Überblick
Ereignet sich ein Unfall auf dem Weg zwischen Wohnort und Arbeitsstätte liegt ein Wegunfall vor, der dem Unfallversicherungsschutz unterliegt. Wegunfälle gelten somit als Arbeitsunfälle, die unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf Versehrtenrente begründen können. Obwohl die Wahl des Fortbewegungsmittels für den Arbeitsweg den Arbeitnehmer:innen grundsätzlich frei steht, sind vom Versicherungsschutz nur typische Weggefahren und allgemeine Risiken des Arbeitsweges erfasst. In diesem Zusammenhang stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, wo die Grenzen des Versicherungsschutzes liegen und welche Fortbewegungsmittel (noch) von der Freiheit der Wahl des Fortbewegungsmittels umfasst sind.
Sachverhalt in der Rechtssache 10 ObS 55/24x
Im Anlassfall verunfallte ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit mit einem E-Scooter. Er wollte die Geschwindigkeit von 22 km/h reduzieren und betätigte dazu den Bremshebel, woraufhin es aufgrund der nassen Fahrbahn zum Wegrutschen des Vorderrades und in weiterer Folge zu einem Sturz kam. Der Arbeitnehmer verletzte sich und behauptete das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Gleichzeitig begehrte er Versehrtenrente von der zuständigen Versicherungsanstalt.
Entscheidung des OGH
Der OGH hat sich in seinem Urteil eingehend mit der Freiheit der Wahl des Fortbewegungsmittels und somit der Abgrenzung zwischen dem von der Unfallversicherung (noch) geschützten Lebensbereich und der Privatsphäre des Arbeitnehmers befasst. Bei Wegunfällen handelt es sich um eine rechtlich nicht zwingend gebotene, aus sozialpolitischen Überlegungen vorgenommene Erweiterung des Versicherungsschutzes, obwohl dieser Bereich dem Einfluss des Arbeitgebers entzogen ist. Demnach sollen nur typische Weggefahren und Risiken versichert sein. Maßgeblich war im konkreten Fall die Frage, ob E-Scooter als allgemein übliche Verkehrsmittel, die ein sicheres Fahren gewährleisten, zu qualifizieren sind, oder als Sport- oder Spielgeräte für Freizeitzwecke, mit denen andere, darüberhinausgehende (Unfall-)Risiken einhergehen.
Im Verfahren erfolgte eine eingehende Auseinandersetzung mit der Stabilität eines E-Scooters im Vergleich zu einem Fahrrad. Zu Monowheels hat der OGH in einer älteren Entscheidung bereits ausgesprochen, dass es sich dabei um kein übliches Verkehrsmittel handelt und mit diesem keine typischen Weggefahren und Risiken verbunden sind. Die Benutzung erfordert ein besonderes Maß an Geschicklichkeit. Ein sicheres Fahren damit ist nicht gewährleistet.
Ähnlich sieht der OGH die Sachlage auch bei E-Scootern, deren Benutzung ein aktives Ausbalancieren erfordert und deren Stabilität im Vergleich zu einem Fahrrad deutlich geringer ausgeprägt ist. Demnach sind E-Scooter weder allgemein übliche noch sicher handhabbare Verkehrsmittel.
Da aus der spezifischen Bauart von E-Scootern eine besondere Gefahr resultiert, hat sich gegenständlich keine typische Gefahr eines Dienst- bzw Arbeitsweges verwirklicht. Der OGH hat demnach das Bestehen eines Unfallversicherungsschutz verneint.
Fazit
Obwohl im innerstädtischen Nahverkehr inzwischen gut und gerne für „schnelle Wege“ genutzt, werden E-Scooter weder als sicher handhabbare noch als allgemein übliche Verkehrsmittel beurteilt. Bei der Inanspruchnahme für insbesondere Arbeitswege gilt daher besondere Vorsicht, kann doch das erhöhte Risiko, das bei der Nutzung besteht, den Unfallversicherungsschutz für Arbeits- bzw Wegunfälle ausschließen.