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Das Steuerkontrollsystem als Notwendigkeit

Lehren aus dem BFG-Erkenntnis vom 2. Juni 2025, RV/2100223/2025

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Überblick
Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom 2. Juni 2025, GZ RV/2100223/2025, verdeutlicht, welche steuerlichen Konsequenzen ein unzureichend organisiertes steuerliches Kontrollsystem (SKS) – insbesondere in der Fristenkontrolle – für Unternehmer:innen haben kann. Die Entscheidung bekräftigt, dass außergewöhnliche Belastungen im Unternehmen, wie etwa ein Wasserschaden im konkreten Fall, die Pflicht zur fristgerechten Erfüllung steuerlicher Obligationen nicht aufheben. Vielmehr unterstreicht sie, wie essenziell ein funktionierendes SKS ist, um Säumniszuschläge nicht nur in erster Linie zu vermeiden, sondern im Falle einer Säumnis das mangelnde Vorliegen eines groben Verschuldens zu beweisen.
 
Rechtsgrundlagen
Bei verspäteter Entrichtung von Abgaben ist nach Maßgabe des § 217 BAO ein Säumniszuschlag festzusetzen, welcher auf Antrag des Abgabepflichtigen herabgesetzt oder gar nicht festgesetzt wird, sofern ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Bereits in ständiger Rechtsprechung wird betont, dass Unternehmer:innen verpflichtet sind, eine gewisse Mindestorganisation in der Büroführung – wie etwa eine klare Fristenkontrolle – zu pflegen. Das Fehlen einer solchen Organisation, etwa in Form eines SKS, wiegt daher besonders schwer und begründet regelmäßig grobes Verschulden.
 
Die Einrichtung eines SKS ist zwar – außer für den Einstieg in die begleitende Kontrolle (bK) - gesetzlich nicht explizit verpflichtend, wird jedoch durch zahlreiche steuerliche und haftungsrechtliche Regelungen nahegelegt. In Österreich wie auch im EU-Raum gewinnt das SKS zunehmend Bedeutung im Kontext der Tax Compliance. Die §§ 153a ff BAO und die diesbezüglich veröffentlichten Erlässe und Verordnungen sehen etwa vor, dass bei der Abgrenzung zwischen Vorsatz, grober Fahrlässigkeit oder bloßer Fahrlässigkeit ein dokumentiertes SKS als Indiz für die Einhaltung der steuerlichen Sorgfaltspflicht herangezogen werden kann. Die Rsp des OGH stellt klar, dass Geschäftsführer:innen unter bestimmten Umständen persönlich haftbar gemacht werden können, wenn kein angemessenes Kontrollsystem implementiert wurde.

Sachverhalt und Verfahrensgang
Dem Urteil des BFG lag ein Fall zugrunde, in dem das Finanzamt einen Säumniszuschlag bescheidmäßig festsetzte, weil ein Unternehmer die aus der Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2018 resultierende Zahllast nicht fristgerecht entrichtete. In der folgenden Bescheidbeschwerde begründete der Unternehmer die Säumnis damit, dass außerordentliche Umstände (konkret ein Wasserschaden in einem anderen Betrieb des Unternehmers) vorlagen, welche den Unternehmer daran gehindert haben, die rechtzeitige Beauftragung der Überweisung vorzunehmen. Auf die daraufhin ergangene negative Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts folgte 2025 die Vorlage beim BFG.

Im Rahmen des Verfahrens stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer keinerlei strukturiertes internes Kontrollsystem zur Fristenkontrolle eingerichtet hatte. Die gesamte Organisation der fristgerechten Abgabenzahlungen erfolgte durch den Geschäftsführer in Eigenregie – ohne Unterstützung oder sonstige Kontrollinstanzen. Auch hatte der Bf die Überweisung der (zeitgleich mit der gegenständlichen Umsatzsteuerzahllast fälligen) Lohnabgaben – trotz der außerordentlichen Umstände – fristgerecht vorgenommen. Zudem wurde dokumentiert, dass der Bf in der Vergangenheit bereits mehrfach säumig war, und es sich dementsprechend nicht um eine einmalige Säumnis handelte.

Entscheidung des BFG
Das BFG kam zu dem Schluss, dass die verspätete Zahlung auf ein grobes Verschulden zurückzuführen ist. Dafür maßgeblich war, dass die Verantwortung zur Fristenkontrolle und -wahrung ausschließlich in den Händen des Geschäftsführers lag, was als organisationsrechtlich unzureichend bewertet wurde. Die diversen vorangegangenen Verfehlungen dieser Art belegen gar einen systemischen Organisationsmangel. Weiters könne keine leichte Fahrlässigkeit begründet werden, wenn sich das gegenständliche SKS bloß in einer Selbstkontrolle erschöpft. Im Gegenteil. Grobe Mängel in der Büroorganisation oder eine mangelhafte oder überhaupt fehlende Überwachung und Kontrolle von Mitarbeitern, an die die Vornahme der Abgabenzahlungen delegiert wurde, sind als grobes Verschulden einzustufen.

Auch die Argumentation, der Wasserschaden habe eine außergewöhnliche Belastung dargestellt, überzeugte das BFG nicht. Der Vorfall sei sieben Tage vor der Fälligkeit eingetreten, es habe zwischenzeitlich mehrere Tage ohne konkrete Termine gegeben, an denen die Zahlung problemlos hätte durchgeführt werden können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum etwa die ebenfalls fälligen Lohnabgaben fristgerecht überwiesen wurden, die Umsatzsteuerzahllast hingegen nicht.

Fazit
Das Erkenntnis zeigt, dass ein funktionierendes und dokumentiertes SKS in der heutigen Steuerpraxis kein bloßes Verwaltungswerkzeug mehr ist, sondern integraler Bestandteil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Es kann nicht nur steuerliche Risiken minimieren, sondern auch im Falle einer Betriebsprüfung oder gerichtlichen Auseinandersetzung eine entlastende Wirkung entfalten – sofern es konsequent umgesetzt und dokumentiert wurde. In diesem Fall hatte der Bf kein angemessenes SKS implementiert, obwohl dessen Erfordernis mehrfach durch vergangene Säumnisse deutlich aufgezeigt wurde.

Mit Blick in die Zukunft ist davon auszugehen, dass sowohl die Finanzverwaltung als auch die Gerichte dem Vorhandensein eines SKS zunehmend Gewicht beimessen werden – nicht als Ersatz für steuerliches Wohlverhalten, aber als starkes Indiz für gelebte Compliance. Für die Praxis bedeutet dies: Unternehmer:innen sind gut beraten, ihre steuerlichen Prozesse durch ein SKS systematisch abzusichern.