Das BFG nahm in seinem Erkenntnis vom 20.3.2023 in der Rechtssache RV/1100246/2021 zur Inanspruchnahme der Herstellerbefreiung bei Vorliegen von Eigenleistungen Stellung. Im gegenständlichen Fall hatte das BFG zu entscheiden, ob Eigenleistungen bzw die unentgeltliche Mithilfe von nahen Angehörigen als fiktive Herstellungskosten angesetzt werden können und die Herstellerbefreiung zur Anwendung gelangen kann.
Im Jahr 2016 erwarb der Beschwerdeführer (Bf) gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin ein unbebautes Grundstück um EUR 121.000. Ein Fertigteilhausunternehmen wurde mit der Errichtung eines Rohbaus zu einem Fixpreis von EUR 130.000 beauftragt. Sämtliche weitere Ausbauarbeiten, einschließlich die Errichtung des Kellers und der Außenanlagen wurden durch die Lebenspartner und mithelfende Angehörige durchgeführt. Die Errichtung des Kellers und der Außenanlagen wurde mit zugekauftem Material im Wert von EUR 92.000 ausgeführt. In einer Schätzung bezifferte der Bf die dafür erbrachten Eigenleistungen mit EUR 59.000, ohne jedoch Nachweise vorzulegen. Der gesamte Ausbau des Hauses wurde inklusive Eigenleistungen vom Bf auf EUR 151.000 geschätzt.
Im Zuge eines Insolvenzverfahrens wurde die Immobilie im Jahr 2019 um EUR 550.000 verkauft. Der Bf beanspruchte für die Veräußerung des Hauses die Herstellerbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 2 EStG. Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung der Herstellerbefreiung mit der Begründung, dass der Ansatz eigener Arbeitskosten und unentgeltlicher Leistungen naher Angehörigen als fiktive Herstellungskosten steuerlich nicht zulässig sei. Es liege somit steuerlich kein selbst hergestelltes Gebäude vor, da die Kosten für den Keller und den Ausbau des Hauses (ohne Eigenleistungen) den Fixpreis des Fertigteilhauses nicht übersteigen. Das Finanzamt berechnete daher die Immobilienertragsteuer auf Grundlage des mit dem Verkauf des Gebäudes erzielten Überschusses.
Eingangs führte das BFG aus, dass strittig ist, ob die von den Lebenspartnern erbrachten Eigenleistungen sowie die unentgeltlich erbrachten Dienste anderer Hilfskräfte als (fiktive) Herstellungskosten anerkannt werden können und daher die Herstellerbefreiung in Anspruch genommen werden kann.
Nach der Rsp gilt ein Gebäude dann als selbst hergestellt, wenn der Steuerpflichtige das finanzielle Risiko der Herstellung trägt, sei es durch Eigenleistung oder durch einen beauftragten Unternehmer. Unter den Begriff des selbst hergestellten Gebäudes fallen somit auch Gebäude, die nicht ausschließlich vom Eigentümer in eigener Arbeitsleistung errichtet werden, sondern bei denen der Eigentümer als Bauherr mit vollem Bauherrenrisiko fungiert. Die Definition des selbst hergestellten Gebäudes setzt weiters voraus, dass die Baumaßnahmen nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Errichtung eines Gebäudes – also als "Hausbau" – und nicht lediglich als Haussanierung oder Hausrenovierung anzusehen ist. Die Befreiungsvorschrift erfasst grundsätzlich nur die erstmalige Errichtung eines Objekts.
Der Ansatz von eigenen Arbeitsleistungen ist dem Einkommensteuerrecht fremd. So lehnte der VwGH in einem früheren Erkenntnis die Berücksichtigung von fiktiven Ausgaben für selbst erbrachte Leistungen in Zusammenhang mit dem Neubau eines Gartenhauses als (fiktive) Herstellungskosten ab. Im vorliegenden Fall sind demnach keine zusätzlichen Herstellungskosten für die erbrachten Eigenleistungen und die Leistungen der mithelfenden Angehörigen zu berücksichtigen, da der Bf keine tatsächlich verausgabten Lohnkosten nachgewiesen hat.
Nach der Verwaltungspraxis liegt bei der Veräußerung eines erworbenen, noch nicht benutzbaren und anschließend fertiggestellten Rohbaus dann ein selbst hergestelltes Gebäude vor, wenn die Fertigstellungskosten die Anschaffungskosten des Rohbaus übersteigen. Dies gilt auch für Fertigteilhäuser, wenn die Kosten für die Herstellung des Kellers oder der Bodenplatte und die weiteren Kosten für die Fertigstellung des Gebäudes den Fixpreis des Fertigteilhauses übersteigen.
Im vorliegenden Fall waren die Kosten für die Errichtung des Kellers und die Fertigstellung des Fertigteilhauses nicht höher als die Anschaffungskosten des Rohbaus, da die Eigenleistungen des Bf und seiner damaligen Lebensgefährtin sowie die unentgeltliche Mithilfe von Angehörigen nicht als fiktive Herstellungskosten zu berücksichtigen sind. Die Herstellerbefreiung kommt daher nicht zur Anwendung.
Die Herstellerbefreiung ist für Gebäude, die vom Eigentümer selbst mit vollem (finanziellem) Bauherrenrisiko errichtet wurden, anwendbar. Gebäude, die zu einem Fixpreis errichtet wurden, sind regelmäßig nicht als selbst hergestellt im Sinne der Herstellerbefreiung anzusehen, wenn die tatsächlich verausgabten Herstellungskosten den Fixpreis für das Fertigteilhaus nicht übersteigen.
Des Weiteren ist der Ansatz fiktiver Herstellungskosten dem Einkommensteuerrecht fremd. Eigenleistungen und unentgeltliche Dienste können nicht als fiktive Herstellungskosten geltend gemacht werden.