Sachverhalt
Betreffend das Kalenderjahr 2021 sah der anwendbare Kollektivvertrag vor, dass Corona-Prämien (abgabenfrei) an Mitarbeiter gewährt werden durften. Umstritten war, ob auch an dieses Unternehmen überlassene Arbeitnehmer:innen, die bei einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen angestellt waren, diese Prämie erhalten sollten. Die bisherige Rechtsprechung des OGH schloss einen solchen Anspruch in früheren ähnlich gelagerten Fällen aus. Diese Erkenntnisse betrafen jedoch Zeiten vor dem Inkrafttreten der „EU-Leiharbeitsrichtlinie“ (Richtlinie 2008/104/EG).
Entscheidung des OGH
Basierend auf der in österreichisches Recht übernommenen „Leiharbeitsrichtlinie“ der EU änderte der OGH mit aktuellem Erkenntnis seine Judikaturlinie grundlegend. Die wesentlichen Punkte des Erkenntnisses:
− Seit der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie haben auch überlassene Arbeitnehmer:innen Anspruch auf kollektivvertraglich geregelte Prämien, die den Stammbeschäftigten des Überlasserbetriebs gewährt werden.
− Überlassene Arbeitnehmer:innen haben Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt.
− Die Leiharbeitsrichtlinie, regelt den Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmer:innen mit Stammarbeitskräften des Beschäftigerbetriebs.
− Ab dem Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie ist der Entgeltbegriff im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs umfassend zu verstehen.
− Überlassene Arbeitnehmer:innen haben daher nicht nur Anspruch auf das periodisch wiederkehrende, in der Regel monatlich fällige Entgelt, sondern auch auf einmalige Prämien gemäß Kollektivvertrag.
− Die per Kollektivvertrag vorgesehene einmalige Corona-Prämie ist als ein kollektivvertragliches Mindestentgelt für alle Arbeitnehmer:innen des Beschäftigerbetriebs mit einem aufrechten Arbeitsverhältnis am 31.12.2021 zu verstehen.
Fazit
Der OGH stellt im Zuge der neuen Judikatur klar, dass überlassene Arbeitnehmer:innen den gleichen Anspruch auf kollektivvertraglich geregelte Prämien haben wie die Stammbeschäftigten des jeweiligen Unternehmens. Jedoch sollte sich aus diesem OGH-Erkenntnis keine grundlegende Änderung in der Lohnverrechnung bei der Arbeitskräfteüberlassung ergeben. Erfasst sind davon lediglich kollektivvertragliche Einmalprämien (wie zB die frühere Corona-Prämie oder die Teuerungsprämie, im Jahr 2024 Mitarbeiter:innenprämie genannt).
Werden solche Prämien innerbetrieblich freiwillig gewährt oder sieht der Kollektivvertrag Öffnungsklauseln vor, entsteht in diesen Fällen kein Rechtsanspruch. Eine Ausnahme besteht in den Fällen, in denen der Überlasserbetrieb keinem Kollektivvertrag unterworfen ist oder der Beschäftigerbetrieb keiner „lohngestaltenden Vorschrift“ (Kollektivvertrag, Gesetz oder Verordnung) unterliegt. Hier könnten auch innerbetriebliche Regelungen relevant werden.