Mit Erkenntnis vom 28.6.2022 hat der VwGH über die Frage der Einkünftezurechnung bei Wertpapierkäufen rund um den Dividendenstichtag abgesprochen (VwGH vom 28.6.2022, Ro 2022/13/0002; die FSI Tax News 3/2022 berichteten). Der VwGH hat hierbei zu der streitgegenständlichen Beantragung einer (Dividenden-) KESt-Erstattung durch eine in Österreich beschränkt steuerpflichtige Revisionswerberin festgestellt, dass aus abgabenrechtlicher Sicht (nur) der/diejenige Zurechnungssubjekt von Dividenden sein kann, der/die bereits im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist. Erwirbt ein:e Investor:in mit der Aktie einen bereits bestehenden Dividendenanspruch („Cum-Erwerb“), so hat er/sie keinen KESt-Erstattungsanspruch. Das BMF hat dieser Judikatur mit Informationsschreiben vom 15.11.2022 Rechnung getragen. Im Rahmen des jüngst veröffentlichten Ministerialentwurfs des AbgÄG 2023 fokussiert der Gesetzgeber nunmehr auf den Zeitpunkt des Zuflusses bzw den „Record-Tag“ und stellt weitere Anforderungen an die KESt-Erstattung und Anrechnung.
With its decision dated 28 June 2022, the VwGH (Austrian Administrative High Court) has decided on the issue of income allocation in connection with securities purchases around the dividend record date (Ro 2022/13/0002; FSI Tax News 3/2022 reported). The VwGH determined that the entitlement to refund of Austrian WHT is only given in case the applicant was the beneficial owner of the shares at the time the decision for the profit distribution was taken. If an investor acquires shares with existing dividend entitlement (“cum-acquisition”), he/she is not entitled to a WHT refund. The Austrian Ministry of Finance (BMF) has taken this into account in its information letter dated 15 November 2022. By way of most recent draft legislation (Ministerialentwurf AbgÄG 2023), however, the Austrian legislator now focuses on financial inflow and record-date and introduces further requirements for the refund and credit of Austrian WHT.
Nach Ansicht des VwGH kann ein:e Aktionär:in, der/die im Zuge der Wertpapiertransaktion auch einen bereits bestehenden Dividendenanspruch aus der Aktie erwirbt, nicht Zurechnungssubjekt für jene Einkünfte sein, die bereits vorher, bei dem/der Altaktionär:in, originär zum Entstehen dieses Dividendenanspruchs geführt haben. Die vermögensrechtliche Forderung auf die Ausschüttung entsteht im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses der Hauptversammlung. Die Erstattung der Kapitalertragsteuer setzt aber zwingend die ertragsteuerliche Zurechnung der betreffenden Kapitalerträge voraus. Ein KESt-Erstattungsanspruch des Forderungskäufers (Cum-Erwerbers) ist somit ausgeschlossen.
Mit Informationsschreiben vom 15.11.2022 (BMF-IV/6 (IV/6), GZ 2022-0.816.735 „Information zur Einbehaltung und Rückerstattung der KESt auf Dividenden von börsenotierten Aktiengesellschaften an beschränkt Steuerpflichtige“) hat sich das BMF der Ansicht des VwGH angeschlossen. Dies bedingt im Hinblick auf verbriefte und depotverwahrte Wertpapiere eine Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis, war doch bislang für den KESt-Erstattungsanspruch des Wertpapierkäufers eine Depoteinlieferung bis längstens am letzten Tag vor dem “Ex-Tag“ hinreichend. Ausschlaggebend für die KESt-Erstattungsberechtigung war sohin bislang der Depotbestand an jenem Tag, an dem nach den Börsenusancen die Aktie letztmalig mit Dividendenanspruch (Cum-Dividende) gehandelt wurde (letzter „Cum-Tag“; die tatsächliche Zuweisung einer Ausschüttung im Rahmen der Wertpapierabwicklung erfolgt sonach am Ende des sogenannten „record-date“, dh dem ersten Bankarbeitstag nach dem „Ex-Tag“). Mit aktueller Rechtsauslegung muss hingegen der Wertpapierkäufer bereits am Tag der Beschlussfassung (Gewinnverteilungsbeschluss), also vor Entstehen der Dividendenforderung, wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien sein, will er erfolgreich eine KESt-Erstattung begehren. Im Falle verbriefter und depotverwahrter Wertpapiere ist somit nach Ansicht des BMF die Depoteinlieferung bis spätestens am Ende des Vortages der Hauptversammlung (HV minus 1) zwingend. Dies schließt wie dargelegt einen Erstattungsanspruch des Cum-Erwerbers aus.
Das Abstellen auf den Beschlussstichtag stellt eine durchaus gravierende Änderung dar. Zurecht wird in der Literatur angeführt, dass hierdurch im Ergebnis bei Geschäften rund um den Dividendenstichtag die Einkünftezurechnung und der faktische Dividendenbezug fast notwendigerweise auseinanderfallen. Nach BMF-Ansicht ist hierbei der Depotbestand zum relevanten Zeitpunkt (vor dem Beschlusstag) essenziell für die Nachweisführung der Erstattungsberechtigung, nicht jedoch der Nachweis des Dividendeneingangs (Tax Voucher); ein Cum-Veräußerer (Veräußerung der Aktien nach der Hauptversammlung) ist sonach erstattungsberechtigt. Weiterhin steht es dem/der Aktionär:in zu, im Einzelfall wirtschaftliches Eigentum gesondert nachzuweisen, wenn aufgrund von Problemen der technischen Abwicklung der Depoteinlieferung weder Veräußerer noch Erwerber eine Rückerstattung erwirken könnten.
Neben der dargelegten generellen Fragestellung der Identifizierung des Anspruchsberechtigten beinhaltet die genannte BMF-Information auch weitere Aussagen zur Anforderung an die Nachweisführung und zur technischen Abwicklung der KESt-Erstattung. Festgehalten wird, dass iSd geänderten Ansicht auch für Altbescheide einer Änderung nach Maßgabe verfahrensrechtlicher Möglichkeiten und mit Verweis auf die Ermessensübung denkbar wäre.
Explizit weist das BMF zudem darauf hin, dass die Aussagen zum wirtschaftlichen Eigentum künftig nicht nur für KESt-Erstattungsverfahren, sondern auch für die mögliche Entlastung an der Quelle (und widrigenfalls deren Haftungsinanspruchnahme) bzw generell im Ertragsteuerrecht zu berücksichtigen sein werden. Des Weiteren bleiben weiterhin auch allgemeine Missbrauchsregelungen des nationalen und internationalen Steuerrechts anwendbar.
Wohl nicht zuletzt in Reaktion auf die in der Literatur geäußerten Bedenken ob des Konfliktpotenzials des abgeänderten relevanten Stichtags für die Einkünftezurechnung, fokussiert der Gesetzgeber im Rahmen des jüngst veröffentlichten Ministerialentwurfs des AbgÄG 2023 nunmehr grundsätzlich auf Zufluss bzw - bei zentralverwahrten Aktien - den Record-Tag. Zudem definiert der Gesetzesentwurf bei zeitnahen Übertragungen zum Record-Date neue zusätzliche Anforderungen an die KESt-Erstattung und Anrechnung im Hinblick auf wirtschaftliches Risiko und Mindestbehaltedauer. Die gesetzliche Entwicklung bleibt abzuwarten.
Im Hinblick auf die durch Judikatur und geänderte Verwaltungspraxis den (professionellen) Marktteilnehmer:innen und der Branche entstehenden praktischen Herausforderungen sollen nunmehr Änderungen der gesetzlichen Grundlagen folgen. Abzuwarten bleibt, ob das avisierte Abstellen auf Zufluss bzw Record-Tag in Verbindung mit neuen zusätzlichen Anforderungen an Risikotragung und Mindestbehaltedauer für zentralverwahrte Aktien bislang erwartete Friktionen aufgrund divergierender Marktprinzipien beseitigen wird können.