Das österreichische Finanzsystem hat trotz der zahlreichen Herausforderungen der letzten Jahre einen hohen Grad an Krisenresistenz und Resilienz bewiesen. Die Aufrechterhaltung dieser Widerstandsfähigkeit bleibt jedoch – auch aufgrund sich stetig ändernder geopolitischer Herausforderungen und Schlüsselrisiken wie beispielsweise der De-Globalisierung und Protektionismuserwartungen, zahlreichen internationalen “Brandherden”, der Unsicherheit über zukünftige Zinsentwicklungen, des sich längerfristig abzeichnenden Konjunkturabschwungs und damit verbunden der zunehmenden Kreditausfälle, der schwächelnden Staatsfinanzen sowie der Disruption durch digitalen Wandel – eine dauerhafte Aufgabe.
Die Finanzmarktaufsichtsbehörde veröffentlichte am 09. Dezember 2024 ihre Aufsichts- und Prüfschwerpunkte für 2025. Damit sollen zentrale Risiken und Herausforderungen der kommenden Jahre in den Mittelpunkt der weiteren aufsichtlichen Bemühungen rücken. Diese werden von der FMA in den folgenden 6 Leitplanken zusammenfassend dargestellt:
Die österreichische Volkswirtschaft ebenso wie ihre Finanzmärkte haben sich in den letzten Jahren als widerstandsfähig und resistent erwiesen. Dies ist laut FMA vor allem den regulatorischen und aufsichtlichen Lehren zu verdanken, die aus der Finanzkrise gezogen wurden. Um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems weiter zu stärken, hat die FMA für das Jahr 2025 die folgenden Themenschwerpunkte festgelegt:
Immobilienrisiken für den Finanzmarkt mit einem Fokus auf strenge Kreditvergabestandards im Wohnimmobilienbereich, kapitalbasierte Maßnahmen wie Kapitalpuffer und (durch die CRR3 adaptierte) Risikogewichte sowie ein engmaschiges Monitoring im Bereich der Gewerbeimmobilien. Zudem wird die FMA auch weiterhin an den Vergabekriterien der KIM-V als Richtwert festhalten.
Zinsänderungs- und Kreditrisiko mit einem Hauptaugenmerk auf Monitoring und Abbau notleidender Kredite sowie das Zinsänderungsrisiko bei Asset Managern.
Aktive Mitwirkung an der turnusgemäßen Prüfung des österreichischen Finanzsystems (FSAP) durch den IWF mit Fokus auf Themen wie Governance, Open Banking, Stresstests in den Bereichen Banken- und Versicherungsaufsicht sowie Finanzierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien.
Umsetzung der EU-Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (IRRD) i.V.m. einer möglichen Benennung der FMA als nationale Abwicklungsbehörde.
Die Finanzmärkte haben sich allen Widrigkeiten zum Trotz als resilient erwiesen. Es gilt nun, diese Stabilität durch eine konsistente Weiterentwicklung des Risikomanagement- und Abwicklungsregimes weiter auszubauen und kritische Portfolien sowie Hauptrisikotreiber adäquat und vor allem zeitnah zu steuern.
Dominik Damm | Deloitte Banking, Treasury & Capital Markets
Digitalisierung, KI und Kryptotechnologie verändern die Finanzbranche und machen Cybersicherheit und digitale Resilienz essenziell. Die FMA setzt 2025 daher folgende Aufsichts- und Prüfungsschwerpunkte:
DORA: Fortführung des Informationsaustausches mit den beaufsichtigten Unternehmen, Sicherstellung des FMA-weit einheitlichen Aufsichtsansatzes, aktive Mitwirkung an DORA-Rechtsentwicklungen und kontinuierliche Prozess-Verbesserung für eine effiziente DORA-Umsetzung.
AI Act (ab 2. Februar 2025 schrittweise anwendbar): Gemäß risikobasiertem Ansatz gelten für Anbieter und Betreiber von KI-Systemen – auch im Finanzsektor – ein Verbot von KI-Anwendungen mit unannehmbaren Risiken, spezifische Vorschriften für hochriskante KI, Transparenz bei begrenztem Risiko und Selbstregulierung bei minimalem Risiko. Die nationale Überwachungsbehörde wird noch per Gesetz festgelegt.
MiCAR und nationales MiCA-Verordnung-Vollzugsgesetz (MiCA-VVG): Unter anderem im Fokus stehen ein fließender Übergang von Zulassungsverfahren zur laufenden Aufsicht für CASPs (Crypto-Asset Service Providers) und die Vorbereitung von Vor-Ort-Prüfungen. Ein Schwerpunkt liegt auf Synergien von MiCAR und DORA in den Aufsichtsprozessen und der Übernahme bestehender VASPs (Virtual Asset Service Providers) in das MiCAR-Regime nach Ablauf des Grandfatherings Ende 2025.
Digitalisierung, Krypto, AI: Der risikoorientierte Ansatz der FMA soll den digitalen Wandel im Finanzsektor unterstützen, Resilienz gegenüber Bedrohungen stärken und innovative Geschäftsmodelle fördern.
Christa Janhsen | Deloitte Risk Advisory
Risiken in Zusammenhang mit der Klimakrise und die damit verbundene Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft werden zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen.
Aus diesem Grund wird die FMA im Jahr 2025 einen besonderen Fokus auf die folgenden Aufsichts- und Prüfungsschwerpunkte legen:
Greenwashing und Offenlegung, insbesondere
-) Umsetzung neuer regulatorischer Anforderungen an Nachhaltigkeitsfonds durch die Übernahme von ESMA-Leitlinien in die Verwaltungspraxis der FMA;
-) Greenwashing-Screening bei Nachhaltigkeitsfonds durch gezielte Aufsichtstätigkeiten im Rahmen von Off-Site-Analysen sowie Vor-Ort-Prüfungen zur Überprüfung der Offenlegungen sowie der Einhaltung der offengelegten Anlagestrategie;
-) Analytischer Fokus der FMA auf Offenlegungen zu nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen am österreichischen Finanzmarkt gem. SFDR;
-) Prüfung von Prospekten zu grünen Anleihen durch die FMA, um die Integrität des nachhaltigen Finanzmarktes zu wahren;
-) Gemeinsame Aufsichtsmaßnahme zum Vertrieb von nachhaltigen Finanzinstrumenten, um sicherzustellen, dass beim Vertrieb von nachhaltigen Finanzinstrumenten den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kund:innen entsprochen wird.
Nachhaltigkeitsrisiken und Geschäftsmodelle - Durchführung von Klimastresstests auch bei Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Betrieblichen Vorsorgekassen und Investmentfonds.
Nachhaltigkeitsberichterstattung, d.h. externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte gem. CSRD sowie Aufnahme der Nachhaltigkeitsberichte in die Jahresfinanzberichte, die dem Rechnungslegungs-Enforcement der FMA und der OePR unterliegen.
Die Extremwetterereignisse des Jahres 2024 haben manifestiert, dass der Klimawandel kein entferntes Phänomen ist. Der Finanzsektor kann einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten. Die FMA wird daher auch in 2025 ihren eingeschlagenen Weg zur adäquaten Berücksichtigung von ESG-Risiken sowie zur korrekten Offenlegung von ESG-Faktoren weiterverfolgen.
Dominik Damm | Deloitte Banking, Treasury & Capital Markets
Neue digitale Finanzprodukte und Online-Vertriebskanäle ermöglichen den Verbraucher:innen eine einfachere und schnellere Teilnahme am Kapitalmarkt. Diese Möglichkeiten bieten Chancen, sind aber auch mit teils erheblichen Risiken verbunden. Um diesen Risiken entgegenzuwirken, hat die FMA bereits eigene Initiativen gestartet, die den Vergleich von Produkten erleichtern, wie z.B. die Vergleichsplattform “Zertifikate Lupe”.
Die FMA setzt sich für ein funktionierendes Beschwerdemanagement bei Finanzinstituten, präventive Maßnahmen zur Finanzbildung sowie die Bereitstellung von verständlichen und zielgerichteten Informationen ein und hat für das Jahr 2025 die folgenden Aufsichts- und Prüfschwerpunkte festgelegt:
Aufbau eines sektorübergreifenden Conduct Hub mit Fokus auf einheitliche und verhältnismäßige Standards zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln.
Prüfungsschwerpunkt Verbraucherschutz, insbesondere fondsgebundene Lebensversicherungen, Beschwerdemanagement bei Versicherungen, Marketingmitteilungen bei Kreditinstituten sowie die Entwicklung einer „Fondslupe“ ähnlich der FMA “Zertifikate Lupe”.
Die FMA ist der Ansicht, dass eine Neuausrichtung des Verbraucherschutzes und eine bessere Anpassung der unabhängigen Information an die jeweilige Zielgruppe sowie digitale Kanäle erforderlich sind.
Aufgrund der großen Bedeutung des Anlagebetrugs wird die FMA ihre diesbezüglichen Präventionsmaßnahmen weiter ausbauen, u.a. durch Kooperationen mit dem Zentrum Finanzbildung der WU-Wien, durch internationalen Erfahrungsaustausch über Finanzbildungsprojekte für Erwachsene, durch Verbreitung von “Reden wir über Geld” über alternative Medien sowie mittels Kooperationen mit der OeNB, dem Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung sowie dem Bundeskriminalamt.
Konsument:innen können heute noch schneller, global grenzüberschreitend und spielerisch agieren, die Fülle an Informationen und Anbietern gestaltet Anlageentscheidungen immer komplexer, der persönliche Kontakt zu Bankexpert:innen nimmt zunehmend ab – diesen Risiken gilt es durch ein adäquates Beschwerdemanagement, eine zielgerichtete Informationsbereitstellung und eine erhöhte Markttransparenz entgegenzuwirken.
Dominik Damm | Deloitte Banking, Treasury & Capital Markets
Auch im Jahr 2025 verstärkt die FMA ihren Ansatz für einen sauberen Finanzplatz. Dies schließt einen integren Geschäftsbetrieb, die Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität, d.h. AML/CFT, sowie die strikte und unbedingte Einhaltung und Durchsetzung des Sanktionsregimes ein. Diese Aspekte sind entscheidend für das Vertrauen in den Finanzmarkt und die zuverlässige Versorgung der Realwirtschaft mit Finanzdienstleistungen. Vor diesem Hintergrund hat die FMA für 2025 die folgenden Aufsichts- und Prüfschwerpunkte definiert:
Vorbereitung der Aufsicht über Finanzsanktionen, d.h. Bündelung der Einhaltung/Überwachung von Finanzsanktionen bei der FMA (zuvor OeNB) per 01.01.2026 zur Umsetzung von Empfehlungen der FATF und des EU-AML-Pakets.
FATF-Prüfung von Österreich in den Jahren 2024-2026, d.h. Koordination und Einbringen der Standpunkte der FMA zur Verdeutlichung der seit der letzten Prüfung (2016) ergriffenen Maßnahmen.
Neuausrichtung der Abteilung für unerlaubten Geschäftsbetrieb, Marktmonitoring und Verbraucherkommunikation, d.h. die Einhaltung von Wohlverhaltensregeln i.S.d. Conduct-Aufsicht.
Schnittstelle zur neuen europäischen Geldwäschebehörde AMLA, im Sinne einer Vorbereitung der FMA auf die neue Aufsichtsarchitektur, das “Single Rule Book” (EU-AML-Verordnung) und Anpassung der eigenen Strategien, Strukturen und Prozesse zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der Rechtsvorschriften – in enger Kooperation mit anderen nationalen Behörden und den FIUs.
Im Fokus der FMA stehen die Integration der Sanktionsaufsicht in die FMA, die FATF-Prüfung und das neue EU-AML-Paket.
Shahanaz Müller | Deloitte Forensic
Technologischer Fortschritt, wie künstliche Intelligenz und Digitalisierung, fördert die Vernetzung der Finanzmärkte und ermöglicht neue Formen der datenbasierten Rundumsicht auf beaufsichtigte Institute. Daher legt die Finanzmarktaufsicht (FMA) im Jahr 2025 ihren Fokus auf das Thema „Data-Driven Supervision“. Den neuen Herausforderungen begegnet die FMA mit dem Einsatz leistungsstarker IT, integrierter und datenbasierter Aufsichtsmethoden sowie einer flexiblen Organisationsstruktur. Durch den Einsatz von SupTech – Supervisory Technology oder Aufsichtstechnologie – werden Datenvisualisierung, Risikomanagement und die Automatisierung von Aufsichtstätigkeiten optimiert. Dies führt zu effizienterer Ressourcennutzung und neuen Möglichkeiten zur Prüfung. Die Integration von Technologien wie APIs und KI ermöglicht konsistentes Meldewesen und präzise Datenanalysen.
Die zentralen Maßnahmen umfassen:
Umsetzung der IT-Strategie & Implementierung der Datenstrategie: Fokus auf moderne Kollaborationslösungen, Cloud-Technologien und optimierte Informationssicherheit.
Schaffung eines Innovation Labs: Test und Entwicklung von Technologien, wie künstlicher Intelligenz und Machine Learning.
Pilotprojekt 360-Grad-View Aufsichtstool & Agile Organisationsformen: Zur Schaffung einer modernen, automatisierten und integrierten Datenverwaltung.
In den kommenden Jahren wird die FMA die Modernisierung und Harmonisierung der Aufsichtstätigkeiten unter dem Titel „360-Grad-Aufsicht“ in den Mittelpunkt stellen. Ziel ist es, durch vollständige, aktuelle und übersichtliche Informationen eine Rundumsicht auf die Aufsichtsaktivitäten- und bereiche zu gewährleisten.
KI und Digitalisierung revolutionieren die Aufsichtstätigkeiten der FMA durch Data-Driven Supervision und Supervisory Technology. So werden auch Effizienz und Genauigkeit erheblich verbessert.
Georg Schwondra | Deloitte Cyber Risk