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BFG: Abkommensrechtliche Einordnung von Einkünften aus Softwarevertrieb

Die Einordnung von Einkünften aus dem Vertrieb von Software nach den DBA China und Indien

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Überblick

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat mit Erkenntnis vom 22.7.2024 (RV/5100103/2022) ausgesprochen, dass Einkünfte aus dem Vertrieb von Individualsoftware nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) China und Indien nicht als Lizenzeinkünfte im Sinne der jeweils einschlägigen Verteilungsnorm einzustufen sind. Den Quellenstaaten China und Indien kommt daher nach Ansicht des BFG kein Besteuerungsrecht auf Grundlage der jeweiligen DBA mit Österreich zu, sodass im Ergebnis auch die vom Steuerpflichtigen begehrte Quellensteueranrechnung zu versagen war.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine in Österreich ansässige Körperschaft, die Software entwickelt. Der Vertrieb der Software an die chinesischen und indischen Endkunden erfolgte jeweils über einen lokalen Vertriebspartner, der in weiterer Folge jeweils den Endabnehmern vor Ort die Software vertraglich überließ. Mit dem chinesischen Vertriebspartner schloss die Bf jeweils gleichlautende – als „software lease“ bzw „software purchase agreement“ bezeichnete – Verträge ab, wie sie auch zwischen den (chinesischen) Endkunden und dem Vertriebspartner zustande kamen. Unabhängig von der Bezeichnung, dh im Rahmen beider Vertragsvarianten, wurde dabei die Software im Ergebnis lediglich zum bestimmungsmäßigen Gebrauch überlassen. Urheberrechtlich geschützte Rechte wie beispielsweise das der Vervielfältigung, Sublizenzierung und Weiterentwicklung waren nicht Vertragsgegenstand. Sämtliche urheberrechtlich geschützten Rechte im Zusammenhang mit der Software verblieben daher bei der Bf. Mit dem indischen Vertriebspartner war ein Umsatzteilungsübereinkommen geschlossen worden. Die Bf räumte mit diesem Übereinkommen dem (indischen) Vertriebspartner das Recht ein, die Software in eigenem Namen zu verkaufen oder zu vermieten (Vertriebsrecht). Dafür erhielt die Bf vom Vertriebspartner Anteile am Verkaufserlöses.   

Sowohl der chinesische als auch der indische Vertriebspartner behielten von den – auf Grundlage der Softwareverträge geleisteten – Zahlungen an die Bf Quellensteuer ein. Die Bf begehrte im Rahmen der Veranlagung in Österreich, diese Quellensteuer auf die österreichische Körperschaftsteuer anzurechnen. Begründend brachte die Bf hierfür vor, dass es sich bei den von den Vertriebspartnern erhaltenen Zahlungen (wirtschaftlich) um Mietentgelte für die Überlassung der Software als (unkörperlichen) „Ausrüstungsgegenstand“ handle, die insofern vom Lizenzgebührenbegriff im Sinne der einschlägigen DBA erfasst wären. Österreich als Ansässigkeitsstaat sei daher gemäß DBA zur Anrechnung verpflichtet. Das Finanzamt versagte allerdings eine Quellensteueranrechnung mit der Begründung, die Zahlungen seien als Unternehmensgewinne einzuordnen. Da an diesen Unternehmensgewinnen Österreich das alleinige Besteuerungsrecht habe, sei eine Anrechnung nicht möglich. 

Entscheidung des BFG

Das BFG befasste sich zunächst mit dem Lizenzgebührenbegriff des DBA Österreich-China, der unter anderem Einkünfte „für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen“ erfasst. Eine Definition, wie der im gegenständlichen Verfahren laut Vorbringen des Bf relevante Begriff der „Ausrüstung“ zu verstehen sei, fehle zwar, doch könne – so das BFG – letztlich dahingestellt bleiben, ob der Ausrüstungsbegriff auch unkörperliche Wirtschaftsgüter wie die von der Bf überlassene Software umfasst. Denn bei Zahlungen für den Erwerb einer Programmkopie für Zwecke des persönlichen oder betrieblichen Gebrauches handle es sich um gewerbliche Einkünfte und die Verteilungsnorm für Unternehmensgewinne gelange zur Anwendung. Lediglich dann, wenn der jeweilige Vertragspartner zur Vervielfältigung, Verwertung, Veränderung oder Veröffentlichung der Software berechtigt sei, könnten die Zahlungen als Lizenzgebühren im Sinne des DBA Österreich-China eingeordnet werden. Im gegenständlichen Fall sei kein „Urheberrecht“, sondern nur eine „urheberrechtlich geschützte Software“ übertragen worden. Da eine solche Übertragung unter die Verteilungsnorm für Unternehmensgewinne des einschlägigen DBA Österreich-China falle, könne eine Quellensteueranrechnung nicht vorgenommen werden.  

Betreffend die Zahlungen aus den Verträgen mit dem indischen Vertragspartner stellte das BFG – in Anknüpfung an die zuvor geschilderten Überlegungen betreffend das DBA Österreich-China – fest, dass Lizenzgebühren im abkommensrechtlichen Sinne nur vorliegen würden, wenn ein entsprechend umfassendes Recht zur Nutzung eines Urheberrechts übertragen wird. Eine solche zeitlich befristet eingeräumte Nutzungsüberlassung sei aus den vorliegenden Verträgen allerdings nicht abzuleiten. Vielmehr seien die Entgelte für die Einräumung eines Vertriebsrechts geleistet worden. Solche Entgelte wären – so das BFG – als Unternehmensgewinne im Sinne des DBA Österreich-Indien zu verstehen, für die eine Quellensteueranrechnung nicht zusteht.

Fazit  

Nach dem BFG sind Zahlungen aus China bzw Indien nur dann als Lizenzgebühren im Sinne der einschlägigen DBA zu qualifizieren, wenn diese für die zeitlich befristete Einräumung eines umfassenden Nutzungsrechts an dem urheberrechtlich geschützten Immaterialgüterrecht (iSe Rechts zur Vervielfältigung, Verwertung, Veränderung oder Veröffentlichung der Software) geleistet werden. Aufgrund der immensen wirtschaftlichen Bedeutung von Software erlangt auch die DBA-rechtliche Einordnung von Entgelten im Zusammenhang mit deren Überlassung immer größere Relevanz. Insbesondere in Bezug auf Länder, die einerseits innerstaatlich einen weiten Lizenzbegriff aufweisen und zudem in ihrer Abkommenspolitik und -praxis bestrebt sind, ihr Besteuerungsrecht als Quellenstaat möglichst weit zu definieren, sehen sich österreichische Steuerpflichtige regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, dass der:die Vertragspartner:in unter Bezug auf das Steuerrecht seines Ansässigkeitsstaates einen Quellensteuerabzug vornimmt allerdings die Anrechnung in Österreich mangels Abkommenskonformität des Abzugs verweigert wird. Dem österreichischen Steuerpflichtigen droht dabei eine juristische Doppelbesteuerung, da in derartigen Situationen auch eine unilaterale Anrechnung auf Grundlage des § 48 Abs 5 BAO oftmals ausgeschlossen sein wird. Österreichische Steuerpflichtige, die softwarebezogene Verträge mit ausländischen Vertragspartnern:innen abschließen, sollten daher stets versuchen, eine sog. „gross-up“-Klausel zu vereinbaren, wonach eine gegebenenfalls anfallende Quellensteuer vom Vertragspartner wirtschaftlich zu tragen ist.