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Deloitte Future Talk - Folge 108

Zurück ins Büro – nur in welches?

Sei dabei, wenn wir Experten, Visionäre, erfolgreiche Unternehmer und Wirtschaftsführende aus der Schweiz und Deutschland zu den spannendsten Zukunftsthemen interviewen. In jeder Folge des Future Talks diskutieren wir über die neusten Trends aus der Unternehmenswelt rund um Technologie, Digitalisierung, Disruption, Innovation und Unternehmertum. Erfahre in unserem Podcast, welche Visionen diese Menschen haben, wie sie die Zukunft aktiv mitgestalten wollen und was das für uns alle genau bedeutet. Die Interviews werden abwechselnd geführt von Michael Grampp, Nicolai Andersen und Alexander Börsch.

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Michael: Die Lockdown Massnahmen werden zunehmend aufgehoben. Die Homeoffice Pflicht weicht einer Homeoffice Empfehlung. Der Weg zurück ins Büro wird aktuell in vielen Ländern wieder möglich. Die Frage ist nur: wohin zurück gehen wir eigentlich? Was ist die Funktion des Büros nach der Pandemie, in der viele erkannt haben, dass man auch von zu Hause aus ganz gut arbeiten kann? Wie wird das Büro der Zukunft von der Ausstattung her genau aussehen? Geht das Zeitalter der Einzelbüros und Schreibtische nun tatsächlich zu Ende? Wie wichtig werden andere Orte zum Arbeiten sein? Stichwort Remote Working. Das können die eigenen vier Wände sein, Co-Working Büros, umfunktionierte Hotels. Über diese Themen spreche ich mit Raphael Gilgen von Vitra. Vitra ist einer der weltweit führenden Möbeldesign Firmen, Familienunternehmen seit über 80 Jahren mit Hauptsitz bei Basel in der Schweiz. Vordenker, wenn es darum geht, wie die Arbeitswelt und auch die Arbeitsumgebung der Zukunft aussehen wird. Dich erwartet ein inspirierendes und informatives Gespräch.

Liebe Podcast-Freunde, ich grüsse euch heute aus Zürich. Am anderen Ende der Leitung, auf der Schweizer Seite bei Vitra, begrüsse ich Raphael Gilgen, Trendscout bei der Möbeldesign Firma Vitra. Rapha, herzlich Willkommen zum Future Talk!

Raphael: Hallo Michael, ich freue mich. Danke für die Einladung.

Michael: Rafa, wie wird man eigentlich Trendscout?

Raphael: Wie wird man eigentlich Trendscout. Bei mir war das ein Unfall. Diese Aufgabe gab es bei Vitra vor sieben Jahren nicht. Aber ich hatte so einen Wendepunkt und war davon überzeugt, dass es sowas braucht. Aber Zeit meines Lebens habe ich immer gerne in einer Zoom-Out-Perspektive verbracht. Also mir vorgestellt, wie wohl die Zukunft sein könnte im Kontext meiner täglichen Arbeit oder für meinen Kunden. Irgendwann habe ich dann daraus quasi einen Beruf gemacht.

Michael: So kam das eine zum anderen zusammen. Ich habe mich intensiv mit deiner Person beschäftigt. Du nennst dich zwar Trendscout, aber wäre nicht Trend-Wissenschaftler fast besser?

Raphael: Ja, aber da möchte ich wirklich den Wissenschaftlern nicht zu nahe treten. Du hast schon recht, der Gegenstand meiner Arbeit geht weniger in Richtung Trend, sondern wirklich im Verstehen von neuen kulturellen Kontexten. Weisst du, ein Wissenschaftler hat einen anderen Background, der hat studiert, der kann ganz andere Dinge abrufen. Das sind dann noch mal ganz andere Leute.

Michael: Aber du liest natürlich auch sehr viele Studien, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Zukunft der Arbeit. Das gehört dazu?

Raphael: Ja, das braucht es. Übrigens ein guter Hinweis an der Stelle. Ich habe heute nachgeschaut. Ich habe mein digitales Archiv im Internet, wenn man da bei Google «Raphaels Flipboard» eingibt, kommt man da drauf. Aktuell sind 2996 Artikel drin. Das heisst, ich werde diese Woche die 3.000er Artikelmarke reissen. Damit die überhaupt reinkommen, 3.000 Artikel Studien oder White Papers muss im Prinzip jeden Tag so im Schnitt 1,7 Artikel ablegen, in diesen vergangenen 6 1/2 Jahren.

Michael: Und natürlich auch lesen. Wie sieht denn so dein Arbeitsalltag aus? Also jetzt, wo es sich auch wieder ein bisschen normalisiert und du natürlich häufiger Unternehmen besuchst?

Raphael: Im Wesentlichen gibt es vier Aktionen und dieses unabhängig voneinander zeitlich verteilt. Search: Ich bin immer auf der Suche. Wenn ich Nachrichten höre, wenn ich lese, wenn ich Gespräche führe, dann ist es automatisch ein Teil meiner Recherche auf vier Ebenen. Kulturelle Aspekte, wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische. Das ist das eine: Search. Die zweite Ebene ist Find. Bedeutet dann hier, wirklich Fundstücke raus zu finden, aus denen ich nachher neue Kontexte mache. Dann eine dritte Ebene, die hat dann was mit der Interaktion mit Menschen zu tun. Das ist Connect. Vor der Pandemie bin ich ja sehr viel gereist, an fast 200 Tagen im Jahr durch die Welt. In diesem Context spreche und treffe ich Protagonisten, die für eine neue Zeit stehen. Also die im Prinzip Pate sind mit dem was sie tun, für eine Zeit, die vor uns liegt. Die letzte Ebene vier ist dann Create, das im Prinzip dann aus Search, Find und Connect etwas entsteht. Das kann sehr vielfältig sein. Was aber dann auch wirksam wird, also wirksam für einen Vitra-Kunden oder wirksam für Vitra nach innen und nach aussen.

Michael: Das fliesst dann entsprechend in eure Arbeit, Office Design, aber auch Büromöbel etc. Kommen wir später noch dazu. Du hast die Pandemie erwähnt. Die Pandemie und vor allem die verordneten Lockdown Massnahmen haben die Art und Weise, wie vor allen Büro und Wissensarbeiter ihren Arbeitsalltag gestalten, komplett auf den Kopf gestellt. Vor allem das Home-Office, das in vielen Unternehmen vorher noch verpönt war, wurde zur Normalität. Was viele Homeoffice Skeptiker dann überrascht hat, es klappte doch relativ gut. Das Homeoffice wird sich immer stärker zu einem Remote Working entwickeln. Ihr bei Vitra sprecht da auch von Distributed Work und Homeoffice ist ja nur ein Element davon. Aber dazu kommen wir gleich noch. Wie hast du diese Entwicklung, auch diesen Mindshift oder Kulturwandel bei Unternehmen in den letzten Monaten wahrgenommen?

Raphael: Also wenn man das so spontan zusammenfasst, dann kann man sagen, das ging so schnell und auf einmal ist es passiert. Also beeindruckend war ja, wie Unternehmen 3.000, 4.000, 5.000, 6.000 Menschen nach Hause geschickt haben und denen die Möglichkeit gegeben haben, dass es überhaupt stattfinden konnte. Du konntest ja keinen Rechner nichts mehr kaufen, es gab ja keinen Drucker und gar nichts mehr. Also das hat mich beeindruckt. Übrigens, wenn mich einer gefragt hätte, hätte ich gesagt: Niemals. Da bricht das Netzwerk zusammen und das schafft keine Firma. Da war ich überrascht. Das Zweite, dass das so geräuschlos ging, das hat mich auch überrascht. Da gab es ja nur ganz wenig Murren und auch Probleme. Also klar, mal im Netz, dann mit dem Home Schooling und so. Was mich dann aber auch beruhigt hat, war dann auch die Erkenntnis, dass irgendwann die Leute gesagt haben: So ist es gut. Ich habe ja zwischenzeitlich nach den Sommerferien letztes Jahr gedacht, das Büro ist verloren. Also man muss ja eins Mal beachten. Das Büro hat ja wirklich das Monopol auf Arbeit verloren, über Nacht. Das haben die Menschen begriffen und suchen alternative Orte. Das Spannende passiert ja jetzt, dass jeder physische Ort um die Gunst der Mitarbeiterin buhlt und sagt: Hier kannst du arbeiten. Das wird jetzt wirklich spannend zu beobachten sein.

Raphael: Also das sind dann wirklich jetzt die unterschiedlichen Orte. Es hat sehr viel immer um das Thema Homeoffice oder auf das Thema Homeoffice fokussiert, aber es geht darüber hinaus. Also es kann im Transit sein. Das heisst, ich kann im Zug genauso arbeiten wie im Co-Working Space oder in der Ferienwohnung. Oder in der Hotellobby.

Michael: Also gerade die Hotels, die es ja ziemlich stark getroffen hat bezüglich der Einschränkung beim Reiseverkehr. Hier in Zürich werden vereinzelt Hotels umgebaut in Büros, quasi Co-Working Spaces.

Raphael: Was jetzt wirklich spannend wird. Ich sag mal, ein Teil unserer Kundschaft würde ich ja wirklich so als die Spitze der Wissensarbeiter bezeichnet. Super qualifizierte Mitarbeiter, die dann für, ich sag mal, Branchen oder Themenführer arbeiten. Was ja interessant ist, viele von denen haben ja ein ansprechendes Zuhause, gehen in ihre Lieblingslokale essen, in einer ansprechenden Umgebung. Was jetzt aber keiner mehr akzeptieren wird, die werden nie mehr in diese Arbeitslager zurückkehren. Also bitte nicht falsch verstehen, aber in diese Schreibtischlager und Drehstuhllager, weil die Büros sehen ja stellenweise echt noch aus, wo ich sage: Oh mein Gott, was haben die Menschen im Büro getan, dass sie da arbeiten müssen. Das wird jetzt eine Kehrtwende werden. Deshalb ist auch jetzt auf einmal der Fight in dem Kontext der Attraktivität dieser Orte so stark. Es reicht eben nicht, die Diskussion zu führen: Wann kommst du ins Büro oder nicht? Sondern die grosse Frage ist: Warum überhaupt kommen die Menschen? Was ist der Anlass, dass die Menschen im Büro die Begegnung suchen?

Michael: Du bist jetzt beim Punkt Begegnung. Das heisst, Büros entwickeln sich wahrscheinlich stärker in Richtung Begegnungsstätten?

Raphael: Absolut.

Michael: Mehr Kooperationsräume und nicht mehr zum Abarbeiten von irgendwelchen Tasks. Das kann ich zu Hause, wo ich auch ungestörter bin, wahrscheinlich viel besser. Ein Punkt, der immer kommt, allerdings unterschiedlich beleuchtet von beiden Seiten, ist das Thema Produktivität. Es wird ja heiss diskutiert: Ist man denn zu Hause produktiver? Ja oder nein? Mir sind persönlich keine Studien oder exakte Berechnungen bekannt, die das wirklich mal gemessen haben. Es ist auch schwierig zu messen, aber Umfragen zeigen schon ein spannendes Bild. Wenn man Arbeitnehmer befragt, das haben wir vor zwei Monaten gemacht hier in der Schweiz, dann ist das Echo relativ eindeutig. Die Mehrheit glaubt, im Homeoffice produktiver schaffen zu können. Fragt man aber die Chefs, das heisst die andere Seite, ist es genau andersherum. Also hier haben wir die Selbsteinschätzung versus subjektiver Eindruck. Wie siehst du das so?

Raphael: Ich glaube in Summe der Einzelarbeit tut das überhaupt keinen Abbruch. Es ist ja eine Momentaufnahme. Ich habe heute einen Gastbeitrag abgegeben für das Handelsblatt über zwei Seiten, der erscheint in der zweiten Juniwoche und dort mit drei Thesen. Zweite These: Die Welt in 2031 ist permanent Beta für alle. Bedeutet, basiert auf Veränderung und permanenter Modifikation. Das kannst du de facto Zuhause nicht machen. Diese Art der Arbeit kannst du Zuhause nicht einsperren, dafür musst du mit anderen zusammenkommen. Eine andere These ist, die Welt in 2030 ist Kollaboration, und Cross Innovation. Und auch das wirst du Zuhause nicht machen können. Also in dieser Übergangszeit von Today to Tomorrow oder aus diesem Zoom in in Zoom out, glaube ich, funktioniert das mit dem Zuhause ganz gut. Aber wir müssen jetzt die nächsten 18 Monate nutzen, die Arbeitsorte der Unternehmen, wo quasi der Kern der Unternehmenstätigkeit ausgeführt wird, die fit zu machen für die neue Zeit. Die neue Zeit beinhaltet auf jeden Fall dieses Thema Beta und das Thema der Innovation.

Michael: Wie offen sind die Unternehmen schon dafür? Du führst viele Gespräche zu dem Thema. Also ist der Mindset wirklich, sagen wir mal auf Geschäftsleitungsebene, die ja sowas treiben, bereits da?

Raphael: Das ist ein guter Punkt Michael. Die Pandemie hat ja offensichtlich gezeigt, wo es an unserer Fitness mangelt. Ich nenne es jetzt einfach mal an der Fitness der Arbeitsarchitektur. Damit meine ich jetzt dieses How we work? Wie arbeiten wir eigentlich? In Gesprächen erlebe ich hier, da hat jetzt keiner grosse Augen und sagt: Das habe ich nie gehört. Die Herausforderung ist natürlich, die Gegenwart zu stemmen und gleichzeitig noch Zukunft zu gestalten. Diese Art einer neuen Ambidextrie, das kostet brutal viel Kraft. Wo die grösste Herausforderung liegt, ich sage den Unternehmer:innen auch immer, sie sind super Pilotinnen. Ich muss ihnen nicht das Fliegen beibringen, aber sie müssen lernen, Wetterkarten zu bauen für alternative Flugrouten. Sprich, Zukunft bedeutet, das ist Mehrzahl, das ist immer Plural, Zukünfte. Entwicklung bedeutet immer provozieren, entdecken, begreifen, verstehen. Und dann wieder ein Update zu machen. Das ist schwierig, weil es sehr umfassend ist.

Michael: Leadership ist ja hier auch immer ein ganz wichtiger Punkt. Das heisst, man kann natürlich viel, sag ich mal, von den Räumlichkeiten anpassen, wann die Leute kommen und gehen dürfen etc. Aber inwieweit hörst du bei deinen Gesprächen bereits raus, dass auch ein anderer Leadership Stil eigentlich notwendig ist, wenn ich Remote Workers führe? Also ich glaube, das ist die grösste Knacknuss wahrscheinlich, aber wie siehst du das?

Raphael: Guter Punkt. Wenn du sagst Rapha: Was ist gerade das dickste Brett? Wo wir am schnellsten ran müssen, dann ist das mit Sicherheit Leadership. Da ist ja eins passiert. Unternehmen haben einfach festgestellt, da gibt es Abteilungen, da lief es richtig gut. Und da gab es Abteilungen, da lief es irgendwie überhaupt nicht, obwohl die in der gleichen Firma sind, die gleiche IT-Ausstattung haben. Das hat natürlich was mit Leadership zu tun. Leadership bedeutet in der Zukunft viel mehr Orchestrating, also die Mannschaft, die Truppe, zu spüren, wie ein Orchester, wo es natürlich Regeln gibt und Notenhefte und eine Partitur, aber wo es aber auch darum geht, das Momentum aufzunehmen und situativ das Orchester zu führen. Hier merkte man natürlich, dass es halt Leader gibt, die schon immer per se eine gute Präsenz hatten, auch wenn sie nicht vor Ort waren, wo die räumliche Nähe überhaupt keine Rolle gespielt hat und die anderen deren Leadership Tools ausschliesslich auf Präsenz aufgebaut haben. Die haben jetzt Nachholbedarf, aber kann man alles lernen, ist das Internet gerade voll mit.

Michael: Ist auch die Frage, ob man das lernen will natürlich.

Raphael: Richtig. Mindset ist wichtiig.

Michael: Genau richtig. Was bedeutet denn diese neue Realität für eine Firma wie Vitra, die sich ja sehr intensiv noch mit dem Thema Design auseinandersetzt und natürlich auch Büromobiliar etc. Es gibt ja auch Prognosen, muss man immer vorsichtig sein, die davon ausgehen, die Büroflächen werden mittel- bis langfristig 20 bis 30 Prozent in den westlichen Industrieländern zurückgehen, gibt es aber auch andere Meinungen dazu. Wie seid ihr mit dieser Situation, die ja von heute auf morgen da war, umgegangen?

Raphael: Also ich sag mal in der Alarmphase, das heisst in den ersten Monaten der Pandemie, gab es unterschiedliche Ströme, die versucht haben zu erfassen, was bedeutet das eigentlich fürs Büro. Und das auch ohne Denkverbot. Also von sehr radikal bis, da geht keiner mehr rein, bis auf jeden Fall, um herauszufinden, was passiert da. Wir haben uns dazu ja zweimal geäussert in unseren ePapers. Die kann ich nach dem Gespräch noch teilen. Einmal mit dem Office letztes Jahr im Oktober und jetzt mit der letzten Session im Februar mit Distributed Work. Also eines ist für uns natürlich schon klar, auf der einen Seite, das Ecosystem ist grösser geworden neben dem Coworking Space und der Unternehmenszentrale, rückt das zu Hause noch auf unser Radar mit ansprechenden Produkten, aber auch die alternativen Orte, wie zum Hospitality Areas. Da gibt es auch jetzt von uns ein Update zum Alkoven, was wunderbar dazu passt, eine Lobby in einen, ich will mal sagen, sehr ansprechend funktionalen Coworking-Space zu verzaubern. Das ist so der eine Einblick, also diese Touchpoints. Der andere Blick beschäftigt sich damit, wie sich Arbeit generell verändert. wir glauben ja, wenn Orte konkurrieren, dann ist die Frage: Was machen Kraftorte aus? Kraftorte machen vor allen Dingen Vielfalt und eine gute Körpersprache aus, im Sinne der Architektursprache. Da stecken wir auch gerade die ganze Energie rein. Das Interessante ist, die ersten, die uns wieder besuchen, suchen genau das. Ich will nicht sagen, dass sie fast gelangweilt in eine altes Büro schauen. Aber Sie suchen genau nach diesen neuen Flächen für das Thema Zugehörigkeit, Verortung der Leute, aber auch die neuen Kollaborationsflächen. Wir eröffnen ja nächste Woche unser Club Office, also wo wir die komplette Idee unserer R&D-Architektur oder unsere Innovationsarchitektur umgebaut haben vom Insight to Impact und das Club Office ist quasi ein Teil davon. Das ist so wie die Grafikkarte im Supercomputer.

Michael: Wie offen werden dann die Büroräume? Man muss sich ja vorstellen, viele Unternehmen haben relativ grosse Büroflächen. Vielleicht braucht man weniger davon. Die Option ist natürlich, wenn ich nicht so schnell aus dem Mietvertrag komme, Flächen zu öffnen. Da hatten wir die Diskussion schon mal, als die ersten Co-Working Spaces kamen, wo dann Unternehmen sich überlegt haben: Okay, soll ich auch sowas machen? Kommt da ein stärkerer Push? Siehst du das?

Raphael: Ja, ich glaube, es gab ja schon eins, da war ich ja dann sehr positiv gestimmt. Zum Ende der 2010er Jahre haben die Büros, die dann an den Start gingen, überall auf der Welt eine hohe räumliche Qualität und die hatten auch eine räumliche Vielfalt. Die Vielfalt bleibt und steigt. Was jetzt dazu kommt ist, dass ja die virtuelle, also Distributed Work bedeutet, auch, dass Kollegen Teilhabe haben müssen, die eben nicht im Büro sind. Also wie kommt die virtuelle Welt in die physische Welt? Das ist neu. Das heisst, auf einmal gibt es Studioräume, bodennahe Monitore, ganz andere Kamerasysteme, die solche Meetings zulassen. Ich gehe auch davon aus, dass wir von offenen Räumlichkeiten, sehr offenen für eine grosse Teilhabe, die über eine Mikro-Architektur, wo einer selbst Hand anlegen kann, verändert werden kann, bis Elementen, die sich nie verändern, wie du wirst nie die Küchen-Cafeteria umbauen. Das ist so wie Daheim auch, das bleibt einfach so. Der Tisch irgendwann, du sagst, hier ist das und das alles passiert. Ich bin zum Beispiel jetzt hier in so einem Studioraum von dem wir halt Podcast-Sendungen machen können oder wie die Formate, ein grosses Angebot. Das hat es vorher nicht gegeben. Die Mitarbeiter:innen haben keinerlei Einschränkungen mehr, die finden den besten Ort für die beste Arbeit, die sie machen wollen.

Michael: Genau, das kann im Büro sein, aber dann auch entsprechend woanders. Du hast jetzt gerade schon den Bereich Technologie erwähnt. Ohne Technologie wäre ja die Entwicklung der letzten 18 Monate gar nicht möglich gewesen. Unzählige Business Tools, die uns beim Remote Working helfen. Du hast ja. glaube ich, auch eine Analyse mal gemacht und hast dann, irgendwie nach ein paar 100 Tools aufgehört zu zählen oder wie war das noch mal?

Raphael: Bei 700 haben wir aufgehört. Bei 700 Remote Worktools. Das war der Report Mapping the Remote Universe. 20. Juni, glaube ich, letztes Jahr, haben wir damit immer losgelegt. Da war ich auch mal platt. Was alles im Lines Spot dieser Work von Home Community, die es ja über viele Jahre schon gibt, was da entstanden ist. Jetzt so die Tools haben sich ja etabliert, die sind Teil unseres Lebens. Die nächsten grossen Tools, die jetzt kommen werden, übrigens ohne Technologie ging das überhaupt nicht, sind People Analytics Tools. Im Heise Magazin, im aktuellen, das geht auch zum Thema Zukunft der Arbeit. Ich werde auch den PDF-Artikel teilen mit dir danach zum Thema People Analytics Wir haben grosse Blind Spots. Je mehr wir agiler in so Art Working Squads kollaborativ arbeiten, je mehr muss das Thema Staffing oder auch Fragestellung ins Netz adressieren, wer beantwortet die, automatisiert gehen. Dazu dienen diese People Analytics Tools, wie StarMind zum Beispiel aus der Schweiz. Das, glaube ich, wenn eine Firma grösser wie 200 Leute ist, wirst du es auf Dauer gar nicht schaffen können ohne das. Davon verspreche ich mir sehr, sehr viel. Das ist auch die logische Konsequenz.

Michael: StarMinds haben wir hier auch bei Deloitte. Du hast ja im letzten Jahr sehr viel von deinem Bauernhof aus gearbeitet, in der Oberpfalz. Was war denn da für dich die wichtigste Erfahrung? Vor allen Dingen nachdem du vorher 200 Mal im Jahr unterwegs warst?

Raphael: Die wichtigste, dass ich es sehr gut mit meiner Familie aushalte. Das ist ja schon mal viel Wert. Es gibt ja andere Leute, die haben dann erst gemerkt, wen sie geheiratet haben oder welche Kinder sie grossgezogen haben. Das zweite ist, dass ich dann doch ein Mensch bin, der mit beiden Beinen fest am Boden steht. Also, dass auch diese sehr privilegierte Aufgabe, die ich habe und die tollen Menschen, die ich überall auf der Welt kennengelernt habe, dass ich dann trotzdem noch irgendwie geerdet bin und konnte auch mit der Situation einfach, die habe angenommen, habe dann mit der gelebt und habe dann ein sehr ehrliches Leben geführt. Das fiel mir natürlich leicht, weil das alle machen mussten. Also wenn ich jetzt der Einzige gewesen wäre, das wär natürlich nicht einfach gewesen. Das andere ist, ich hatte jüngst so eine Strecke im Mini Magazin, da habe ich quasi den Ruf betrachtet, als meine ISS, von der ich aus die Erde betrachte. Also dieser Schutzraum oder Schutzhof oder wie auch immer, der mir einfach dabei hilft, Gedanken zu sortieren, um mich dann wieder halt in so eine Art Labor oder Versuchsfeld zu geben. War sehr wahrscheinlich die beste Entscheidung vor 20 Jahren in meinem Leben, mit die beste Entscheidung, mich immer zu so einem Hof zu committen, der auch natürlich viel Arbeit bedeutet. Ich fahre nicht so auf den Urlaub wie andere oder da steckst du das Geld rein. Heute ist es für mich echt so ein Paradies.

Michael: Du hast, glaube ich, auch sehr schnell den technischen Upgrade gemacht, als du gemerkt hast, hoppla, wir sind länger im Homeoffice, wo ja alle noch Monate lang gebraucht haben, um zu realisieren, hoppla, ich müsste mal ein bisschen was ins Homeoffice investieren. Das ging sehr schnell und da konntest du auch sehr viel streamen und so weiter alles machen oder?

Raphael: Ja, ich habe, glaube ich, nach zwei Wochen Kamera, Mikro, Licht bestellt, mir zwei, drei Sachen angeschaut, wie andere es machen und war dann quasi bereit, auf Sendung zu gehen und musste auch dann die Erfahrung machen. Wie hast du eine Präsenz? Wie sprichst du in die Kamera? Welche Umgebung ist für die Leute gut? Müssen sich Folien verändern und das Ganze? Aber ehrlich gesagt, ich war es jetzt auch leid. Ich habe jetzt zehn Tage mich nicht vor die grosse Kamera gesetzt zu Hause und habe es alles mit dem Rechner, weil ich einfach jetzt mal weichgekocht war. Das war gut, so eine Pause zu machen.

Michael: Hast du aktuell ein Lieblingsbürogebäude, wo du sagst: Hey, das kommt ziemlich nahe ran an meine Idealvorstellung?

Raphael: Lieblingsbürogebäude? Ich finde diese Konstallation jetzt hier in dem Shedbau für die Entwicklung, wie das jetzt hier gelöst wurde von meinen Kollegen, von der Vitra IDS, das finde ich schon sehr gelungen. Auf so einer Masstab-Ebene performanter Mittelstand.

Michael: Lass uns mal kurz beschreiben. Ich weiss, das ist im Podcast immer schwierig, weil wir jetzt leider keine Bilder zeigen können. Wie können wir uns das vorstellen?

Raphael: Also stellt euch vor, die alte Produktentwicklung war eine Blackbox im wahrsten Sinne des Wortes. Da kam selbst ich nicht rein. Also hatte ich keinen Batch für. Wir haben aber gemerkt, das ist nicht gut für die Leute. Also es ist nicht gut für die Kolleginnen, das ist nicht gut für uns, das ist nicht gut für die Produkte. Dann war die Idee da in diesem Kontext, Exploration vom Inside to Impact. Dass Inside to Impact quasi eine Art Loop ist in der Produktentwicklung. Aber wie bildest du es räumlich ab? Heisst, auf der einen Seite haben wir Bereiche, die sind privat, wie unsere Werkstätten. Da kommt immer noch keiner rein, wo wir Prototypen bauen. Auf der anderen Seite sind wir public. Das heisst, vom Parkplatz gehst du hier auf die Terrasse und demnächst sitzen da die Kolleginnen, Kollegen, gehst im öffentlichen Bereich rein des Club Office und triffst dort Entwickler oder vielleicht einen Designer. Danach wird es semi public. Dann dürfen da nur noch Leute rein, wo du sagst, da gibt es eine Geschäftsbeziehung und dann kommt privat. In dieser Dimension von Inside to Impact, durch diese Öffnung kommen wir in einen ganz anderen Innovationsloop, der auch die Leute nicht mehr isoliert vom Markt. Ein Vertriebler hat natürlich viele Kontakte mit Kunden. Aber ein Entwickler? Wie soll der das machen? Der kann hier gar nicht so oft vor die Tür. Jetzt schaffen wir dieses Thema Social Learning Interaktion mit vielen Menschen, die nichts mit Produktentwicklung zu tun haben. Kunde, Partner, Interessierter oder Journalist sind. Durch dieses Öffnen versprechen wir uns sehr viel. Aber wenn ich jetzt überlege, Lieblingsbürogebäude?

Michael: Du hast, glaube ich, Amsterdam mal erwähnt in irgendeinem Vortrag, glaube ich.

Raphael: In Deutschland gehört mit Sicherheit immer noch dazu, das Gebäude von Alnatura, weil dieses Gebäude super zu dem kulturellen Framework von Alnatura passt. Ein Thema Fürsorge und Nachhaltigkeit, grösster Lehmbau Europas, Learning ist wichtig, hohe Sichtbarkeit hat etwas wie eine super schöne grosse Bibliothek einer Universität mit einer entsprechenden Grünanlage, also Indoor und Outdoor. Das finde ich sehr gelungen. Dann gefällt mir auch vom Raumerlebnis, obwohl es die auch echt gebeutelt hat, das Airbnb Headquarter, beide in den USA, weil man es da schafft, in den Kern des Geschäftsmodells oder die Wertschöpfungskette eins zu eins in diese Architektur zu integrieren. Dass die Leute sich fühlen wie ein guter Gastgeber, ein Airbnb Gastgeber und sich dieser Welt im Positiven nicht entziehen können. Zukünftig habe ich jetzt eins am Radar, das eine ist das neue Gebäude von DJI. Also drei Gebäude gehen jetzt an den Start. Einmal ist das DJI, die Robotik oder Drohnen Firma aus Shenzhen, Headquarter gebaut von Norman Forster, zwei Türme, die Verbindung haben über so einen grossen Tunnel, eine Brücke, wo auch die Drohnen fliegen. Dann geht an den Start von Google das neue Office. Google hatte ja jüngst veröffentlicht in unterschiedlichen Magazinen, wie die jetzt Distributed oder Remote Work sehen. Die beiden Gebäude hat Bjarke Ingels gebaut, unterhalb von Palo Alto, einmal auf dem Offet Field und einmal innerhalb von Palo Alto Charlson East und Bayside heissen die. Das wird sehr spannend zu sehen, wie man das da macht. Das letzte, was jetzt im Bau ist, ist das neue Headquarter von Alibaba. Hier hat das erste Mal eine Firma den Inhalt, ich sage immer, Hardware ist das Gebäude, Software ist das, was drinnen stattfindet. Man hat Domains definiert. Also Domains bedeutet, was findet dann statt? Dann steht da Research, Assembly, Education, Living, Recreation und diese Wort Domains gehen quer durch das Gebäude drüber. Dann denkst du dir: Mal ein ganz andere Approach, quasi über die Programmierung von Domains oder innerhalb von Domains sich dem Zweck eines Headquarters zu nähern.

Michael: Spannend. Ich habe noch eine Frage zu Büromöbel. Ich springe ein bisschen hin und her, aber unsere Zuhörer können dem gut folgen, das weiss ich. Sind eigentlich Büromöbel, die jetzt für das Homeoffice konzeptioniert werden, sind die anders als die normalen Büromöbel oder ist es das Gleiche, nur anders gelabelt?

Raphael: Nein, nein, die sind ja formal schon anders. Also es gibt ja unter den Bürodrehstühlen auch irgendwelche Maschinen, die jetzt keiner zu Hause stehen haben will. Also die werden auf jeden Fall anders, weil die quasi, wir sagen dazu, so transversal sind, ja mehrfach nutzen. Stell dir mal vor, du hast einen Stuhl in deinem Homeoffice und der hat auch so eine Qualität formal und auch vom Sitzkomfort, dass der auch an einem Esstisch stehen könnte, ohne dass du das merkst, dass das ein ergonomischer Drehstuhl ist. In die Richtung geht das. Oder dass ein Tischelement multifunktional wird. Du kannst auf einmal Arbeit verschwinden lassen, weil du wegklappst oder zuschiebst. Der Tisch macht sich auch noch gut am Abend, weil da liegt ein Buch drauf und irgendwie sieht der aus, als ob das immer schon dein kleiner Sekretär wäre. Also von der formalen Ästhetik auf jeden Fall. Wobei das Büro ja immer wohnlicher wurde. Ich kann mir auch nicht irgendwie so eine Steh-/Sitzmaschine zu Hause vorstellen, weiss nicht, es sei denn du hast ein Büro, was du dann abschliesst, dann ist es egal. Übrigens auch das ist ein Grund. Es gibt Arbeit, die möchte man am Abend nicht mehr sehen. Es gibt Arbeit, die macht sich auch gut, wenn sie am Küchentisch liegt, weil es, wenn du im Kreativberuf bist, das sieht immer gut aus, egal was du gerade machst, in welcher Phase.

Michael: Es gibt auch viele, die nicht einen extra Raum zur Verfügung haben für ihr Homeoffice. Da sind natürlich so Design Ideen, dass man Sachen verschwinden lassen kann, sehr gut. Rapha, Abschlussfrage: Wie glaubst du denn wird dein persönlicher Arbeitsplatz in zehn Jahren aussehen, vorausgesetzt du bist nicht schon pensioniert?

Raphael: Knapp davor, mit Abschlag dann. Wie wird der aussehen? Also Ich bin davon überzeugt, dass ich einen Arbeitsbereich haben werde, der so ein bisschen ist wie die ISS. Also ich könnte mir vorstellen, dass wir dann bei Vitra in einer Weiterentwicklung von R&D eine Art Modul haben. In dem Modul kann ich sehr, sehr viele Fragestellungen simulieren. Dass du im Prinzip über so einen Supercomputer Fragestellungen adressiert ist und der visualisiert dann Räumlichkeiten, der visualisiert Narrative, die du ihm quasi erzählst und darüber entwickelst oder machst Research und findest es raus. Das ist das eine, was sehr anders ist zum Heute natürlich, weil er halt keinerlei Beschränkungen mehr hat und auch ein Gefühl von Raum und Zeit im Prinzip dann auflöst. Ich glaube, es gibt immer noch so Ur-Kraftorte wie unseren Vitra Campus. Vielleicht gibt es ja mittlerweile dann in zehn Jahren ein neues Gebäude da drauf oder ein neues Etwas, was kein Gebäude ist, wo man sagt, das ist kein Gebäude. Es ist aber eins. Der einfach uns Mensch in unseren Urbedürfnis komplett abholt und uns immer wieder daran erinnert, dass wir eines von vielen Wesen auf diesem Planeten sind. Was uns dann im Leben, ich will nicht sagen wirklich Freude macht, aber wahre Freude bereitet.

Michael: Schönes Schlusswort, lieber Rapha. Vielen Dank für deine Zeit, für das spannende und informative Gespräch. Wir werden einige Sachen in den Shownotes verlinken, zu Vitra, zu den White Papers. Vielen Dank. Mach es gut. Privat und beruflich nur das Beste. Danke Dir.

Raphael: Danke auch. Ade. Tschüss.

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