lieferanten ist daher wichtig. Wir unterstützen sie in ihren Bemühungen, nachhaltiger zu werden, und helfen ihnen bei der Bewertung.

Deloitte: In welchen Teilen der Wertschöpfungskette sehen Sie das grösste Potenzial für Nachhaltigkeitsgewinne?

Jenny Bofinger-Schuster: Der Fokus auf Nachhaltigkeit muss konsequent über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg erfolgen, von der Entwicklung bis zum Aftersales. Die kontinuierliche Interaktion über den gesamten Produktlebenszyklus ist entscheidend, und ESG-Kriterien müssen durchgängig angewendet werden.

Das grösstePotenzial für Siemens, "Nachhaltigkeitsgewinne" zu erzielen, liegt eindeutig bei den Produkten und Dienstleistungen, die wir unseren Kunden anbieten, insbesondere in Bereichen wie Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft, Wasserlösungen usw. In den letzten zwei Jahren hat die Dynamik bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen viele Erwartungen übertroffen und wird wahrscheinlich im nächsten Jahrzehnt einen erheblichen Einfluss haben.

Die Netto-Null-Ziele sind nicht allein durch Verhaltensänderungen oder Verzicht zu erreichen. Selbst während der Pandemie hat die Verringerung des Reiseverkehrs und der industriellen Aktivitäten zu einem Emissionsrückgang von nur 7% geführt. Neue Technologien werden die Hauptlösung sein, um viele ESG-Herausforderungen anzugehen, Innovationen gepaart mit der Einsicht, dass Nachhaltigkeit eigentlich ein gutes Geschäft ist: Wir folgen der Überzeugung, dass das, was gut für unsere Kunden ist, und das, was gut für die Menschen und unseren Planeten ist, Hand in Hand gehen.

Deloitte: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und inwieweit ist sie in Ihre allgemeine Geschäftsstrategie eingebettet?

Daniel Boesiger: Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt des Geschäfts von GF und ist der Schlüssel zur Steigerung der finanziellen Leistung. Wir veröffentlichen zwar schon seit zwanzig Jahren Nachhaltigkeitsberichte, aber während unserer letzten Strategieperiode (2016-2020) haben wir festgestellt, dass die Nachhaltigkeitsanforderungen unserer Kunden und Lieferanten im Laufe der Zeit deutlich gestiegen sind. Darüber hinaus möchten die Mitarbeiter für ein Unternehmen arbeiten, das nachhaltig arbeitet. Und auch die Erwartungen und Anforderungen des Kapitalmarkts und der Aufsichtsbehörden sind stark gestiegen. Infolgedessen ist das Thema Nachhaltigkeit nun vollständig in unsere aktuelle fünfjährige Unternehmensstrategie 2025 integriert. Sie kommt auch in unserer Vision zum Ausdruck: "GF ist ein Nachhaltigkeits- und Innovationsführer, der einen überragenden Kundennutzen bietet." Um diese Vision mit Leben zu erfüllen, müssen wir auch einen wichtigen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen unserer Kunden leisten.

Darüber hinaus kann Nachhaltigkeit nicht von den globalen Megatrends abgekoppelt werden, die unsere Branche beeinflussen - zum Beispiel Urbanisierung, Wasseraufbereitung, E-Mobilität und demografischer Wandel und vieles mehr. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich unser Nachhaltigkeitsrahmen für 2025 auf drei Bereiche - Produktportfolio, Klima und Ressourcen sowie Menschen und Wohlbefinden - mit jeweils klaren und messbaren Zielen.

Deloitte: Können Sie etwas zur Governance im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsinitiativen Ihres Unternehmens sagen? Und ist die Vergütung der Führungskräfte an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt?

Daniel Boesiger: Governance im Bereich der Nachhaltigkeit wird von oben gesteuert. Auf Verwaltungsratsebene haben wir drei Ausschüsse - Audit, Compensation und Nomination & Sustainability. Der Nominierungsausschuss & Nachhaltigkeit wird vom Präsidenten des Verwaltungsrats geleitet. Auf Konzernebene haben wir einen Corporate Sustainability Council eingerichtet, dem die fünf Mitglieder der Konzernleitung sowie die Leiter der Konzern- und Bereichsfunktionen und interne Nachhaltigkeitsexperten angehören. Dieser Rat tritt zweimal im Jahr zusammen. Auf der Ebene der Geschäftsbereiche schließlich haben wir Task Forces, die sich jedes Jahr mit verschiedenen Vertiefungsthemen befassen.

Während es bereits in der vorherigen Strategieperiode einige Leistungsziele für die Konzernleitungsebene gab, verlangen die Kapitalmärkte nun mehr von den Unternehmen. Als Reaktion darauf sind im aktuellen Strategiezeitraum (2021-2025) ESG-Ziele (Umwelt, Soziales und Governance) Teil der Berechnung des kurzfristigen Anreizes.

Deloitte: Beinhaltet der Lern- und Entwicklungsplan in Ihrem Unternehmen einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - um das Bewusstsein zu schärfen und die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter zu diesem Thema aufzubauen?

Daniel Boesiger: Da Nachhaltigkeit vollständig in unsere Unternehmensstrategie integriert ist, wurde sie auch in die Einführung der Strategie 2025 aufgenommen. Die Schaffung eines klaren Konsenses und eines gemeinsamen Verständnisses ist wichtig und wird ein fortlaufender Prozess sein. Nachhaltigkeit wird auch weiterhin ein wichtiges Thema bei wichtigen Treffen und Veranstaltungen sein, wie zum Beispiel bei unserem letzten globalen Controller-Meeting mit 150 Teilnehmern.

Unsere interne E-Learning-Plattform wird um ein neues Schulungsmodul zum Thema Nachhaltigkeit ergänzt, dem weitere massgeschneiderte Module für alle Geschäftsbereiche folgen werden. Wir haben auch unsere Nachhaltigkeitskommunikation mit unseren Mitarbeitern über das Intranet und andere Kanäle deutlich verstärkt.

Deloitte: Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit Ihre Interaktion mit wichtigen Stakeholdern wie Aktionären, Kunden, Lieferanten und den Gemeinden, in denen Sie tätig sind?

Daniel Boesiger: Nachhaltigkeit beeinflusst unsere Interaktionen mit Stakeholdern viel stärker als in der Vergangenheit. Die Nachfrage nach nachhaltigeren Lösungen seitens unserer Kunden hat zugenommen. Dies geht auch mit einer stärkeren Regulierung einher. Globale Megatrends wie die Wasseraufbereitung, die E-Mobilität oder die Digitalisierung beeinflussen unsere Branche und erfordern immer mehr nachhaltige Lösungen.

Auch der Kapitalmarkt treibt die Bemühungen der Unternehmen um mehr Nachhaltigkeit voran. Im Laufe der Jahre hat GF an verschiedenen Nachhaltigkeits-Ratingprogrammen teilgenommen - zum Beispiel am Carbon Disclosure Project (CDP). Die Kunden verlangen zunehmend eine Bewertung der Nachhaltigkeitsprogramme des Unternehmens und ihrer Wirksamkeit durch Dritte. Daher fordern sie Informationen über das CDP als unabhängige Nichtregierungsorganisation an, um die Massnahmen des Unternehmens in Bezug auf den Klimawandel und die Wassersicherheit zu bewerten und einzustufen. Audits und/oder Bewertungen von Lieferanten sind ebenfalls sehr wichtig. Wir sind EcoVadis beigetreten und berichten sowohl über die soziale Verantwortung von Unternehmen als auch über die nachhaltige Beschaffung. Wir werden von EcoVadis bewertet und teilen die Ergebnisse mit unseren Kunden.

Deloitte: Arbeiten Sie mit externen Stakeholdern wie Universitäten, Regierungen und Industrieverbänden zusammen, um Ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit zu unterstützen?
Daniel Boesiger: Als Industriekonzern mit Sitz in der Schweiz sind Innovation und Nachhaltigkeit sehr wichtig. GF arbeitet daher mit Universitäten, Industrieverbänden und Kunden an innovativen, nachhaltigen Lösungen. Externe Berater unterstützen uns bei aktuellen Nachhaltigkeitsinitiativen wie der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD), der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen und der Initiative Science Based Targets.

GF pflegt auch einen für beide Seiten vorteilhaften Austausch über Nachhaltigkeitsthemen mit anderen Unternehmen und Branchenkollegen in der Schweiz.

Deloitte: In welchen Teilen der Wertschöpfungskette sehen Sie das grösste Potenzial für Nachhaltigkeitsgewinne?

Daniel Boesiger: Alle Funktionen innerhalb der Wertschöpfungskette - wie Forschung&Entwicklung, Produktion, Vertrieb usw. - sind für die Nachhaltigkeit gleichermassenwichtig. Die Kreislaufwirtschaft erfordert einen umfassenden Ansatz für Nachhaltigkeit. Zum Beispiel ist es wichtig, dass die Vertriebsteams den Wert nachhaltiger Lösungen für die Kunden verstehen. Die Kunden können auch in einem frühen Stadium der Entwicklungsphase einbezogen werden - zum Beispiel, wenn es um Materialspezifikationen oder das Design von Teilen geht.

In unseren drei Divisionen haben wir einige klare "Nachhaltigkeitsgewinne" erzielt. Zusammen mit einem ehemaligen Team der Universität Oxford (UK) hat GF Piping Systems das NeoFlow Druckregelventil entwickelt, das Wasserverlusten und Leckagen entgegenwirkt - eine wertvolle Innovation in Zeiten von Wasserverlusten durch Leckagen (Non-Revenue Water). GF Casting Solutions hat neue Leichtbauteile aus Aluminium und Magnesium entwickelt, um das Gewicht und damit den CO₂-Ausstoss von Fahrzeugen zu reduzieren. Und schliesslich hat GF Machining Solutions neue Lasertechnologien wie die Lasertexturierung entwickelt, die das Chemical Edging in der Automobil- oder Medizinindustrie ablösen. Teile und Formen können nun schneller und umweltfreundlicher hergestellt werden.

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