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"Aus Angst vor Stigmatisierung halten sich viele Menschen mit ihrer Behinderung bedeckt und dadurch entsteht der Eindruck, dass behinderte Menschen in einer Parallelgesellschaft leben. Durch mehr Sichtbarkeit und Sensibilisierung wollen wir Vorurteile beseitigen."

Amrit ist Teil der Deloitte Initiative „VisAbility“ und berichtet über ihr Engagement und was für sie Inklusion auf Augenhöhe im Arbeitsumfeld bedeutet.

Hallo, ich bin Amrit, Senior Consultant im Bereich Financial Risk innerhalb von Risk Advisory, und ich bin Teil der Deloitte-Initiative „VisAbility“.
Mit der Initiative möchten wir mehr Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt erreichen und ganz konkret auch innerhalb von Deloitte. Wir wollen helfen, Unsicherheit und Berührungsängste abzubauen. Was uns dabei besonders wichtig ist, erzähle ich hier. 

Was genau steckt hinter der Initiative „VisAbility“ und wofür engagiert ihr euch konkret?
VisAbility steht für „Visibility for Disability“. Wir wollen damit Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt und insbesondere bei Deloitte mehr Sichtbarkeit verschaffen und zum Disability Mainstreaming beitragen. Entsprechend wollen wir einen Perspektivwechsel von Integration zu Inklusion fördern, sodass Prozesse und Strukturen von Anfang an und ohne Anpassungen für alle zugänglich sind. Die meisten Menschen kennen niemanden mit einer Behinderung. Dies verursacht häufig Unsicherheit und Berührungsängste und wirft zum Beispiel folgende Fragen auf: Wie gehe ich mit einem Menschen mit Behinderung um? Kann eine behinderte Person dies oder jenes? Aus Angst vor Stigmatisierung halten sich viele mit ihrer Behinderung bedeckt und da viele Behinderungen nur bedingt oder gar nicht sichtbar sind, entsteht der Eindruck, dass behinderte Menschen in einer Parallelgesellschaft leben. Durch mehr Sichtbarkeit und Sensibilisierung wollen wir Vorurteile beseitigen und Begegnungen auf Augenhöhe ermöglichen.

Wieso ist es deiner Meinung nach besonders wichtig, sich genau dafür zu engagieren und die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen?
Wenn wir von Menschen mit Behinderungen sprechen, kommt meist erst die Behinderung und dann der Mensch in den Sinn. Wenn die Vorstellungskraft fehlt, finden häufig Generalisierungen darüber statt, was Menschen mit einer bestimmten Behinderungsart können oder nicht können. Aber jede Behinderung ist verschieden, selbst in demselben Behinderungsspektrum bestehen unterschiedliche Herausforderungen oder Barrieren. So herrschen einige Klischees vor – zum Beispiel Menschen mit Behinderung seien grundsätzlich hilfsbedürftig, litten an ihrer Behinderung oder könnten kein eigenständiges oder glückliches Leben führen. Im Arbeitskontext ist es fatal, wenn der Unconcious Bias besteht, dass Menschen mit Behinderung nicht leistungsfähig seien. Zudem ist es wichtig, sich bewusst zu machen, wann eine tatsächliche Einschränkung entsteht: Man IST nicht grundsätzlich behindert, sondern WIRD behindert. Die Einschränkungen entstehen also erst durch das Umfeld. Ein simples Beispiel: Wenn jemand ein Dokument in Schriftgröße 10 erstellt, weil er oder sie es für eine angenehme oder gängige Schriftgröße hält, wird es für mich beispielsweise erst in ausgedruckter Form zur Barriere, da ich es nicht ohne Aufwand eigenständig vergrößern kann.

Aus Angst vor Stigmatisierung halten sich viele Menschen mit ihrer Behinderung bedeckt und dadurch entsteht der Eindruck, dass behinderte Menschen in einer Parallelgesellschaft leben. Durch mehr Sichtbarkeit und Sensibilisierung wollen wir Vorurteile beseitigen. 

Wieso ist es für dich persönlich auch ein besonderes Anliegen?
Ich habe selbst seit meiner Geburt eine Sehbehinderung und musste in der Vergangenheit schon öfter Dinge erst unter Beweis stellen, bevor diese mir zugetraut wurden, während andere einen Vertrauensvorschuss bekommen haben. Nun möchte ich anderen zeigen, dass man trotz einer Behinderung im Job erfolgreich sein kann und wie Inklusion mit praktischem Bezug wirklich gelebt werden kann.

Welche Rolle hast du genau in der Initiative und was sind dabei deine Aufgaben?
Durch personelle Veränderung habe ich kürzlich den Co-Lead der Initiative übernommen, sodass ich unsere Aktivitäten koordiniere und mit verschiedenen Stakeholdern abstimme.

Welche Aktivitäten wurden schon durchgeführt oder stehen in naher Zukunft an, um euer Ziel zu erreichen?
Wir sind aktuell dabei, das Netzwerk aus Community, Allies und Stakeholdern weiter auszubauen, sodass ein gegenseitiger Austausch und ein offener Dialog entstehen können. Zudem haben wir im Januar zusammen mit einer externen Partnerorganisation mit verschiedenen Stakeholdern einen Workshop zur inklusiven Sprache durchgeführt. Neben einer Panel-Diskussion zum Stand der Inklusion von Menschen mit Behinderung bei Deloitte ist ein gezieltes Recruiting-Event für Menschen mit Behinderung geplant.

Was möchtest du allen Menschen mit auf den Weg geben, wenn es um das Thema „Disability“ im Arbeits- und Karrierekontext geht? Was braucht es deiner Meinung nach von jedem Einzelnen, um hier einen großen Schritt in die richtige Richtung zu machen?
Erstens: Keine Annahmen treffen, zweitens: erst der Mensch – dann die Behinderung und drittens: Kommunikation!

Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie man blind am Computer arbeiten, ohne Arme selbstständig essen oder mit einer Hörbehinderung telefonieren kann. Aber stellt euch vor – es funktioniert tatsächlich! Die meisten Menschen mit Behinderung haben zahlreiche Kompensationsmechanismen, mit denen sie den täglichen Barrieren begegnen. Entsprechend weiß eine behinderte Person selbst am besten über ihre eigene Behinderung Bescheid und es liegt nicht an anderen zu entscheiden, was diese Person kann oder was nicht.

Seht bitte erst den Menschen als Individuum und reduziert ihn nicht auf seine Behinderung. Wenn wir beispielsweise von einem „Rollstuhlfahrer“ sprechen, signalisiert dies, dass die betreffende Person in erster Linie an den Rollstuhl „gefesselt“ ist. Das hauptsächliche Charakterisierungsmerkmal ist somit das Hilfsmittel und lässt den Menschen an sich in den Hintergrund rücken.

Bitte versucht nicht krampfhaft, eine Behinderung zu überspielen oder komplett zu ignorieren, weil ihr Angst habt, eventuell falsch zu reagieren. Falls ihr Fragen habt, sprecht direkt mit der jeweiligen Person. Offene und ehrliche Kommunikation ist hier der Schlüssel!