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Risk Taker-Analyse reloaded

Die Risk Taker-Analyse nach § 25a Abs. 5b KWG und den überarbeiteten Technischen Regulierungsstandards (RTS-MRT 2.0)

Am 14. Juni 2021 ist die Delegierte Verordnung 2021/923 der Kommission mit den überarbeiteten Technischen Regulierungsstandards zur Identifizierung der Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt (Material Risk Taker, MRT), in Kraft getreten (RTS-MRT 2.0). Die RTS-MRT 2.0 bildet zusammen mit der Neufassung des § 25a Abs. 5b KWG den neuen gesetzlichen Rahmen für die Risk Taker-Analyse. Dieser Client Alert erörtert den wesentlichen Inhalt der überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben.

1. Der aufsichtsrechtliche Rahmen: CRD V und Sound Compensation

Die EBA und die Kommission haben mit der RTS-MRT 2.0 den Regelungsauftrag des EU-Gesetzgebers aus Art. 94 Abs. 2 der EU-Richtlinie 2013/36 (in der Fassung der Richtlinie 2019/878 (CRD V)) umgesetzt und damit die überarbeiteten EU-Regelungen für die Risk Taker-Analyse vervollständigt. Der deutsche Gesetzgeber hatte zuvor mit der Neufassung des § 25a Abs. 5b KWG die Vorgaben der CRD V zur Risk Taker-Analyse für alle CRR-Institute umgesetzt. Die überarbeiteten inhaltlichen Vorgaben der CRD V zu den Vergütungssystemen (vor allem zur variablen Vergütung der Risk Taker) wird der deutsche Gesetzgeber in die überarbeitete Fassung der Institutsvergütungsverordnung (IVV 4.0) implementieren, deren finale Fassung – nach dem bereits abgeschlossenen Konsultationsverfahren der BaFin – für das zweite Halbjahr 2021 zu erwarten ist.

 

2. Die neue (abgestufte) gesetzliche Systematik: Risk Taker-Analyse für (nahezu) Alle und ergänzende Vorgaben für bedeutende Institute

Die Neufassung der §§ 25a Abs. 5b, 1 Abs. 1 KWG enthalten zur konkreten Durchführung der Risk Taker-Analyse eine abgestufte Systematik:

Alle CRR-Institute und alle bedeutenden Institute haben eine Risk Taker-Analyse mit den in §§ 25a Abs. 5b S. 1, 1 Abs. 21 KWG bestimmten Kriterien durchzuführen. Der deutsche Gesetzgeber setzt mit dieser Regelung die Vorgaben des Art. 92 Abs. 3 CRD V um. Die nach §§ 25 Abs. 5b S. 1, 1 Abs. 21 KWG zu ermittelnden Risk Taker sind nach drei von qualitativen Kriterien gekennzeichnete Fallgruppen und einer Fallgruppe mit quantitativ-qualitativen Kriterien zu identifizieren:

Als Risk Taker aus qualitativen Kriterien ableitbar sind die nach §§ 25 Abs. 5b S. 1 Nr. 1 und 2, 1 Abs. 21 KWG zu bestimmenden (1) Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- bzw. des Aufsichtsorgans des Instituts (§ 1 Abs. 21 S. 2 KWG), (2) Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene und (3) Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die Kontrollfunktionen oder die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts.

§ 25 Abs. 5b S. 1 Nr. 3 KWG bestimmt darüber hinaus als nach quantitativ-qualitativen Kriterien zu bestimmende Risk Taker die Mitarbeiter, die kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen: (a) Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von mindestens 500.000 EUR im oder für das vorhergehende Geschäftsjahr, die zugleich mindestens der durchschnittlichen Vergütung der Geschäftsleiter und der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene entspricht (= Vergütungsgrenze als quantitatives Kriterium), und (b) Ausübung der beruflichen Tätigkeit in einem wesentlichen Geschäftsbereich und erhebliche Auswirkung der Tätigkeit auf das Risikoprofil des Geschäftsbereichs (qualitatives Kriterium). Die inhaltliche Ausfüllung der maßgeblichen Begriffe für die vorgenannten Personengruppen hat anhand der inhaltlichen Vorgaben der RTS-MRT 2.0 zu erfolgen (§ 25a Abs. 5b S. 6 KWG).

Bedeutende Institute haben eine umfassende Risk Taker-Analyse nach Maßgabe des § 25a Abs. 5b S. 2 bis 6 KWG und der Vorgaben der RTS-MRT 2.0 durchzuführen. Die RTS-MRT 2.0 hat hierzu die in Art. 3 der Delegierten Verordnung 604/2014 (RTS-MRT 1.0) bestimmten qualitativen Kriterien zur Ermittlung der Risk Taker fortentwickelt (Art. 5 RTS-MRT 2.0) und die quantitativen Kriterien des Art. 4 RTS-MRT 1.0 zur Ermittlung der Risk Taker modifiziert (Art. 6 RTS-MRT 2.0).

 

3. Risk Taker nach qualitativen Kriterien für (nahezu) Alle: Wesentlicher Geschäftsbereich, Kontrollaufgabe und Managementverantwortung

Die RTS-MRT 2.0 entwickelt für die gemäß § 25a Abs. 5b S. 1 Nr. 1 und 2 KWG von allen CRR-Instituten und allen bedeutenden Instituten zu bestimmenden Risk Taker die qualitativen Kriterien des wesentlichen Geschäftsbereichs, der Kontrollaufgabe und der Managementverantwortung fort.

Als wesentlicher Geschäftsbereich ist gemäß Art. 1 Nr. 3 RTS-MRT 2.0 jeder Geschäftsbereich im Sinne des Art. 142 Abs. 1 Nr. 3 der EU-Verordnung 575/2013 (in der Fassung der Verordnung 2019/876, CRR II) (= getrennte organisatorische oder rechtliche Einheiten, Geschäftsfelder oder geografische Standorte) anzusehen, der entweder (a) über ein zugewiesenes internes Kapital in Höhe von mindestens 2 % des internen Kapitals des Instituts im Sinne des Art. 73 der CRD V verfügt, (b) vom Institut auf andere Weise als Geschäftsbereich mit wesentlichem Einfluss auf das interne Kapital des Instituts bewertet wird oder (c) einen Kerngeschäftsbereich gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 36 der EU-Richtlinie 2014/59/EU inkludiert (= jeder Geschäftsbereich, der für das Institut oder die Gruppe, der das Institut angehört, eine wesentliche Ertragsquelle darstellt). Die Fallgruppen (b) und (c) beinhalten für die Definition des wesentlichen Geschäftsbereichs eine Erweiterung der RTS-MRT 1.0. Sie sollen vor allem Institute erfassen, die keine quantitative Allokation des internen Kapitals zu den einzelnen Geschäftsbereichen vornehmen. Diese Institute haben eine Selbstanalyse zur Bestimmung des wesentlichen Einflusses auf das interne Kapital – und auch für die Kerngeschäftsbereiche – durchzuführen. Die RTS-MRT 2.0 konkretisiert die Kriterien für die Selbstanalyse nicht näher. Die EBA hat hierzu im Konsultationsverfahren verlautbart, dass Institute individuell geeignete Kriterien hierfür aufzustellen und anzuwenden haben.

Kontrollaufgaben umfassen alle Aufgaben, die unabhängig von den kontrollierten Geschäftsbereichen wahrgenommen werden und in deren Rahmen eine objektive Bewertung oder eine Überprüfung der Risiken des Instituts vorzunehmen oder über sie Bericht zu erstatten ist. Dazu gehören mindestens die Funktionen Risikomanagement, Compliance und internes Audit (Art. 1 Nr. 2 RTS-MRT 2.0). Institute haben zusätzlich – über die bisherigen Regelungen des Art. 3 Abs. 4 RTS-MRT 1.0 hinaus – alle weiteren für die Managementverantwortung relevanten Funktionen zu identifizieren, die eine objektive Bewertung oder eine Überprüfung der Risiken des Instituts vorzunehmen haben oder über sie Bericht zu erstatten haben.

Managementverantwortung im Sinne des § 25a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KWG üben gemäß Art. 1 Nr. 1 RTS-MRT 2.0 alle Mitarbeiter aus, die (a) den wesentlichen Geschäftsbereich leiten oder in leitender Funktion eine Kontrollaufgabe wahrnehmen und dem Leitungsorgan als Ganzem, einem Mitglied des Leitungsorgans oder der Geschäftsleitung unmittelbar rechenschaftspflichtig sind (dies betrifft typischerweise alle Mitarbeiter der ersten Berichtsebene), oder (b) in einem großen Institut im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 146 CRR II in dem relevanten wesentlichen Geschäftsbereich einen untergeordneten Geschäftsbereich leiten oder in leitender Funktion eine untergeordnete Kontrollaufgabe wahrnehmen und einem Mitarbeiter unterstehen, der eine der unter lit. (a) genannten Zuständigkeiten hat.

 

4. Weitere Risk Taker nach qualitativen Kriterien für bedeutende Institute (Art. 5 RTS-MRT 2.0)

Bedeutende Institute haben für den Kreis der nach qualitativen Kriterien zu bestimmenden Risk Taker neben den Personengruppen des § 25a Abs. 5b S. 1 Nr. 1 und 2 KWG auch die weiteren in Art. 5 RTS-MRT 2.0 angeführten Personen als Risk Taker zu identifizieren. Der Katalog des Art. 5 RTS-MRT 2.0 enthält – gegenüber der Vorfassung des Art. 3 RTS-MRT 1.0 – eine Erweiterung des Personenkreises bei den Mitarbeitern mit Managementverantwortung in den relevanten Bereichen um die Leiter Buchhaltung, Geldwäsche, Informationssicherheit und Outsourcingmanagement. Inhaltlich weitgehend unverändert geblieben ist die Systematik der MRT aufgrund von (1) Managementtätigkeiten zu einer der nach Art. 79 bis 87 CRD V genannten Risikotätigkeiten oder aufgrund der Mitgliedschaft in über solche Tätigkeiten entscheidenden Ausschüssen (wobei nunmehr nur stimmberechtigte Ausschuss-Mitglieder als Risk Taker zu identifizieren sind), sowie (2) aufgrund der verantwortlichen Beteiligung an Einzeltransaktionen mit Kreditrisiken in Höhe von 0,5% des harten Kernkapitals des Instituts, mindestens in Höhe von 5 Mio. EUR oder der Mitgliedschaft als stimmberechtigtes Mitglied in einem über solche Transaktionen entscheidenden Ausschuss.

 

5. Risk Taker aufgrund quantitativ-qualitativer Kriterien für (nahezu) Alle (§ 25a Abs. 5b S. 1 Nr. 3 KWG: Erheblicher Einfluss der beruflichen Tätigkeit auf das Risikoprofil des wesentlichen Geschäftsbereichs) – und Vermutungswirkung mit Widerlegungsmöglichkeit für bedeutende Institute (Art. 6 RTS-MRT 2.0)

Umfassend modifiziert gegenüber der Vorfassung des Art. 4 RTS-MRT 1.0 hat der Gesetzgeber die Fallgruppe der nach quantitativ-qualitativen Kriterien zu bestimmenden Risk Taker.

Alle CRR-Institute und bedeutende Institute haben dazu die in § 25a Abs. 5 S. 1 Nr. 3 KWG bestimmten quantitativen Kriterien (Vergütungsgrenze) und qualitativen Kriterien (Ausübung der beruflichen Tätigkeit in einem wesentlichen Geschäftsbereich und erhebliche Auswirkung dieser Tätigkeit auf das Risikoprofil des betreffenden Geschäftsbereichs) inhaltlich auszufüllen.

Art. 3 RTS-MRT 2.0 bestimmt für die qualitative Beurteilung erstmals – in Umsetzung der Vorgabe des Art. 94 Abs. 2 lit. b) CRD V – konkrete Kriterien für die Beurteilung des erheblichen Einflusses der beruflichen Tätigkeit des relevanten Mitarbeiters auf den wesentlichen Geschäftsbereich des Instituts. Inhaltlich entwickelt der EU-Gesetzgeber die bisherige Systematik des Art. 4 Abs. 2 lit. b) RTS-MRT 1.0 in Bezug auf den relevanten Einfluss des einzelnen Mitarbeiters auf das Risikoprofil eines wesentlichen Geschäftsbereichs fort. Er modifiziert – wie bereits in Art. 92 Abs. 3 lit. c) (iii), 94 Abs. 2 CRD V angelegt – gegenüber der RTS MRT 1.0/Art. 92 CRD IV die Qualität des Einflusses auf das Risikoprofil des wesentlichen Geschäftsbereichs vom „wesentlichen Einfluss“ zum „erheblichen Einfluss“. Inhaltlich hat diese sprachliche Modifizierung keine materielle Relevanz: Der Katalog des Art. 3 RTS-MRT 2.0 ist formaler Natur, demnach die Institute bei der Beurteilung sämtliche ausgeführte Kriterien zu berücksichtigen und die hierzu entwickelte Systematik in ihren Vergütungsgrundsätzen zu dokumentieren haben. Die inhaltliche Ausfüllung der Kriterien inklusive der relevanten materiellen Parameter/Schwellenwerte für die Beurteilung des erheblichen Einflusses des einzelnen Mitarbeiters auf das Risikoprofil überlässt der EU-Gesetzgeber dem einzelnen Institut. Dieser Regelungsrahmen erlaubt den Instituten die Entwicklung und Anwendung einer bedarfsgerechten Systematik. (Bedeutende) Institute, die bereits nach der bisherigen Rechtslage Risk Taker nach Maßgabe des § 25a Abs. 5b KWG a.F. zu identifizieren hatten, können daher – soweit weiterhin geeignet – ihre bisherige Systematik für die De-Identifizierung von Mitarbeitern als Risk Taker aufgrund quantitativer Kriterien nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 lit. b) RTS-MRT 1.0 fortentwickeln und um etwa noch nach dem Katalog des Art. 3 MRT 2.0 zu ergänzende Kriterien vervollständigen.

Die EBA hat im Konsultationsverfahren verlautbart, dass die Institute bei Entwicklung und Anwendung der Systematik den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz anwenden können, demnach kleine nicht komplexe Institute die Vorgaben des Art. 3 RTS-MRT 2.0 etwa bereits durch die Verwendung von kompakten Instrumenten (z.B. Scorecards) und ihre Dokumentation erfüllen, während große Institute eine umfassende(re) Beurteilungssystematik mit quantitativen und qualitativen Beurteilungskriterien erstellen sollen.

Für Mitarbeiter (1) in bedeutenden Instituten mit einer Jahresgesamtvergütung von mindestens 750.000 EUR oder (2) die in bedeutenden Instituten mit mindestens 1.000 Mitarbeitern zu den Top 0,3% der Spitzenverdiener im Institut gehören, bestimmt § 25a Abs. 5b S. 2 KWG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 RTS-MRT 2.0 eine Vermutungswirkung für deren wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts. Diese überarbeiteten quantitativen Kriterien beinhalten eine erhebliche Erleichterung gegenüber der bisherigen Vergütungsuntergrenze für die Vermutungswirkung gemäß der RTS-MRT 1.0, die unter anderem an der niedrigsten Gesamtvergütung der im Einzelnen in Art. 4 Abs. 1 lit. c) RTS-MRT 1.0 angeführten Risk Taker aufgrund qualitativer Kriterien anknüpfte und die absolute Höhe der Jahresgesamtvergütung für die generelle Vermutungswirkung mit 500.000 EUR bestimmt hatte.

Das Institut kann die Vermutungswirkung im Einzelfall nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 RTS-MRT 2.0 widerlegen (De-Identifikation). Die De-Identifikation hat das Institut unverzüglich, spätestens sechs Monate nach Ablauf des relevanten Geschäftsjahres, bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu beantragen (§ 25a Abs. 5c) KWG). Der Antrag hat die für die Widerlegung maßgebliche Argumentation und relevante (Nachweis-)Dokumentation zu enthalten (Art. 6 Abs. 3 S. 2 RTS-MRT 2.0).

 

6. Umsetzung in die Vergütungssysteme

Die überarbeitete Fassung des § 25a Abs. 5b KWG ist am 29. Dezember 2020 in Kraft getreten. Institute können erstmals (erst) seit dem Inkrafttreten der RTS-MRT 2.0 die Risk Taker-Analyse belastbar nach den neuen gesetzlichen Regelungen durchführen – und werden diese im zweiten Halbjahr 2021 (dann für die diesem Zeitpunkt folgende Referenzperiode) vorzunehmen haben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Risk Taker-Analyse gemäß § 12 PrüfbV – unverändert – Gegenstand des zwingenden Prüfkatalogs der Vergütungssysteme in der Abschlussprüfung ist.

 

Stand: August 2021

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