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Österreichische Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Teil 4 – Immaterielle Werte und Standortvorteile

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Überblick


Als Teil unserer Artikelserie zu den neuen österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien (VPR 2021) soll dieser Artikel näher auf wichtige Änderungen im Bereich des konzerninternen Leistungsverkehrs – insbesondere in den Bereichen immaterielle Werte und Standortvorteile – eingehen.


Immaterielle Werte – Übernahme des DEMPE-Konzepts und des HTVI-Ansatzes


Die VPR 2021 implementieren das aus den OECD-VPL 2017 bekannte DEMPE-Konzept. Dieses sieht vor, dass sämtliche Konzernunternehmen, welche an der Entwicklung (Development), Verbesserung (Enhancement), Erhaltung (Maintenance), dem Schutz (Protection) und der Verwertung (Exploitation) eines immateriellen Wertes beteiligt sind, entsprechend ihrem Wertschöpfungsanteil fremdüblich zu vergüten sind. Bloßes rechtliches Eigentum an einem immateriellen Wert reicht somit nicht aus, um die Erträge aus dem immateriellen Wert einer Geschäftseinheit zuzuordnen. Ebenso führt die bloße Finanzierung der Entwicklung eines immateriellen Werts ohne das Ausüben weiterer Funktionen nur zu einem Anspruch auf eine risikolose Rendite auf das eingesetzte Kapital. Umgekehrt ist es aber nicht so, dass der rechtliche Eigentümer sämtliche DEMPE-Funktionen selbst ausüben muss, um Anspruch auf die Erträge aus einem immateriellen Wert zu haben. Er kann Funktionen weiterhin unschädlich outsourcen, solange er die ausgelagerten Funktionen durch in der Sache fachkundiges Personal kontrollieren lässt und auch die mit diesen Funktionen im Zusammenhang stehenden Risiken trägt.

Darüber hinaus wurde auch der Ansatz zur Bewertung von Hard-to-value intangibles (HTVI-Ansatz) von den OECD-VPL 2017 in die VPR 2021 überführt. HTVI sind immaterielle Werte, für die keine verlässlichen Vergleichsdaten existieren und für die im Zeitpunkt der Transaktion (ex ante) die Prognosen zukünftiger Cashflows aus dem immateriellen Wert höchst unsicher sind. Beispielhaft wird hier angeführt, dass dies oft der Fall ist, wenn die Entwicklung des immateriellen Werts bei dessen Übertragung noch nicht abgeschlossen ist oder wenn die kommerzielle Verwertung des immateriellen Werts erst mehrere Jahre nach Übertragung stattfindet.

Aufgrund der vorhandenen Informationsasymmetrie zwischen Abgabepflichtigen und Finanzverwaltung im Hinblick auf die Bewertung von HTVI können von der Finanzverwaltung ex post erzielte Ergebnisse als Indizienbeweis herangezogen werden, um zu beurteilen, ob die Preisgestaltung ex ante fremdüblich war. Ex post-Ergebnisse sollen jedoch dann nicht herangezogen werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige vollen Einblick in die ex ante Prognoserechnung gewährt und er die Informationen, auf denen die ex post-Ergebnisse beruhen, im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses vernünftigerweise nicht kennen hätte können (Verbot des „use of hindsight“) oder die Eintrittswahrscheinlichkeit vorhersehbarer Ergebnisse nicht deutlich über- oder unterschätzt wurde. Der HTVI-Ansatz kommt außerdem nicht zur Anwendung, wenn über die Übertragung eines HTVI in einem bi- oder multilateralem APA abgesprochen wird, wenn die Differenz zwischen ex ante- und ex post-Ergebnissen nicht den Effekt hat, die Vergütung um mehr als 20 % zu vermindern oder zu erhöhen oder die Differenz während der ersten fünf Jahre ab der Vermarktung des HTVI gegenüber fremden Dritten nicht 20 % übersteigt.

In der Praxis zeigt sich, dass die Bewertung immaterieller Werte aufgrund deren Einzigartigkeit regelmäßig mit Unsicherheiten verknüpft ist. Probleme ergeben sich häufig bei der Einschätzung zukünftiger Entwicklungen, wie zB die Dauer bis zur Marktreife, etwaige dann bereits vorhandene Konkurrenzprodukte, die Nutzungsdauer des immateriellen Werts, die erzielbare Cashflows mit dem immateriellen Wert usw, der Gewichtung der entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeiten oder der Wahl eines angemessenen Diskontierungszinssatz. Um zukünftige Streitigkeiten in einer Betriebsprüfung vorzubeugen, ist es ausschlaggebend, die bei der Übertragung eines immateriellen Wertes getroffenen Annahmen zeitnah, detailliert und nachvollziehbar zu dokumentieren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung von HTVI eine unbedingte Meldepflicht nach dem EU-Meldepflichtgesetz auslöst.


Standortvorteile und Förderungen


Standortvorteile beeinflussen Verrechnungspreise regelmäßig indirekt. So ist zum Beispiel bei Anwendung von kostenbasierten Verrechnungspreismethoden zu überlegen, ob und wie Standortvorteile, welche die Kosten des Leistungserbringers reduzieren, in die Verrechnungspreiskalkulation einbezogen werden sollen. Die Einbeziehung wäre wohl zum Vorteil des Leistungsempfängers, da sich hierdurch die Kostenbasis und der Gewinnaufschlag reduzieren würden. Die Nicht-Berücksichtigung hingegen würde bedeuten, dass der Leistungserbringer die ungekürzten Kosten inklusive Gewinnaufschlages verrechnen würde. Die Standortvorteile würden daher zur Gänze dem Leistungserbringer zugeordnet. Zu diesen Standortvorteilen gehören neben eventuell geringeren Personalkosten nach Verlagerungen von Funktionen in Niedriglohnländern auch steuerliche Begünstigungen und staatliche Zuschüsse.

Die VPR 2021 sehen grundsätzlich vor, dass Standortvorteile fremdüblich zwischen den beteiligten verbundenen Unternehmen aufzuteilen sind. Gerade im Kontext der Covid-19 Pandemie stellt sich die dringende Frage, wie Förderungen, wie die wegen der Pandemie geleisteten staatlichen Unterstützungen, aus Verrechnungspreissicht zu behandeln sind. Leider bleiben die VPR 2021 konkrete Aussagen dahingehend, wie eine fremdübliche Aufteilung von Förderungen auszusehen hat, schuldig. Die konkrete Aufteilung ist daher im Einzelfall zu beurteilen.


Conclusio


Mit der Implementierung des DEMPE-Konzepts in die VPR 2021 wird – wie bereits in den OECD-VPL 2017 – betont, dass Konzernunternehmen, welche an der Schaffung immaterieller Werte beteiligt sind, entsprechend ihrem Anteil an der Wertschöpfung zu vergüten sind. Daher ist es wichtig zu analysieren, welche Unternehmen wertschöpfende Tätigkeiten im Konzern erbringen und dies auch genau zu dokumentieren.

In Hinblick auf den HTVI-Ansatz kann noch nicht abgeschätzt werden, wie dieser in der Praxis in Betriebsprüfungen angewendet wird. Angesichts der Unsicherheiten, die mit der Bewertung immaterieller Werte immanent verbunden sind, wäre es wünschenswert, dass ex post Ergebnisse, wirklich nur dann herangezogen werden, wenn die Dokumentation des entsprechenden Geschäftsvorfalls sowie der durchgeführten Bewertungsüberlegungen nicht sachgerecht durchgeführt wurde. Dies bleibt aber abzuwarten. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich auch im Bereich der immateriellen Werte deutlich höhere Anforderungen an eine Verrechnungspreisanalyse und damit einhergehend auch signifikant gesteigerte Dokumentationsanforderungen ergeben.

In Bezug auf die Ausführungen zu Standortvorteilen und Förderungen wären konkretere Äußerungen – speziell im Hinblick auf die fremdübliche Aufteilung spezifisch österreichischer Förderungen – aus Sicht der Praxis begrüßenswert gewesen. Andererseits führt das Fehlen konkreter Aussagen auch zu einem Interpretationsspielraum durch Steuerpflichtige. Dies kann insbesondere bei konkreteren Regelungen im Staat des Transaktionspartners von Vorteil sein.