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Studie zum Reifegrad des digitalen Bankwesens 2024: Schweizer Banken fallen im globalen Digitalisierungsrennen weiter zurück

Schweizer Banken im globalen Vergleich

Die Schweizer Retailbanken fallen im digitalen Wettlauf weiter zurück. In der aktuellen Ausgabe unseres Benchmark-Berichts zum digitalen Reifegrad im Bankwesen wurde keine der Banken des Landes als Digital Champion eingestuft. Schweizer Banken haben weiterhin Schwierigkeiten mit durchgängigen digitalen Customer Journeys und hinken vor allem in ihrer mobilen Experience hinterher, während Kunden in anderen Ländern nahtlose App-Erlebnisse und KI-gesteuerte Finanzberatung geniessen.

 

In der sechsten Ausgabe des grössten Benchmark-Berichts zur «Digital Maturity» (dem digitalen Reifegrad) im Retail-Banking untersuchte Deloitte 349 Banken in 44 Ländern weltweit, darunter auch 12 Banken aus der Schweiz. Sie repräsentieren über 80 Prozent des Marktanteils. Der Bericht gibt einen guten Überblick über die wichtigsten Trends bei digitalen Bankgeschäften. Neben der Maturität der angebotenen Funktionalitäten und digitalen Prozessen, stehen ebenfalls das Benutzererlebnis («User Experience», UX) und die Entwicklung des Bankgeschäfts als Plattform für zusätzliche Dienstleistungen im Fokus.

Nach der Corona-Pandemie durchlief die Bankenbranche eine rasante digitale Transformation, mit dem Ziel schnellstmöglich den sich verändernden Kundenbedürfnissen gerecht werden. Die Plattformen für das Online-Banking wurden ausgefeilter, mobile Apps wurden um neue Funktionen erweitert, und Finanzinstitute setzten alles daran, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Doch mit der zunehmenden Entwicklung der digitalen Landschaft verlagern Banken ihren Fokus weg von der kontinuierlichen Integration neuer Funktionen hin zur Optimierung der Kernprozesse und der Verbesserung des Benutzererlebnisses. Digital Champions setzen nun eher auf Qualität als auf Quantität und streben nach nahtlosen, personalisierten und effizienten digitalen Angeboten. Die Digital Banking Maturity Studie 2024 zeigt, dass Schweizer Banken zwar einige Fortschritte erzielten, trotzdem aber weiterhin Schwierigkeiten haben, mit der globalen Spitzengruppe Schritt zu halten, insbesondere im Hinblick auf Innovation, Kundenbindung und modernste digitale Funktionen.

Methodik der Studie
 

Die Digital Banking Maturity Studie hat zum Ziel, die globalen Digital Champions zu identifizieren. Digital Champions sind die Banken, die eine breite Palette an Funktionen anbieten, die für Kundinnen und Kunden relevant sind, und sich durch ein überzeugendes Benutzererlebnis auszeichnen. Sie setzen wichtige digitale Trends und zeichnen sich durch marktführende «Best Practices» aus. Damit agieren sie als Inspiration für andere Banken.

Um diese fundierten Erkenntnisse zu gewinnen, wendet die Studie einen Outside-In-Ansatz an. Dieser beinhaltet unter anderem ein «Mystery Shopper»-Tool, um 1’005 Funktionen in den digitalen Kanälen der Retail-Banken – sowohl im Internet als auch in mobilen Apps – zu bewerten. So ermöglicht die Studie einen umfassenden Überblick über den Reifegrad und bietet zudem einzigartige und unvoreingenommene Einblicke in den Reifegrad der einzelnen digitalen Kanäle.

Zentrale Einblicke

1. Schweizer Banken verlieren in den globalen Rankings weiter an Boden
 

Schweizer Banken sind in den globalen Rankings weiter gesunken und erzielen im gesamten Digital Banking Maturity Index nun 39 Punkte. Damit liegen sie unter dem globalen Durchschnitt von 41 und weit unter den Digital Champions, die einen Wert von 60 erreichen. Auf relativer Basis liegt die Schweiz nun im Vergleich der 44 teilnehmenden Ländern auf dem 27. Platz und hat damit ihre Position im Mittelfeld seit der vorangegangenen Studie verloren. In der Ausgabe für das Jahr 2024 gehört keine der untersuchten Schweizer Banken zu den globalen Digital Champions. Banken in den Nachbarländern, darunter Frankreich, Deutschland und Italien, liegen vor ihren Schweizer Pendants. Vor allem Institute in Deutschland haben seit der Studie von 2022 ihre Schweizer Mitbewerber klar überholt.

Banken führen nicht länger kontinuierlich neue Funktionen ein, sondern optimieren vielmehr die bestehenden Funktionen und verbessern das Benutzererlebnis. Damit folgen sie dem Beispiel der Digital Champions. Dadurch hat sich die Lücke beim digitalen Reifegrad zwischen Schweizer Banken und den Digital Champions zwar stabilisiert, doch andere globale Akteure holen schneller auf, sodass die Schweiz in den relativen Rankings weiter zurückgefallen ist.

2. Schweizer Banken schneiden beim Digital Onboarding gut ab
 

Entlang der Kunden-Journey, ist das Digital Onboarding bei Schweizer Banken relativ stärker digitalisiert. Sie liegen über dem globalen Durchschnitt und haben seit der Studie von 2022 noch weitere Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf ihre E-Banking-Kanäle. Fast alle Schweizer Banken bieten inzwischen die Möglichkeit der digitalen Kontoeröffnung. Dies zeigt, dass sie sich darauf konzentrieren, einen der wichtigsten Punkte der Customer Journey zu verbessern.

Doch auch hier gibt es Lücken zu den Digital Champions, auch wenn diese kleiner sind als in anderen Bereichen. Digital Champions zeichnen sich durch nahtlose Prozesse aus, die in vollem Umfang und mit wenig oder gar keiner Wartezeit in den jeweiligen Apps abgeschlossen werden können. Bemühungen zur Verbesserung des Digital-Onboarding-Prozesses haben sich bereits ausgezahlt, doch weitere Digitalisierungs- und Vereinfachungsmassnahmen sind erforderlich, damit die Standards der Digital Champions erreicht werden können.

3. Die hart umkämpfte Kundenbindung
 

Seit der letzten Studie haben die Banken ihre Aufmerksamkeit auf die Verbesserung des Benutzererlebnisses bei bestehenden Funktionen verlagert. Diesbezüglich liegen Schweizer Banken im Schnitt gleichauf mit ihren globalen Mitbewerbern. Was die Internet-Kanäle angeht, so schneiden sie beim Benutzererlebnis sowohl bei ihren öffentlichen Websites als auch bei den E-Banking-Plattformen etwas besser ab als der globale Durchschnitt. Bei den mobilen Kanälen hinken sie dagegen hinterher.

Der Optimierung des Benutzererlebnisses sollte auch weiterhin grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wie unsere globale Umfrage unter Nutzerinnen und Nutzern zeigt, kämpfen Schweizer Banken und viele ihrer globalen Mitbewerber nach wie vor damit, für eine angemessene Barrierefreiheit in ihren digitalen Applikationen sicherzustellen, Möglichkeiten zur Personalisierung des Benutzererlebnisses zu bieten und komplexere Funktionen einfach zugänglich zu machen. Diese Herausforderungen beeinträchtigen die Fähigkeit zur Verbesserung des digitalen Engagements der Nutzerinnen und Nutzer erheblich. Wenn Banken diese Thematik angehen, können sie ihre Cross-Selling-Möglichkeiten steigern und digitale Kontaktpunkte in zusätzliche Ertragsquellen verwandeln.

Hier können sich Schweizer Banken ebenfalls am Vorbild der Digital Champions orientieren. Sie sind Vorreiter darin, die Funktionen aus dem Personal Financial Management-Bereich aktiv dafür einzusetzen um die Kundenbindung zu vertiefen und die (regelmässige) App-Nutzung voranzutreiben. Beispielsweise bieten sie Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, sich finanzielle Ziele zu setzen, sich über den Kontostand informieren zu lassen oder ihre Transaktionen je nach Kategorie zu verwalten. Schweizer Banken sind bei der Einführung derartiger Funktionen zwar etwas besser als der globale Durchschnitt, liegen aber immer noch hinter den Digital Champions. Diese optimieren die Tools und verbessern dadurch die Kundenbindung und letztlich auch die Kundenbeziehungen.

4. Mobile Kanäle sind weiterhin eine kritische Schwachstelle


Im Mobile Banking schneiden Schweizer Banken weiterhin stark unterdurchschnittlich ab. Schwierigkeiten haben sie in wichtigen Bereichen wie:

  • Informationsbeschaffung: Oft stehen Kundinnen und Kunden über die mobilen Kanäle ihrer Banken nur unzureichende Informationen zur Verfügung.
  • Alltägliche Bankgeschäfte: Den Nutzerinnen und Nutzern der Apps stehen vergleichsweise wenig Funktionen für die Verwaltung ihrer Konten, Produkte und Karten zur Verfügung.
  • Ausbau der Kundenbeziehung: Es gibt kaum Funktionen, die über das Bankgeschäft hinausgehen, keine Möglichkeit zur Bündelung mehrerer Konten und nur sehr begrenzte Cross-Selling-Funktionen in der Banking-App.

Dies ist besonders besorgniserregend, denn Schweizer Banken können bei diesem Kanal, der sich rasch zum wichtigsten Kanal für die Kundenbindung entwickelt, die Lücken im Benutzererlebnis gegenüber Digital Champions nicht effektiv verringern. Vor allem der Wettbewerb durch Challenger-Banken, die sich auf ein vollständig mobiles Erlebnis konzentrieren, verschärft sich.

5. Digital Champions heben sich durch «Value Added» Service ab

Digital Champions unterscheiden sich von ihren Mitbewerbern durch sogenannte «Value Added» Services, die die Kundenbindung und Kundentreue stärken. Zu diesen Diensten gehören ergänzende Angebote in den Bereichen kommerzielle Dienstleistungen, Mobilität, Unterhaltung, Gesundheit und öffentliche Dienstleistungen. Schweizer Banken haben bei der Einführung derartiger Services keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Im Schnitt bieten Digital Champions solche Leistungen 2,5-mal häufiger an als andere Banken weltweit – diese Lücke existiert auch unverändert gegenüber den Schweizer Banken.

Der Erweiterung des Angebots an «Value Added» Services muss zukünftig grössere Bedeutung beigemessen werden: Diese Dienste stärken nicht nur die Kundentreue und helfen Schweizer Banken, sich von den Challenger-Banken abzuheben, sondern sie bieten Banken auch Zugang zu Kundendaten. Dies ist unerlässlich, um die Personalisierung des Kundenerlebnisses zu erleichtern und ein erfolgreiches Cross-Selling zu verfolgen.

Zusammenfassung
 

Die Digital Banking Maturity Studie 2024 unterstreicht, dass Schweizer Banken ihre Bemühungen um die digitale Transformation unbedingt forcieren müssen. In einigen Bereichen wurden zwar Fortschritte erzielt, doch es bestehen nach wie vor grosse Lücken zu den Digital Champions. Schweizer Banken müssen ihre Schwachstellen im Mobile Banking, beim Benutzererlebnis und bei fortschrittlichen digitalen Funktionen mit Nachdruck angehen und so die sich stetig entwickelnden Kundenerwartungen erfüllen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Durch die Verfolgung innovativer Strategien und die Priorisierung der Kundenbindung können Schweizer Banken bestehende Lücken schliessen und ihre Spitzenposition im sich rasant weiterentwickelnden Ökosystem des digitalen Bankwesens zurückerobern.


Aktionsschwerpunkte für Schweizer Banken

Schweizer Banken müssen Verbesserungen beim mobilen Benutzererlebnis ihrer Kundinnen und Kunden und bei der Funktionalität ihres Angebots priorisieren, um die neu aufkommenden Kundenerwartungen besser erfüllen und sich im Wettbewerb mit Challenger-Banken behaupten zu können. Ein nahtloses und personalisiertes mobiles Benutzererlebnis eröffnet Banken neue Cross-Selling-Möglichkeiten, stärkt die Kundenbindung und erhöht die Umsätze.

Um die Kundenbindung zu stärken und die Umsätze über die digitalen Kanäle zu erhöhen, müssen Schweizer Banken von den Digital Champions lernen. Sie müssen stärker in wichtige Funktionen wie das Personal Finance Management investieren und innovative Angebote entwickeln, die über das reine Bankgeschäft hinausgehen.

Ziel von Schweizer Banken muss es sein, das Benutzererlebnis insgesamt zu optimieren, um ihre digitale Präsenz zukunftsfähig zu machen. Dazu gehören die Einführung intuitiver Designs, raschere Verarbeitungszeiten sowie personalisierte Funktionen. Gleichzeitig müssen kritische Lücken bei der Barrierefreiheit geschlossen werden, um die Bestimmungen des EU Accessibility Act1 einzuhalten, der in diesem Sommer in Kraft tritt.

Anmerkung1. Weitere Informationen über den  European Accessibility Act.


Mitwirkende

Wir bedanken uns bei Lisa Peyer für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Bericht.

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