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Supply Chain Pulse Check Vertiefungsanalyse

Wie abhängig ist Deutschland von kritischen Rohstoffen?

Angesichts geopolitischer Risiken und internationaler Handelskonflikte gewinnt die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Vorprodukten zunehmend an Bedeutung. Die Versorgung unter anderem mit Bauteilen und Bauteilgruppen sowie damit verbundene Kosten sind zentrale Herausforderungen für die Industrie-Unternehmen in Deutschland, wie der Supply Chain Pulse Check deutlich macht. Eine aktuelle Deloitte-Analyse zeigt die Abhängigkeiten der Industrie bei wesentlichen Rohstoffen und Vorprodukten auf, auch mit Blick auf die Risiken in den Herkunftsländern und entlang der Lieferkette.

Zentrale Ergebnisse der Studie im Überblick

• Bei den Importen von Lithium/Lithium-Ionen-Akkumulatoren bestehen hohe Klumpenrisiken mit starken Abhängigkeiten von Chile und China

Deutschland bezieht aktuell mehr als 70 Prozent der Lithiumimporte aus nur zwei Ländern: Chile und China. Bei den Lithium-Ionen-Akkumulatoren ist China mit 41 Prozent wichtigstes Importland; allerdings werden schon fast 50 Prozent aus Osteuropa importiert (u.a. Polen, Ungarn, Tschechien). Zusätzlich zu diesen Importabhängigkeiten wird die hohe Gesamtexponierung Deutschlands bei mehr als der Hälfte der Top-5-Importländer von Lithium und Lithium-Ionen-Akkumulatoren durch erhöhte Länderrisiken verschärft.


• Bei den Siliziumimporten gibt es weniger geopolitische Risiken, bei Halbleitern belasten hohe Länderrisiken in Asien

Gut drei Viertel des importierten Siliziums stammen aus Europa und beinhalten damit deutlich geringere geopolitische und Transportrisiken. Sollten zukünftig mehr Halbleiter in Deutschland und Europa produziert werden, könnte aber die Abhängigkeit vom weltweit größten Siliziumexporteur China zunehmen. Die Top-5-Importländer für Halbleiter liegen alle in Asien und weisen erhöhte Länderrisiken auf (Taiwan, Malaysia, China, Philippinen und Thailand).
 

• Beim Import von Kobalt und Kobaltmatten bestehen ungenutzte Potenziale bei alten und neuen Importländern

Deutschland setzt beim Import von Kobalt und Kobaltmatten stark auf Länder, die als Zwischenhändler fungieren und tiefere Risiken aufweisen. Die Demokratische Republik Kongo als wichtigstes Land für die Bergwerksförderung, die Weiterverarbeitung und den Handel von Kobalt spielt nur eine untergeordnete Rolle. Derzeit importiert Deutschland kein Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo. Das erhöhte Länderrisiko spielt dabei sicherlich eine Rolle.


Zusammenfassung der Stressszenarien


Szenario 1: China und Taiwan fallen als Lieferanten aus

Ein Ausfall beider Länder aufgrund eines möglichen China/Taiwan-Konflikts würde 24 Prozent der deutschen Lithiumimporte, 41 Prozent der Importe von Lithium-Ionen-Akkumulatoren und 33 Prozent der Halbleiterimporte betreffen. Im Extremfall müssten größere Teile der deutschen Industrie-Produktion aufgrund der geringeren Verfügbarkeit dieser Vorprodukte eingestellt werden. Siliziumimporte sollten in diesem Szenario aber praktisch nicht und Kobaltmatten nur zu fünf Prozent betroffen sein.


Szenario 2: China, Taiwan und Südostasien fallen als sichere Importländer komplett aus

Im Falle einer Ausweitung des China/Taiwan-Konflikts auf Anrainerstaaten und möglichen, daraus resultierenden Produktions- und Lieferunterbrechungen wären zusätzlich zu Szenario 1 weitere sechs Prozent der deutschen Importe von Lithium-Ionen-Akkumulatoren und weitere 40 Prozent der Halbleiterimporte betroffen.


Szenario 3: Weitere Verschärfung und Ausfall sämtlicher BRICS-Staaten

Eine weitere Verschärfung und ein zusätzlicher Ausfall sämtlicher mit China wirtschaftlich verbundener BRICS-Staaten würde keine wesentlichen Importanteile von Lithium, Lithium-Ionen-Akkumulatoren und Halbleitern betreffen, jedoch 15 Prozent der deutschen Siliziumimporte und weitere 11 Prozent der Importe von Kobaltmatten.

Die individuelle Analyse der Wertschöpfungsketten kann aufzeigen, bei welchen Rohstoffen und Vorprodukten eine Diversifizierung der Importländer notwendig ist.

 

Eine resiliente Strategie sollte neben optimierten Rohstoffpartnerschaften stets auch das Potenzial einer erhöhten Zirkularität berücksichtigen.
Dr. Jürgen Sandau, Partner und Lead Supply Chain & Network Operations. 

 

Supply Chain Pulse Check Vertiefungsanalyse

Importauswirkung der drei Stressszenarien (Importanteile in %)

Über die Studie

Für diese Spezialausgabe des Supply Chain Pulse Check wurde die Gesamtexponierung Deutschlands und seiner Industrie für die folgenden drei Rohstoffe und daraus erzeugte Vorprodukte analysiert: Lithium/Lithium-Ionen-Akkumulatoren, Silizium/Halbleiter und Kobalt/Kobaltmatten. Sie wurden für die Analyse ausgewählt, weil sie als kritisch eingestuft werden und mit hohen Beschaffungsrisiken verbunden sind. Andererseits weisen sie eine sehr hohe Importabhängigkeit auf und fließen in viele Industriegüter ein, die in Deutschland hergestellt werden. Um die Gesamtbewertung der drei Rohstoffe und Vorprodukte sowie die Gesamtexponierung, Importtrends und Risiken zu errechnen, wurden die Länderkonzentrationen der deutschen Importe mit den Risiken der einzelnen Importländer kombiniert. Als Basis dienten offizielle Daten von statistischen Ämtern und verschiedenen Risk-Agenturen, die miteinander verknüpft wurden.

Laden Sie die Supply Chain Pulse Check Vertiefungsanalyse herunter, um weitere Informationen zu erhalten.

Vorherige Ausgaben

Supply Chain Pulse Check Herbst 2023
Wertschöpfung im Wandel – Standort zunehmend unter Druck
Deutsche Ausgabe | English Version
 

Supply Chain Pulse Check Frühjahr 2023
Neue Risiken für die Lieferkette und den Standort Deutschland 
Deutsche Ausgabe | English Version 

Future Talk Podcast Episode 178: Trends im Welthandel: Herausforderungen in der heutigen Globalisierung

In dieser Folge erkunden wir die aktuellen Entwicklungen im globalen Handel. Wir unterhalten uns darüber, warum Protektionismus zunimmt und wie sich die Lieferketten verändern. Wir werfen einen Blick auf die zukünftigen Treiber des Welt­han­dels und welche Rolle KI und digitale Dienstleistungen dabei spielen. Unser Gast zu diesem Thema ist Prof. Ralph Ossa, er ist Chefökonom an der Welthandelsorganisation in Genf und Professor für internationalen Handel an der Universität Zürich.

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