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Aktuelle Rechtsprechung zur betrieblichen Altersversorgung 2/2023

Unser Herbst 2023-Client Alert zur aktuellen Rechtsprechung behandelt unter anderem die Urteile (1) des BAG vom 20.06.2023 (3 AZR 231/22) zu den Anforderungen an die Wirksamkeit einer (teilweisen) Umstellung einer Versorgungszusage von ausschließlich monatlichen Rentenleistungen auf Kapitalleistung, die auch bei anschließend gleichwertiger oder höherer Versorgungsleistung einer eigenständigen Rechtfertigung bedarf, (2) des BAG vom 14.03.2023 (3 AZR 197/22) zur Fortschreibung seiner Rechtsprechung zur Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Senkung der Pensionsleistungen durch die Pensionskasse, und (3) des LAG Niedersachsen vom 15.11.2023 (3 AZR 505/21) zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung einer betrieblichen Altersversorgung auf Grund einer tarifvertraglichen Bezugnahmeklausel – auch bei nicht möglicher Durchführung der bAV-Zusage über den im Bezug genommenen Tarifvertrag bestimmten Versorgungsträger (VBL) (LAG Niedersachsen, Urt. v. 20.04.2023, 3 Sa 86/22 B).

1. (Teilweise) Umstellung einer Versorgungszusage von ausschließlich monatlichen Rentenleistungen auf Kapitalleistung bedarf auch bei anschließend gleichwertiger oder höherer Versorgungsleistung einer eigenständigen Rechtfertigung (BAG Urt. v. 20.06.2023, 3 AZR 231/22)

In seinem Urteil vom 20.06.2023 (3 AZR 231/22) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Gelegenheit, seine Rechtssätze zur Wirksamkeit der Umstellung der in einer bAV-Zusage ursprünglich zugesagten laufenden Rentenleistungen auf eine Kapitalleistung auf Fallkonstellationen fortzuentwickeln, die eine (nur) teilweise Umstellung auf die Kapitalleistung inkludieren.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der beklagte Arbeitgeber dem klagenden Versorgungsbegünstigten ursprünglich eine bAV-Zusage über eine Sprecherausschussvereinbarung als Rechtsgrundlage (VO 1995) erteilt, die Versorgungsleistungen als laufende Rentenleistungen beinhaltete. Die Beklagte modifizierte die bAV-Zusage im Jahr 2004 durch weitere Sprecherausschussvereinbarungen (VO 2004) mit Wirkung zum Ablösungsstichtag des 31.12.2023 in der Weise, dass (1) die bis zum 31.12.2023 aus der VO 1995 erdienten Anwartschaften (Past Service) in einen sog. Startbaustein kalkuliert werden, aus dem die versorgungsbegünstigten Arbeitnehmer im Leistungsfall Altersrentenleistungen nach Maßgabe der VO 1995 erhalten, und (2) die ab dem Ablösungsstichtag noch erdienbaren Anwartschaften (Future Service) als jährliche Kapitalbausteine determiniert werden, die im Leistungsfall als Kapitalleistung (Einmalkapital zuzüglich einer etwaigen Überschussbeteiligung auf die Kapitalbausteine) gewährt werden.

Die Beklagte ermittelte nach Maßgabe der VO 2004 für den Kläger Versorgungsleistungen als monatliche Rente in Höhe von 1.945 EUR und ein Einmalkapital von 110.727 EUR zzgl. einer Überschussbeteiligung von 44.000 EUR. Bei ausschließlicher Durchführung der VO 1995 hätte der Kläger einen Anspruch auf monatliche Rentenleistungen in Höhe von 2.628 EUR gehabt.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass die Beklagte im Leistungsfall zur Erbringung von Versorgungsleistungen aus der bAV-Zusage ausschließlich auf der Grundlage der VO 1995 verpflichtet ist. Er machte geltend, dass die VO 2004 die VO 1995 nicht habe ersetzen können, da er nach der VO 2004 gegenüber der VO 1995 insgesamt – mit Blick auf die deutlich geringeren monatlichen Rentenleistungen – schlechter gestellt sei und die Ablösung der VO 1995 durch die VO 2004 daher nicht dem betriebsrentenrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt habe. Die Beklagte erwiderte auf die Klage, dass die Ablösung wirksam habe erfolgen können, da eine wirtschaftliche Verschlechterung des Klägers bei kumulativer Berücksichtigung der nach der VO 2004 gewährten Versorgungsleistungen in Form der monatlichen Rentenleistungen und der Kapitalleistung nicht gegeben sei. Die Umstellung der Versorgungsregelungen sei zudem auch durch ein Vereinheitlichungsinteresse der Versorgungssysteme bei der Beklagten gedeckt gewesen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) gaben der Klage statt. Das BAG gab der Revision der Beklagten statt und verwies das Urteil zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LAG zurück.
Das BAG stützte dabei seine rechtliche Bewertung zur Wirksamkeit der Ablösung der VO 1995 durch die VO 2004 im Ausgangspunkt auf die in seinem Urteil vom 15.05.2012 (3 AZR 11/10) zur Umstellung von laufenden Rentenleistungen in einer bAV-Zusage auf eine Kapitalleistung aufgestellten Rechtssätze, demnach die Umstellung bei Wertgleichheit der maßgeblichen Barwerte dem betriebsrentenrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss – und nicht nach Maßgabe seiner Drei-Stufen-Theorie (grundlegend von ihm entwickelt in seinem Urteil vom 17.04.1985, 3 AZR 72/83), sondern nach den allgemeinen Kriterien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes erfolgen muss. Das BAG hatte hierzu bereits in dem Urteil vom 15.05.2012 ausgeführt, dass im Rahmen dieser Interessenabwägung der Arbeitgeber unter anderem ein Vereinheitlichungsinteresse auf die bestehenden Versorgungszusagen anführen kann, und zugunsten des Arbeitnehmers als Beurteilungskriterien insbesondere zu berücksichtigen sind, dass (1) laufende Rentenleistungen für ihn eine besondere Wertigkeit haben, welche einer einmaligen Kapitalleistung nicht im selben Umfang zukomme, da der Arbeitgeber mit der Kapitalleistung das Langlebigkeitsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagere und Kapitalleistungen gegenüber laufenden Rentenleistungen nicht der Anpassungs(prüfungs)pflicht nach Maßgabe des § 16 BetrAVG unterliegen, und (2) Kapitalleistungen in der Regel für den Arbeitnehmer eine höhere Steuerlast bedingen als Rentenleistungen.

Die Interessenabwägung könne dabei regelmäßig erst erfolgen, wenn feststehe, ob die Neuregelung die Versorgungsleistungen verschlechtert. Zum Vergleich der Leistungen seien die Versorgungsleistungen nach den Versorgungsregelungen der Altzusage und der Neuzusage zu berechnen, wobei die Umrechnung des Kapitals zur Vergleichbarkeit der Zusagen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen, und zwar nach den aktuellen biometrischen Rechnungsgrundlagen („Richtwerten“) bei Eintritt des Versorgungsfalls maßgeblich seien. Das BAG stellt dabei klar, dass im vorliegenden eine geringere oder höhere Versorgungsleistung erst zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls festgestellt werden könne, da erst dann die in der Neuzusage gewährten, aber betragsmäßig nicht garantierten Überschüsse feststünden, die bei der Ermittlung der Höhe der Leistungen zu berücksichtigen seien.

Je nachdem, ob die Leistung, die der Arbeitnehmer aus der Neuzusage erhalte, niedriger, gleichwertig oder höher sei, als die Rente, die er nach der Altzusage erhalten hätte, seien unterschiedliche Anforderungen an die erforderliche gesonderte Rechtfertigung der Umstellung zu stellen. Ergibt die vergleichende Barwertberechnung eine Differenz zu Lasten des Arbeitnehmers, beurteilt sich die Ablösung nach der Drei-Stufen-Theorie. Ist nach der vergleichenden Barwertberechnung keine Differenz zu verzeichnen, hat die Interessenabwägung allein anhand der vorgenannten Beurteilungskriterien zu erfolgen. Dabei sei bei einer nur teilweise erfolgten Umstellung von Rentenleistungen auf Kapitalzahlungen zu beachten, in welchem Verhältnis diese beiden Teile zueinanderstehen. Je höher der Anteil der Leistung sei, der als laufende Leistung fortgewährt werde, desto geringer sei das Gewicht der Interessen des Arbeitnehmers an der vollständigen Beibehaltung der Rentenleistungen. Dies gelte insbesondere, wenn – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich der zeitlich kürzere Future Service als Kapitalleistung bestimmt werde und daher der wesentlichen Leistungsbestandteil der bAV-Zusage in Form von monatlichen Rentenleistungen gewährt werde.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung – und aus Arbeitgebersicht sehr hilfreich, da sie Arbeitgebern bei Restrukturierungen von bAV-Zusagen einen relevanten Gestaltungs- und Argumentationsspielraum im Fall einer nur teilweisen Kapitalisierung von ursprünglich als laufende Rentenleistungen zugesagten Versorgungszusagen zur Hand gibt. Die Entscheidung schafft zugleich für die in der jüngeren Vergangenheit in der Praxis bei solchen Restrukturierungen häufig angewendete Fallkonstellation – etwas mehr – Rechtssicherheit, dass allein der Future Service als Kapitalleistung versprochen wird und Versorgungsleistungen aus dem Past Service (unverändert) als monatliche Rentenleistungen gewährt werden.

 

2. Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Senkung der Pensionsleistungen durch die Pensionskasse (BAG Urt. v. 14.03.2023, 3 AZR 197/22)

In seinem Urteil vom 20.06.2023 (3 AZR 231/22) hatte das BAG Gelegenheit seine Rechtsprechung zur Einstandspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Versorgungsbegünstigten in einer bAV-Zusage im Durchführungsweg der Pensionskasse aufgrund des betriebsrentenrechtlichen Verschaffungsanspruchs gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG bei Leistungskürzungen der Pensionskasse fortzuführen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der beklagte Arbeitgeber dem klagenden Versorgungsbegünstigten eine bAV-Zusage über die Pensionskasse der Caritas (PKC) erteilt. Konkret enthielt hierzu der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag einen Verweis auf die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes‘ (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung und die AVR bestimmten unter anderem die Verpflichtung des Arbeitgebers zur bAV, „die Versorgung der Mitarbeiter für Alter und Invalidität gemäß den Bestimmungen der Anlage 8 zu den AVR (Versorgungsordnung) zu veranlassen“. Die Anlage 8 zu den AVR bestimmte in dem dort geregelten Versorgungsplan unter anderem, dass sich die Versorgungsansprüche der Versorgungsbegünstigten nach Maßgabe der Satzung der PKC bestimmten. Die Satzung der PKC enthielt neben der inhaltlichen Bestimmung der Versorgungsleistungen auch eine Sanierungsklausel mit folgendem Inhalt:

„Weist die versicherungstechnische Bilanz einen Fehlbetrag aus, so ist dieser zu Lasten der Verlustrücklage und danach der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) auszugleichen. Wenn die Verlustrücklage und die RfB hierfür nicht ausreichen, sind zur Deckung des verbleibenden Fehlbetrages durch Beschluss der Vertreterversammlung aufgrund von Vorschlägen des Verantwortlichen Aktuars die Beiträge der Mitglieder zu erhöhen oder die Beitragszahlungsdauer zu verlängern oder Versicherungsleistungen herabzusetzen oder Änderungen der genannten Art gleichzeitig vorzunehmen. Alle Maßnahmen zur Beseitigung von Fehbeträgen haben auch für bestehende Versicherungsverhältnisse Wirkung und bedürfen für die von der Aufsichtsbehörde, für die nicht genehmigten Tarife der Zustimmung des nach § 142 VAG erforderlichen Treuhänders. Eine Erhebung von Nachschüssen ist ausgeschlossen.“

Die Klägerin bezog aus der bAV-Zusage seit dem Jahr 2014 eine Altersrente von der PKC. Die PKC geriet 2019 in wirtschaftliche Schwierigkeiten und teilte ihren Versorgungsbegünstigten im September 2019, unter Verweis auf die Sanierungsklausel mit, dass sie die Rentenleistungen mit Wirkung ab den 01.01.2020 kürzen werde, im Fall der Klägerin in einem Umfang von 10,15 EUR monatlich.

Die Klägerin machte daraufhin diesen Differenzbetrag (zwischen der nach dem Versorgungsplan zu gewährenden monatlichen Altersrentenleistung und der nach der Kürzung von der PKC gewährten Versorgungsleistung) gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte trat dem Klagebegehren mit der Argumentation entgegen, dass sie keine bAV-Zusage erteilt habe, sondern lediglich eine reine Beitragszusage. Zudem habe die von der PKC unter Berufung auf die Sanierungsklausel vorgenommene Kürzung der Versorgungsleistungen auch zugunsten der Beklagten zu gelten.

Das BAG gab der Klage statt und erkannte die Einstandspflichtigkeit der Beklagten aus dem Verschaffungsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG an, demnach der Arbeitgeber zur Erfüllung der von ihm in der bAV-Zusage zugesagten Leistungen (bAV-Leistungen) einzustehen hat, auch wenn die Durchführung über einen externen Versorgungsträger wie die Pensionskasse erfolge und vorliegend die PKC von einem in der Satzung vorgesehenen Leistungskürzungsrecht Gebrauch mache. Es interpretierte die nach den angeführten Rechtsgrundlagen erteilte bAV-Zusage im Ausgangspunkt als eine solche nach dem BetrAVG und nicht als reine Beitragszusage. Es verneinte – in Fortsetzung seiner Rechtsprechung (u.a. aus seinem Urteil vom 10.02.2015, 3 AZR 65/14) die in der Satzung geregelte Sanierungsklausel als Bestandteil der bAV-Zusage, da diese nur den Durchführungsweg zwischen der Beklagten und der PKC betreffe und sich nicht auf das arbeitsrechtliche Grundverhältnis beziehe. Der Verschaffungsanspruch aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG inkludiere insoweit einen verschuldensunabhängigen Erfüllungsanspruch des Versorgungsberechtigten und die Einstandspflicht des Arbeitgebers gelte auch insbesondere mit der im Jahr 2019 erfolgten Neufassung des § 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG für Versorgungszusagen auch bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über Pensionskassen, wobei die Erweiterung des gesetzlichen Insolvenzschutzes über den PSV auf die Differenz zwischen der Versorgungszusage des Arbeitgebers und der relevanten geringeren Leistung der Pensionskasse die Einstandspflicht bestätige.

Fazit

Das Urteil fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des BAG ein. Arbeitgeber, die eine bAV-Zusage im externen Durchführungsweg (v.a. der Pensionskasse) erteilen, sollten daher – unverändert – ein bedarfsgerechtes Risikomanagement in Bezug auf die Durchführung der bAV-Zusage implementieren und anwenden, um Haftungsrisiken aus der Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG weitgehend zu mitigieren. Das bedarfsgerechte Risikomanagement hat neben einer sorgfältigen Auswahl des externen Versorgungsträgers eine aktive Ausübung aller materiellen Rechte aus dem Versicherungsvertragsverhältnis mit der Pensionskasse zu umfassen. Das Urteil zeigt zudem anschaulich einmal mehr die Anforderungen an eine sorgfältige inhaltliche und formale Ausgestaltung von Versorgungszusagen auf; insbesondere, wenn Arbeitgeber solche – im Einzelfall – als reine Beitragszusagen erteilen wollen und in diesem Fall durch transparente Formulierungen eine mögliche Auslegung der Versorgungszusage als bAV-Zusage im Sinne des BetrAVG vermeiden wollen.

 

3. Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistung aus einer bAV-Zusage auch in Bezug auf unstreitige Ansprüche, wenn (nur) ein Teil der Ansprüche in Streit steht (BAG Urteil v.14.03.2023, 3 AZR 175/22)

In seinem Urteil vom 14.03.2023 (3 AZR 175/22) hatte das BAG Gelegenheit, seine Leitsätze zur Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistungen aus einer bAV-Zusage fortzuentwickeln auf Sachverhalte, in denen (auch) unstreitige Ansprüche aus der bAV-Zusage Streitgegenstand des Rechtsstreits sind.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die Parteien – zuletzt noch – über die Zulässigkeit der Klage auf zukünftige wiederkehrende Leistungen aus einer sich aus verschiedenen Versorgungsbestandteilen zusammensetzenden bAV-Zusage, welche die beklagte Arbeitgeberin zum Teil unstreitig anerkannte. Der klagende Versorgungsbegünstigte war zum Ende des Kalenderjahres 2019 aus dem Arbeitsverhältnis mit der beklagten Arbeitgeberin ausgeschieden und bezog seit Januar 2020 aus der bAV-Zusage eine monatliche Betriebsrente, die unter anderem eine monatliche Rentenleistung der Beklagten in Höhe von 440,08 EUR und Leistungen einer Pensionskasse in Höhe von 184,86 EUR umfasste. Der Kläger begehrte von der Beklagten mit Wirkung ab Juli 2021 die Gewährung von monatlichen Versorgungsleistungen in Höhe von insgesamt 3.193,78 EUR. In diesem Betrag waren die vorgenannten von der Beklagten bereits unstreitig zuerkannten und auch seit Januar 2020 gewährten Versorgungsleistungen inkludiert. Die Beklagte wandte im Rechtsstreit ein, dass für die Klage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe, soweit die Ansprüche unstreitig seien, und die Klage daher in diesem Umfang bereits unzulässig sei.

Das BAG gab der Klage statt. Es erkannte die Zulässigkeit der Klage auch im Umfang des unstreitigen Teils mit der Begründung, dass Leistungsansprüche aus einer bAV-Zusage vom Arbeitgeber unabhängig von einer Gegenleistung gewährt würden und daher die Erhebung einer Klage gem. § 258 ZPO grundsätzlich auch auf zukünftige Leistung oder Teile davon möglich sei und hierfür ein besonderes Rechtsschutzinteresse – im Gegensatz zu Klagen wegen Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung nach § 259 ZPO – nicht erforderlich sei. Für die Zulässigkeit einer Klage auf zukünftige Leistungen sei bereits ein relevantes Titulierungsinteresse des klagenden Versorgungsbegünstigten ausreichend, dass bei typisierender Betrachtung bereits deshalb angenommen werden könnte, weil der bis dato freiwillig und pünktlich leistende Arbeitgeber seine Leistungen jederzeit einstellen könnte. Dies aus dem Grund, dass Gläubigern erspart werden soll, über jede Rate auf Grundlage eines wiederholenden Sachvortrags identische Titel zu erwirken und gegebenenfalls auch auf die laufende pünktliche Zahlung von laufenden Leistungen angewiesen sein. Einschränkend zu diesem Rechtssatz wies das BAG zugleich darauf hin, dass der Arbeitgeber in Ausnahmefällen den Einwand des Rechtsmissbrauchs erheben könne, wenn offensichtlich kein Interesse des klagenden Betriebsrentners an einer Titulierung seiner künftigen Ansprüche und insofern kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Da im vorliegenden Fall jedoch einzelne Teile der Versorgungsansprüche streitig gewesen seien, liege ein solcher Ausnahmefall nicht vor.

Fazit

Arbeitgeber haben das Urteil in die Klaviatur möglicher Rechtsstreite über erteilte bAV-Zusage einzuordnen und zu beachten, da der einzelne versorgungsbegünstigte Kläger im Fall des Obsiegens mit dem Urteil auch einen auf den von den Parteien – bis dato – unstreitigen Leistungsanteil der Versorgungsleistungen bezogenen Vollstreckungstitel erhält.

 

4. Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung einer betrieblichen Altersversorgung auf Grund einer tarifvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag – auch bei nicht möglicher Durchführung der bAV-Zusage über den im Bezug genommenen Tarifvertrag bestimmten Versorgungsträger (VBL) (LAG Niedersachsen Urt. v. 20.04.2023, 3 Sa 86/22 B)

In seinem Urteil vom 20.04.2023 (3 Sa 86/22 B) hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen Gelegenheit über einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung einer betrieblichen Altersversorgung auf Grund einer tarifvertraglichen Bezugnahmeklausel auch für den Fall zu entscheiden, dass der Arbeitgeber die bAV-Zusage über den im Bezug genommenen Tarifvertrag bestimmten Versorgungsträger faktisch nicht durchführen kann.

Der klagende Arbeitnehmer war seit dem 01.04.2017 als Rettungssanitäter beim beklagten Arbeitgeber, der einen Rettungsdienst betrieb, tätig. Der dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende Arbeitsvertrag bestimmte eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Allgemeiner Teil/VKA (TVöD-AT/VKA) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Der TVöD -AT/VKA bestimmt einen Anspruch der Tarifbeschäftigten auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe des Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) bzw. des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge – TV-Kommunal – (ATV-K), die jeweils eine bAV-Zusage der öffentlichen Zusatzversorgung über den VBL bestimmen. Die Beklagte war und ist nicht Mitglied der VBL; dies auch deshalb, da sie nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft bei der VBL erfüllte.

Der Kläger forderte die Beklagte in der Folgezeit auf, ihn gemäß TVöD-AT/VKA in Verbindung mit dem ATV-K bei der VBL zu versichern. Da die Beklagte dem Begehr nicht nachkam, erhob der Kläger Klage mit den Anträgen, dass die Beklagte ihn bei der VBL gegen Zahlung einer monatlichen Umlage zu versichern habe, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Versorgungsfalle die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihm zustünden, wenn er bei der VBL versichert worden wäre.

Die Beklagte hielt dem klägerischen Begehr entgegen, dass sie kein Mitglied der VBL sei und werden könne – und bereits vor diesem Hintergrund er keinen Anspruch auf die Verschaffung der von ihm begehrten bAV-Zusage habe.

Das LAG Niedersachsen entschied, dass der Kläger durch die mehrstufige Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag, die auf den TVöD-AT/VKA Bezug nimmt, welcher wiederum auf den ATV-K verweist, einen Verschaffungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG auf eine relevante betriebliche Altersversorgung habe, die allerdings nicht durch eine Mitgliedschaft der Beklagten über die VBL zu gewähren sei, sondern im Rahmen des Verschaffungsanspruchs aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG angesichts der satzungsmäßig nicht möglichen Mitgliedschaft der Beklagten unmittelbar von dieser zu bewirken sei. Es stellte klar, dass der Verschaffungsanspruch aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG angesichts seiner Funktion zur Schließung der Lücke, die sich zwischen der Versorgungszusage einerseits und der Ausgestaltung des Durchführungswegs andererseits ergeben könne, auch dann gegeben sei, wenn der Arbeitgeber die Durchführung der bAV-Zusage über den relevanten externen Versorgungsträger bereits aus rechtlichen Gründen bewirken kann. Der Verschaffungsanspruch als solcher ergebe sich dabei durch die mehrstufige Verweisung auf den ATV, die für sich eine Bezugnahme des gesamten arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifwerks inkludiere. Ein Anspruch des Klägers auf unmittelbare Versicherung bei der VBL durch die Beklagte bestehe jedoch nicht. Dieser scheitere bereits mangels Beteiligungsvereinbarung zwischen der Beklagten und der VBL sowie mangels Vorliegens der Aufnahmevoraussetzungen für die Beklagte bei der VBL.

Fazit

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen zeigt anschaulich die inhaltliche Reichweite der Einstandspflicht des Arbeitgebers aus dem Verschaffungsanspruch des versorgungsbegünstigten Arbeitnehmers aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG auf, die auch bAV-Zusagen in externen Durchführungswegen erfasst, in denen der Arbeitgeber aus rechtlichen Gründen keine Durchführung der bAV-Zusage über den relevanten externen Versorgungsträger herbeiführen kann. Inhaltlich fügt sich die Entscheidung in die Rechtsprechung des BAG zu den § 613a BGB-Betriebsübergang-Sachverhalten des Verschaffungsanspruchs des versorgungsbegünstigten Arbeitnehmers gegen den Betriebserwerber ein, wenn dieser nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses die vom bisherigen Betriebsinhaber über einen externen Durchführungsweg erteilte bAV-Zusage über den konkreten externen Versorgungsträger nicht erbringen kann. Die Prüfung der rechtlich möglichen Durchführung der bAV-Zusage über den zugesagten externen Durchführungsweg mit dem relevanten externen Versorgungsträger gehört vor diesem Hintergrund einmal mehr in den Pflichtenkatalog eines Arbeitgebers, der die (Neu-)Einführung einer entsprechenden bAV-Zusage beabsichtigt.

Stand: November 2023

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