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RV zum AbgÄG 2022: Verfahrensrechtliche Highlights

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Überblick


Das BMF hat vor kurzem die RV zum Abgabenänderungsgesetz 2022 (AbgÄG 2022) veröffentlicht. Die Vorlage sieht unter anderem die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben in das nationale Recht, die Schaffung eines internationalen Instruments, welches eine gemeinsame Bewertung grenzüberschreitender Besteuerungsrisiken durch mehrere betroffene Finanzverwaltungen ermöglichen soll sowie Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung vor. Nachfolgend werden die wichtigsten geplanten abgabenverfahrensrechtlichen Änderungen dargestellt.


Zulassung von „Online-Meetings“ im Abgabenverfahren - § 48j BAO


Die durch die COVID-19-Pandemie (befristet) eingeführte Möglichkeit, Amtshandlungen (etwa mündliche Verhandlungen, Erörterungstermine, (Schluss-)Besprechungen, Nachschauen und Außenprüfungen) unter Verwendung geeigneter technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (zB Zoom, MS Teams) abzuhalten, wird nun unbefristet in die BAO übernommen. Auf die Durchführung einer Amtshandlung unter Verwendung solcher Einrichtungen besteht jedoch kein Rechtsanspruch, vielmehr liegt es ausschließlich im Ermessen der Behörde, diese anzubieten. Die Abgabenbehörden haben jedenfalls die Parteien aufzufordern, bekanntzugeben, ob ihnen solche technischen Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung zur Verfügung stehen. Falls dies nicht der Fall ist, können die Parteien beantragen, dass die Amtshandlung physisch stattfinden soll. Wird jedoch kein entsprechender Antrag gestellt, kann die Amtshandlung sogar in Abwesenheit der Abgabepflichtigen durchgeführt werden; dabei müssen den Parteien in sonst geeigneter Weise Gelegenheit gegeben werden, ihre Rechte auszuüben bzw bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.


Multilaterale Risikobewertung - § 118b BAO


Die RV sieht die Einführung eines neuen internationalen Instruments vor, welches eine gemeinsame Bewertung und Analyse grenzüberschreitender Steuerrisiken durch mehrere Steuerverwaltungen im Sinne einer Treu-und-Glauben Auskunft ermöglichen soll. § 118b BAO schafft die verfahrensrechtliche Grundlage für die Teilnahme der österreichischen Finanzverwaltung an diesem OECD-Programm. Die Multilaterale Risikobewertung wird auf freiwilliger Basis durchgeführt und erfolgt auf Antrag des Abgabepflichtigen. Kern des Verfahrens bildet der Risikobewertungsbericht – dieser soll für Unternehmensgruppen und Steuerverwaltungen erhöhte Planungssicherheit schaffen.


Umsatzsteuerzinsen - § 205c BAO


Künftig soll mit der Neuregelung des § 205c BAO eine eigene Verzinsungsregelung für den Bereich der Umsatzsteuer geschaffen werden, welche die im EuGH-Urteil (Rechtssache C-844/19) sowie in VwGH-Erkenntnissen (Ro 2017/15/0035, Ro 2018/15/0026) postulierten Bedingungen umsetzt. Der EuGH hat ausgesprochen, dass eine Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen vor allem unter dem Aspekt der Wahrung des unionsrechtlichen Grundsatzes der steuerlichen Neutralität geboten ist. Der Zinssatz soll – angelehnt an die Tatbestände der §§ 205, 205a und 212a BAO – ebenfalls bei 2 % über dem Basiszinssatz liegen.


Verfahrensförderungspflicht - § 183 Abs 3 iVm § 270 BAO


Mit den Änderungen in § 183 Abs 3 und § 270 Abs 2 BAO sollen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung sowie eine Verfahrensförderungspflicht geschaffen werden. Die neue Fassung sieht eine zeitliche Begrenzung des Berücksichtigungsgebots neuer Tatsachen, Beweise und Anträge im Falle einer durchgeführten mündlichen Verhandlung mit deren Schließung iSd § 277 Abs 4 BAO vor. Laut den Erläuterungen zur RV liegt ein Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht (bereits) dann vor, wenn aus objektiver Sicht keine sachlichen Gründe dafür vorliegen, dass im Verfahren eingebrachte Beweisanträge nicht schon bereits in einem früheren Verfahrensstadium (etwa bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde) eingebracht hätten werden können. Im Vorlageantrag vorgebrachte Beweisanträge sollen jedoch jedenfalls als rechtzeitig gelten.


Keine (Monats-)Nachfrist bei Zurückweisung von Anträgen auf Aussetzung der Einhebung - § 212a Abs 2b BAO


Anlass für die Einführung des neuen § 212a Abs 2b BAO sind Praxiserfahrungen der Abgabenbehörden, wonach Anträge auf Aussetzung der Einhebung eingebracht wurden, obwohl eine Beschwerde entweder gar nicht eingebracht wurde oder der zugrunde liegende Bescheid keine Nachforderung auswies. Vor diesem Hintergrund sieht die Neuregelung des § 212a Abs 2b BAO nunmehr Zurückweisungsgründe ohne Nachfrist zur Abgabenentrichtung vor.


Kein Antrag auf Aufhebung gegen verfahrensleitende Verfügungen - § 244 iVm § 299 BAO


Der VwGH hielt in seinem Erkenntnis (Ro 2019/13/0014) fest, dass Prüfungsaufträge gemäß § 148 BAO mittels eines Antrags auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO gesondert angefochten werden können, zumal es sich bei einem solchen Antrag um kein außerordentliches Rechtsmittel handelt. Die Neuregelung des § 244 BAO entkräftet nunmehr diese Entscheidung und erweitert den Ausschluss einer gesonderten Anfechtung von Verfahren betreffenden Verfügungen (zB Vorladung gem § 91 Abs 4 BAO, Prüfungsauftrag gem § 148 Abs 4 BAO) um den Anwendungsfall des § 299 BAO.


Fazit


Das AbgÄG 2022 enthält zahlreiche Änderungen im Abgabenverfahrensrecht, welche insbesondere die Schaffung verfahrensrechtlicher Grundlagen zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben vorsieht. Weitere Änderungen betreffen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung, die Nichtgewährung einer Nachfrist bei Zurückweisung eines Antrags auf Aussetzung der Einhebung sowie die dauerhafte Zulassung von „Online-Meetings“ im Abgabenverfahren. Die endgültige Gesetzesfassung soll noch vor der Sommerpause im Parlament beschlossen werden.