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Die gesetzliche Grundlage für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel kommt bald!

Bundestag verabschiedet das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)

„UmRUG“ fast am Ziel: Nach einem eher zähen Gesetzgebungsverfahren hat der Bundestag am 20. Januar 2023 und somit kurz vor dem Ende der am 31. Januar 2023 auslaufenden Umsetzungsfrist das UmRUG verabschiedet. Mit der Verkündung des Gesetzes werden (endlich) die gesetzlichen Voraussetzungen für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge in der Form der Spaltung und des Formwechsels unter Beteiligung deutscher Rechtsträger geschaffen werden. Grenzüberschreitende Reorganisationsvorgänge werden damit maßgeblich erleichtert.

Am 10. Februar 2023 hatte der deutsche Bundesrat das UmRUG gebilligt. Am 28. Februar 2023 wurde das Gesetz sodann im Bundesgesetzblatt verkündet. Gemäß Artikel 25 UmRUG, der ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung vorsieht, findet das Gesetz somit ab dem 01. März 2023 Anwendung.

Grenzüberschreitender Mobilität kommt auch für Unternehmer und Unternehmen eine immer größere Bedeutung zu. Insbesondere vor dem Hintergrund der mitunter als multiple Krisen benannten Entwicklungen der jüngeren Zeit – Pandemie, Störungen der Lieferkette, Ukraine-Krieg, Inflation, Energieversorgungsengpässe und Energiekostenexplosion sowie Fachkräftemangel – kommen Unternehmen nicht umhin, Standortentscheidungen zu überdenken und Standorte zu verlagern.

Das bislang für grenzüberschreitende Umstrukturierungs- bzw. Verlagerungsvorgänge zur Verfügung stehende gesellschafts-/umwandlungsrechtliche Instrumentarium war beschränkt: Gesetzlich geregelt waren im Wesentlichen nur grenzüberschreitende Verschmelzungsvorgänge unter Beteiligung von EU-Kapitalgesellschaften (in Form der grenzüberschreitenden Verschmelzung nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes sowie der SE-Verschmelzung). Eine gesetzliche Regelung für andere grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen, insbesondere die Spaltung und den Formwechsel fehlte dagegen. Grenzüberschreitende Spaltungsvorgänge wurden für unzulässig gehalten; grenzüberschreitende Satzungssitzverlegungen bei gleichzeitigem Formwechsel wurden zwar im Zuge der richterlichen Rechtsfortbildung anerkannt, waren aber mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden.

Die mit Unsicherheiten behaftete Situation wird nunmehr in Bälde zumindest teilweise ein Ende finden: Zukünftig stehen EU-Kapitalgesellschaften auf gesicherter gesetzlicher Grundlage auch die Handlungsoptionen grenzüberschreitende Spaltung und grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung bei gleichzeitigem Formwechsel zur Verfügung. Dies erweitert den Spielraum für die rechtliche Umsetzung strategischer Reorganisationsmaßnahmen erheblich.

Über die Umwandlungsrichtlinie und den Stand und Inhalt der deutschen Umsetzungsbemühungen hatten wir bereits im Rahmen unserer Beiträge „Grenzüberschreitende Umwandlungen innerhalb der Europäischen Union“, „Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie liegt vor“, „Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie auf der Zielgeraden“ berichtet. Der vorliegende Beitrag hat vornehmlich die weiteren legislatorischen Entwicklungen zum Gegenstand.

Ursprünglich hatte der Bundestag noch vor dem Jahresende 2022 über den vom Kabinett eingebrachten Regierungsentwurf des UmRUG vom 5. Oktober 2022 entscheiden sollen. Der Gesetzentwurf war jedoch sodann Mitte Dezember 2022 wieder an den Rechtsausschuss zurücküberwiesen worden. Hintergrund war, dass der zuständige Ausschuss des Bundesrates einer Fristverkürzungsbitte des Bundestages nicht zugestimmt hatte und das Gesetz daher nicht vor Februar 2023 im Bundesrat beraten werden kann.

Die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages erfolgte deshalb nunmehr erst am 20. Januar 2023. Angenommen wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 5. Oktober 2022 (BT-Drucksache 20/3822) unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 18. Januar 2023 (BT-Drucksache 20/5237).

Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats. Die nächste planmäßige Sitzung des Bundesrats findet erst am 10. Februar 2023 statt. Das UmRUG wird deshalb nicht – wie geplant – am 31. Januar 2023 in Kraft treten. Realistisch wird nunmehr wohl eine Geltung ab Mitte Februar 2023 sein.

Bekanntermaßen dient das UmRUG der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (im weiteren „Umwandlungsrichtlinie“). Diese wiederum hat die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge innerhalb der EU-Mitgliedstaaten zum Gegenstand.

Neben einer Ergänzung der bereits für grenzüberschreitende Verschmelzungen bestehenden Regelungen sieht die Umwandlungsrichtlinie insbesondere die erstmalige Kodifizierung von Regelungen für grenzüberschreitende Spaltungen und grenzüberschreitende Satzungssitzverlegungen bei gleichzeitigem Formwechsel vor. Die Zulässigkeit grenzüberschreitender Spaltungsvorgänge unter Beteiligung deutscher Rechtsträger war in Deutschland bisher umstritten und wurde überwiegend abgelehnt. Die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft nach Deutschland hinein bei gleichzeitigem Formwechsel in eine deutsche Rechtsform wurde für zulässig erachtet, war jedoch bislang nur unter Berufung auf die Grundfreiheiten und auf der Grundlage von in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen möglich, was mit entsprechenden Unwägbarkeiten bei der praktischen Umsetzung einherging.

Der nun verabschiedete Gesetzestext beinhaltet Änderungen, die der Rechtsausschuss in Reaktion auf die im Rahmen der Sachverständigenanhörungen vorgetragenen Stellungnahmen empfohlen hatte.

 

Im Folgenden fassen wir in aller Kürze zusammen, welche Neuerungen aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses hinzugekommen sind:

I.
Durch Hinzunahme von Folgeänderungen von Spezialgesetzen wie etwa dem Versicherungsvertragsgesetzes ist das UmRUG nunmehr zu einem umfangreichem sog. Artikelgesetz angewachsen. Angesichts dessen wurde der Titel des Gesetzes geändert in: „Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze“.

II.
Unter den umwandlungsrechtlich relevanten Änderungen sticht insbesondere die Ergänzung der Regelungen zur sog. Missbrauchskontrolle heraus. Um missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden, sollen grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen beim Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte grundsätzlich einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle unterworfen sein. Das Gericht hat zu prüfen, „ob die grenzüberschreitende Verschmelzung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll.“

Diesbezüglich war im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von Praktikern vor allem kritisiert worden, dass der Gesetzentwurf offenließ, wann Anhaltspunkte für missbräuchliche Gestaltungen vorliegen bzw. worin diese gesehen werden können. Diesen Kritikpunkt greifen die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses und damit im Ergebnis das UmRUG in der vom Bundestag beschlossenen Fassung auf – wenn auch gegebenenfalls in einer Form, wie sie sich die Praktiker nicht vorgestellt oder gewünscht haben.

Die neu eingefügte Bestimmung des § 316 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1-3 UmwG-E listet Beispielsfälle auf, die als Anhaltspunkte für missbräuchliche Gestaltungen anzusehen sind und bei deren Vorliegen eine umfassende gerichtliche Missbrauchsprüfung stattfinden soll. Die Regelung findet über den Verweis des § 329 Satz 1 UmwG-E auch auf grenzüberschreitende Spaltungen Anwendung; für den grenzüberschreitenden Formwechsel findet sich eine vergleichbare Regelung in § 343 Abs. 3 UmwG-E. Als Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung sollen danach beispielhaft folgende Konstellationen gelten:

  • Das Verhandlungsverfahren mit den Arbeitnehmervertretern über die künftige Regelung der Mitbestimmung wird erst auf Aufforderung des zuständigen Gerichts eingeleitet;
  • Auf Ebene des betreffenden übertragendenden Rechtsträgers ist der maßgebliche Schwellenwert für die Unternehmensmitbestimmung bereits zu 4/5 erreicht, im Zielland wird keine Wertschöpfung erbracht und der Verwaltungssitz der Gesellschaft verbleibt in Deutschland oder
  • Eine ausländische Gesellschaft wird durch den betreffenden grenzüberschreitende Umwandlungsvorgang Schuldnerin von Betriebsrenten oder -anwartschaften, wobei diese ausländische Gesellschaft kein anderweitiges operatives Geschäft betreibt.

Ausweislich der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sollen die in § 316 Abs. 3 UmwG-E vorgenommenen Ergänzungen sicherstellen, dass das Registergericht den gebotenen Schutz der Unternehmensmitbestimmung und der Betriebsrenten durch eine umfassende Missbrauchsprüfung beachtet. Dabei weist der Rechtsausschuss ausdrücklich darauf hin, dass die allgemeine Pflicht des Registergerichts zur Amtsermittlung unberührt bleibt und das Gericht deshalb auch außerhalb der neuen zugefügten Tatbestände Hinweisen auf Missbrauch nachzugehen hat. Ausdrücklich werden dabei in der Begründung „von einer Gewerkschaft vorgetragene Hinweise auf Missbrauch“ erwähnt.

Die FDP-Fraktion meint, „das Missbrauchspotenzial sei ausführlich erörtert worden. Die deutsche Umsetzung sei im Ergebnis ein guter Kompromiss. Sie erleichtere die Niederlassungsfreiheit, sichere Mitbestimmung, achte die Perspektive der Arbeitnehmerschaft und sehe bei Anhaltspunkten für Missbrauch eine ernsthafte Prüfung vor, ohne grenzüberschreitende Umwandlungen unter einen Generalverdacht zu stellen.“ Die Praxis wird es zeigen.

Aufgrund von Folgeänderungen im Rechtspflegergesetz (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 RPpflG ist sichergestellt, dass für die Prüfung und Entscheidung über die Frage eines Missbrauchs ausschließlich die Richter berufen sind, diese mithin nicht den Rechtspflegern überantwortet werden kann.

III.
Ferner wurde der Kreis Derjenigen erweitert, die das Registergericht im Zusammenhang mit seiner Missbrauchsprüfung hinzuziehen kann. Insofern sieht § 317 Nr. 5 UmwG-E nun vor, dass auch im jeweiligen Unternehmen vertretene Gewerkschaften vom Registergericht angehört werden können.

Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses soll durch die im Gesetzgebungsverfahren aufgenommene Anhörungsmöglichkeit der in dem zu verschmelzenden Unternehmen vertretenen Gewerkschaften sichergestellt werden, dass im Rahmen des Umwandlungsvorgangs Aspekte der Unternehmensmitbestimmung angemessen berücksichtigt werden. Die Änderung gilt über den Verweis des § 329 Satz 1 UmwG-E für grenzüberschreitende Spaltungen entsprechend; § 344 Nr. 5 UmwG-E sieht eine vergleichbare Anhörungsmöglichkeit für den grenzüberschreitenden Formwechsel vor.

 

Fazit

Durch den Bundestagsbeschluss vom 20. Januar 2022 steht das Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf das UmRUG nun kurz vor dem Abschluss. Gleichwohl ist mit einem Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist, d.h. bis zum 31. Januar 2023, nicht mehr zu rechnen. Auch der Gesetzgeber selbst rechnet hiermit offensichtlich nicht mehr und hat (jedenfalls in Bezug auf die relevanten Änderungen des UmwG) als Zeitpunkt des Inkrafttretens nunmehr „den Tag nach der Verkündung“ des Gesetzes vorgesehen.

Alles in allem stellt das UmRUG die größte Änderung des deutschen Gesellschaftsrechts der vergangenen knapp 15 Jahre dar und schafft einen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge, wofür in den gegenwärtig in wirtschaftlicher Hinsicht herausfordernden Zeiten praktischer Bedarf besteht. Die zuletzt durch den Rechtsausschuss hinzugekommenen Änderungen greifen dabei nicht in die grundsätzliche Konzeption bzw. Systematik des UmRUG ein. Insbesondere die vorstehend beschriebene Konkretisierung von Konstellationen, in denen eine Missbrauchsprüfung angezeigt ist, ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen.

Angesichts der Fülle von Neuerungen, die mit dem UmRUG verbunden sind, werden wir die jeweiligen Umwandlungsverfahren in weiteren Beiträgen im Einzelnen näher vorstellen.

 

 

Stand: Januar 2023

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