München, 08. Dezember 2022 — Akute Krisen lassen langfristige Vorsorge in den Hintergrund rücken? Die neue Deloitte-Studie zur betrieblichen Altersvorsorge stellt das Gegenteil fest: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten ihre Altersvorsorge aufgrund der Entwicklungen um den Ukraine-Krieg für wichtiger als zuvor. Eine Mehrheit von 61 Prozent befürchtet Einbußen bei ihrer Altersversorgung. Damit beurteilten die Befragten den Einfluss des Ukraine-Krieges merklich negativer als die COVID-19-Pandemie der vergangenen beiden Jahre. In der letztjährigen Befragung gaben 39 Prozent an, Verluste bei ihrer Altersversorgung aufgrund von COVID-19 zu befürchten.
Im Rahmen der sechsten Ausgabe der Deloitte-Studie zur betrieblichen Altersvorsorge aus Arbeitnehmersicht wurden im Sommer 2022 bei einer repräsentativen Umfrage die Kenntnisse, Erwartungen und Wünsche von 2.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten erhoben. Die jährliche Durchführung der Studie seit 2017 lässt interessante Trends wie auch langfristige Entwicklungen in der bAV erkennen.
Stellenwert der bAV steigt
Die diesjährige Deloitte-Studie zeigt: Das Interesse an betrieblicher Altersversorgung wächst. In den vorangegangenen zwölf Monaten haben sich 42 Prozent der Befragten mit dem Thema beschäftigt. 2021 war das bei nur 29 Prozent der Fall. Zudem wird die bAV mittlerweile mit Abstand als häufigste zusätzliche Sparmaßnahme zur gesetzlichen Rentenversicherung genannt. Damit hat sie sich in den vergangenen drei Jahren gegen das Sparbuch, Immobilien und die Riesterrente durchgesetzt. Nach einem Rückgang in den vorherigen Jahren erreicht die arbeitgeberfinanzierte bAV 2022 einen neuen Höchststand (50%). Dennoch bleibt viel Potenzial ungenutzt: Die andere Hälfte der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhält weiterhin keine Unterstützung ihres Arbeitgebers.
„Der Stellenwert der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland hat im Vergleich zum Vorjahr – aber auch im Langzeittrend – substanziell zugenommen. Mehr als die Hälfte unserer Befragten nannten sie als wichtiges Kriterium für einen Jobwechsel. Unternehmen können auf diese Entwicklung reagieren und in Zeiten des Fachkräftemangels mit ihrem bAV-Angebot punkten“, so Peter Devlin, Partner und Leiter des Fachbereichs Benefits & Compensation bei Deloitte.
Betriebsrentenstärkungsgesetz zeigt offenbar Wirkung
Über die Wirksamkeit des 2019 in Kraft getretenen Betriebsrentenstärkungsgesetzes wird in der bAV-Branche viel diskutiert. Die Deloitte-Studie veranschaulicht nun: Die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern selbst finanzierte betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung) nimmt deutlich zu. In der Studie gaben 47 Prozent der Befragten an, eigene Beiträge aus ihrem Bruttoeinkommen in eine betriebliche Altersversorgung einzuzahlen. Dieser Wert hat sich innerhalb von drei Jahren mehr als verdoppelt (vgl. bAV-Studie 2019: 22%). Andererseits nehmen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach wie vor nicht an der Entgeltumwandlung teil. Das betrifft in besonderem Maß unterdurchschnittliche Einkommensklassen. Hier sind es sogar 70 Prozent.
Ein Zusammenhang der Zunahme mit den verbesserten Rahmenbedingungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist naheliegend – auch, weil die Studienserie zur bAV belegt, dass der Zuschuss des Arbeitgebers seit Jahren einen hohen Motivationsfaktor für Mitarbeitende darstellt. 42 Prozent der Befragten geben in der aktuellen Studie an, dass die Bezuschussung das ausschlaggebende Argument war, an der Entgeltumwandlung teilzunehmen.
„Die diesjährige Bestätigung des Aufwärtstrends in der Entgeltumwandlung spricht sehr für den Erfolg des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Eine bemerkenswerte Entwicklung in der Kürze der Zeit und gleichzeitig ein Zeichen in den bAV-Markt: Attraktive Angebote werden auch genutzt“, ordnet Jens Denfeld, Senior Manager im Bereich Human Capital und Mitglied der Deloitte Pension Experts, ein.
Arbeitgeber sollten besser kommunizieren
Trotz dieser positiven Entwicklungen bleiben altbekannte Problemfelder der betrieblichen Altersversorgung bestehen. Weiterhin kennen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlicht kein Angebot ihres Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung – sei es, weil es keines gibt oder ein vorhandenes Angebot nicht hinreichend kommuniziert wird. Nur ein gutes Drittel der Befragten (36%) fühlt sich ausreichend und verlässlich informiert.
Auch bezüglich der gesetzlichen Versorgungsleistungen herrscht Unwissenheit: Viele junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter 30 Jahren kennen ihre künftigen Leistungen aus dem Rentenbescheid gar nicht (28%). Und nur ein gutes Drittel der Befragten über 50 hat eine genaue Vorstellung von ihrer gesetzlichen Rente – viel zu wenig, um die Eigenvorsorge auf eine valide Basis zu stellen. Konstant gehen fast drei Viertel jedoch davon aus, dass die Leistungen aus der gesetzlichen Rente kein ausreichendes Alterseinkommen sichern werden. Interessanterweise ist unter denjenigen Befragten, die angeben, sie hätten eine Vorstellung von der Leistung, dieser Anteil geringer (60%). Umgekehrt mutmaßen diejenigen, die angeben, kein Wissen über die Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu haben, zu 88 Prozent, im Ruhestand nicht ausreichend versorgt zu sein.
„Die Studie zeigt, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit betrieblicher Altersversorgung, auch finanziert durch Entgeltumwandlung, wächst. Zur weiteren Unterstützung dieses Trends sind vor dem Hintergrund der aktuellen ökonomischen Situation flexible und pragmatische Lösungen gemeinsam mit Arbeitgebern und Produktanbietern wünschenswert“, schließt Dr. Klaus Friedrich, Director bei Deloitte und Mitglied der Deloitte Pension Experts.
Die vollständige Studie zum Download finden Sie hier.
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