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BT8 MaComp 2024

Die Neuerungen im BaFin-Rundschreiben vom 28.02.2024

Die am 28. Februar 2024 veröffentlichte aktualisierte Fassung des BaFin-Rundschreibens 05/2018 zu den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp) enthält im Modul BT8 überarbeitete Regelungen zu den Vergütungssystemen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDU) im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen. Wir fassen in diesem Client Alert die wesentlichen Neuerungen zusammen.

Die BaFin überführt mit der Aktualisierung der BT8 MaComp 2024, die von der ESMA am 31. März 2022 veröffentlichten aktualisierten Leitlinien zu den MiFID II-Vergütungsanforderungen ESMA35-43-5605, „ESMA-Leitlinien“ in ihre Verwaltungspraxis. Die BT8 MaComp 2024 löste mit Wirkung zum 28. Februar 2024 die seit der letzten Überarbeitung seit Mai 2023 geltende Vorgängerregelung ab.

Aus aufsichtsrechtlicher Sicht konkretisieren BT8 MaComp und die ESMA-Leitlinie die in Art. 27 und 34 der Delegierten Verordnung 2017/565 der Kommission („DelVO“) i.V.m. Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) sowie in §§ 63 Abs. 3, 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) bestimmten allgemeinen Vorgaben zur hinreichenden Berücksichtigung der Kundeninteressen in der inhaltlichen Ausgestaltung der Vergütungssysteme und die damit korrespondierende Sicherstellung, dass diese durch die Vergütungssysteme nicht beeinträchtigt werden. Die MaComp inkludieren aus rechtsmethodischer Sicht eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift und kein materielles Gesetz. Sie sind gleichwohl vom Rechtsanwender zu beachten, indem sie über die Selbstbindung der BaFin als sog. soft law faktisch eine (gewisse) Rechtsverbindlichkeit erlangen.

Aus rechtsmethodischer Sicht ist außerdem zu berücksichtigen, dass die BaFin bereits Ende 2023 die nach Art. 16 Abs. 3 S. 2 der Verordnung 1095/2010 zur Errichtung der ESMA relevante Erklärung abgegeben hatte den ESMA-Leitlinien zu folgen (comply). Vor diesem Hintergrund sind die in den ESMA-Leitlinien verlautbarten Rechtssätze auch bei der Auslegung des BT8 MaComp zu berücksichtigen.

Systematisch hat die BaFin BT8 MaComp neu geordnet und gliedert nunmehr zwischen den Regelungen zum Anwendungsbereich und zum Verhältnis zu anderen aufsichtsrechtlichen (gesetzlichen) Vorschriften (BT 8.1), den Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Vergütungssysteme (BT 8.2) sowie den Regelungen zur Vergütungsgovernance (BT 8.3 und 8.4).

 

1. Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der relevanten Personen

Erweitert hat die BaFin im Ausgangspunkt den persönlichen Anwendungsbereich der BT8 MaComp. Als relevante Personen erfasst werden nunmehr nicht nur Mitarbeiter in einem Arbeitsverhältnis mit dem WPDU, sondern darüber hinaus auch externe natürliche Personen, die an den vom WPDU erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten beteiligt sind (BT8 1.2 MaComp i.V.m. Art. 2 Nr. 1 DelVO). Der konkrete persönliche Anwendungsbereich erfasst gemäß BT8 1.2 MaComp i.V.m. Art. 27 Abs. 2 DelVO alle relevanten Personen, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf die vom WPDU erbrachten Wertpapier- und Nebendienstleistungen oder das unternehmerische Verhalten haben, soweit die Vergütung dieser Personen zu einem Interessenkonflikt führen können, der diese zumindest veranlasst, gegen die Interessen der Kunden des WPDU zu handeln. Über diese relevanten Personen hinaus bezieht die BaFin erstmals auch die Kontrollfunktionen des Risikomanagements und der Innenrevision in den neuen Regelungsrahmen des BT 8.2.4 MaComp ein.

 

2. Der aufsichtsrechtliche Leitsatz der Subsidiarität

Der überarbeitete BT8 MaComp folgt in den inhaltlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme und an die Vergütungsgovernance unverändert dem aufsichtsrechtlichen Leitsatz der Subsidiarität (BT 8.1.1). Demnach tritt BT8 MaComp hinter den auf die Vergütungssysteme des WPDU anwendbaren aufsichtsrechtlichen gesetzlichen Regelungen zurück, sofern BT8 diesen widerspricht. 

Die konkrete Anwendung dieses Leitsatzes hat anhand des allgemeinen rechtsmethodischen Kanons zu erfolgen, der neben dem Wortlaut die Gesamtsystematik und den Zweck der relevanten gesetzlichen Regelungen inkludiert. 

Bei der Beurteilung der Reichweite der Subsidiarität in Bezug auf den konkreten gesetzlichen Regelungskreis ist zu beachten, dass die Regelungen des BT8 MaComp sich auf die vergütungsbezogenen Risiken fokussieren, die aus der konkreten Tätigkeit des einzelnen von BT8 MaComp erfassten Mitarbeiters für die Rechtsposition der Kunden des WPDU bestehen. Der Schutzzweck des BT8 MaComp ist – allein – auf diese vergütungsrelevanten Kundeninteressen gerichtet. Er soll vergütungsbezogene Interessenkonflikte vermeiden und die Einhaltung der Wohlverhaltensregelungen sicherstellen. 

Zudem ist aus rechtssystematischer Sicht zu berücksichtigen, dass die ESMA im Konsultationsverfahren zu den ESMA-Leitlinien das aus der Praxis wiederholt geäußerte Bedürfnis nach einem ganzheitlichen und widerspruchsfreien Regelungsrahmen zu den Vergütungssystemen der jeweiligen (Wertpapierdienstleistungs-)Unternehmen im Finanzmarkt („Single Book of Sound Compensation“) erneut bestätigt hat (unter anderem im finalen Bericht zum Konsultationsverfahren vom 31. März 2022 etwa unter Annex IV Rdnr. 3).

Dies bedingt folgende Leitlinien für die Anwendung des Subsidiarität-Leitsatzes in Bezug auf die einzelnen gesetzlichen Regelungen:

  • Für WPDU, die zugleich als Institute im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 IVV zu qualifizieren sind und deren Vergütungssysteme der Institutsvergütungsverordnung (IVV) und den weiteren relevanten aufsichtsrechtlichen Regelungen des § 25a KWG sowie der diese zugrunde liegenden Richtlinie 2013/36/EU (in der Fassung der Richtlinie 2019/878/EU (CRD V, s. dazu unseren Client Alert) unterliegen: Diese gesetzlichen Regelungen bezwecken im Kern die monetäre Verhaltensincentivierung des einzelnen Mitarbeiters zu einem Verhalten im Einklang mit der nachhaltigen Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts. In der Praxis wird aus diesem institutsbezogenen Schutz teilweise der Rechtssatz abgeleitet, dass die Schutzzwecke des BT8 MaComp und der weiteren gesetzlichen Vorgaben für Institute (und hier vor allem der IVV) nebeneinander bestehen können und daher die Regelungen des BT8 MaComp für die Vergütungssysteme der relevanten Personen zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben der Institute treten. Der kundenbezogene Schutzzweck ist bei typisierter Betrachtung regelmäßig auch in der Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts berücksichtigt und wird über die zentrale Vorgabe des § 4 IVV (= zwingende Vereinbarkeit der Vergütungsstrategie mit der Geschäfts- und Risikostrategie) sowie für einzelne Kundengruppen des WPDU auch über § 5 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 IVV von den aufsichtsrechtlichen gesetzlichen Vorgaben abgedeckt. Die IVV bestimmt zudem in ihrem persönlichen Anwendungsbereich einen extensiven aufsichtsrechtlichen Mitarbeiterbegriff, der neben den in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeiter auch sämtliche externe Mitarbeiter inkludiert, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 IVV erfüllen. Von den aufsichtsrechtlichen gesetzlichen Vorgaben werden daher sämtliche Mitarbeiter erfasst, die auch den Vorgaben des BT8 MaComp unterliegen.

    Vor diesem Hintergrund sprechen materielle Gründe dafür, die Regelungen des BT8 MaComp und damit verbunden den Subsidiarität-Leitsatz ganzheitlich auf die aufsichtsrechtlichen gesetzlichen Vorgaben auszurichten; d.h., in die Beurteilung seiner Anwendung sind auch die systematischen Wertungen und Beweggründe des Gesetzgebers zur konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen vor allem der IVV zu beachten. Bei der Anwendung des BT8 MaComp auf WPDU, die zugleich Institute nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 IVV sind, ist daher zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der IVV zu den Vergütungssystemen und zur Vergütungsgovernance im zweiten Abschnitt allgemeine Vorgaben gemacht und über § 1 Abs. 3 IVV (als Ausfluss des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes) bestimmt hat, dass die besonderen Vorgaben des dritten Abschnitts (unter anderem zur zwingenden angemessenen Berücksichtigung von Performanceparametern auf den Ebenen des Instituts/der Gruppe, der Organisationseinheit und der individuellen Erfolgsbeiträge und der Fixierung der individuellen Erfolgsbeiträge in Zielvereinbarungen mit der Verwendung von qualitativen und quantitativen Kriterien gemäß § 19 Abs. 1 und 2 IVV, zur teilweisen Gewährung der variablen Vergütung in Deferrals und zur Implementierung einer Clawback- und Malussystematik nach Maßgabe der §§ 18 und 20 IVV) nur auf die als Risikoträger identifizierten Mitarbeiter von bedeutenden Instituten sowie von qualifizierten nichtbedeutenden Instituten anwendbar sein sollen. Dies bedingt etwa, dass die in BT 8.2.1.2 MaComp bestimmte ausreichende Berücksichtigung von qualitativen Kriterien für die variable Vergütung von relevanten Personen, die nicht den Anforderungen der §§ 18ff. IVV unterliegt, nicht zwingend durch vereinbarte Ziele als Performanceparameter zu erfolgen hat, sondern weiterhin durch eine relevante Ausgestaltung des Katalogs der negativen Erfolgsbeiträge nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 IVV erfolgen kann.
  • Für WPDU, die zugleich als Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zu qualifizieren sind und deren Vergütungssysteme gemäß § 37 Abs. 1 und 2 KAGB als AIF-KVG den Vorgaben des Anhang II der Richtlinie 2011/61/EU und/oder als OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaft den Vorgaben der Art. 14a und 14b der Richtlinie 2009/65/EG (in der Fassung der Richtlinie 2014/91/EU) unterliegen: Für diesen Unternehmenskreis ist zu berücksichtigen, dass die vorgenannten gesetzlichen Regelungen (1) jeweils nur auf die als Risikoträger identifizierten relevanten Personen anwendbar ist und daher der Subsidiarität-Leitsatz für die Vergütungssysteme der sonstigen relevanten Personen des WPDU keine praktische Relevanz hat, und (2) in Bezug auf die Risikoträger im Kern die monetäre Verhaltensincentivierung des einzelnen Risikoträgers zu einem Verhalten im Einklang mit der nachhaltigen Geschäfts- und Risikostrategie der KVG bezweckt. BT8 MaComp ist nach diesen Rechtssätzen für die als Risikoträger identifizierten relevanten Personen ganzheitlich auf die gesetzlichen Vorgaben auszurichten und auf die Vergütungssysteme der sonstigen relevanten Personen des WPDU ohne Einschränkung durch relevante gesetzliche Vorgaben anwendbar.
  • Für WPDU, die zugleich als Wertpapierinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) zu qualifizieren sind, ist zu differenzieren (s. zu dieser Differenzierung auch unseren Client Alert):

    Für Große Wertpapierinstitute im Sinne der Art. 1 Abs. 2 der EU-Verordnung 2019/2033 (IFR), § 2 Abs. 18 WpIG gilt die vorgenannte Abgrenzung für Institute gleichermaßen, da deren Vergütungssysteme ebenfalls den gesetzlichen Vorgaben unter anderem der IVV unterliegen.

    Für Mittlere Wertpapierinstitute im Sinne der Art. 2 Abs. 17 WpIG, deren Vergütungssysteme den gesetzlichen Vorgaben des § 46 WpIG und der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV) unterliegen, gilt die vorgenannte Abgrenzung für Kapitalverwaltungsgesellschaften gleichermaßen, da die WVV nur auf die als Risikoträger identifizierten relevanten Personen anwendbar ist und in Bezug auf die Risikoträger im Kern die monetäre Verhaltensincentivierung des einzelnen Risikoträgers zu einem Verhalten im Einklang mit der nachhaltigen Geschäfts- und Risikostrategie des Mittleren Wertpapierinstituts bezweckt.

    Die Vergütungssysteme von Kleinen Wertpapierinstituten im Sinne der Art. 12 Abs. 1 IFR, § 2 Abs. 16 WpIG unterliegen demgegenüber keinen weitergehenden gesetzlichen Vorgaben, so dass der Subsidiarität-Leitsatz für deren Vergütungssysteme grundsätzlich keine praktische Relevanz hat.

 

3. Von BT8 MaComp erfasste Vergütungsbestandteile

Inhaltlich weitgehend unverändert gegenüber der Vorfassung hat die BaFin den Vergütungsbegriff nach Maßgabe der Regelungen der BT 8.1.3 bis 8.1.5 MaComp belassen. Von BT8 MaComp erfasst werden generell alle Vergütungsbestandteile, die die relevante Person in Bezug auf ihre Tätigkeit im Rahmen der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen vom WPDU oder von einem Dritten erhält. Gemäß BT 8.1.5 MaComp fallen auf der Grundlage eines Tarifvertrags gewährte Vergütungsbestandteile nicht unter die BT8 MaComp. Inhaltlich unverändert bestimmt BT 8.1.4 MaComp, dass unter anderem Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowie alle Vergütungsbestandteile, die aufgrund einer gesetzlichen Regelung oder als gesetzliche Beiträge gewährt werden, ebenfalls nicht der BT8 MaComp unterliegen.

 

4. Inhaltliche Regelungen zu den Vergütungssystemen: Der aufsichtsrechtliche Leitsatz der Proportionalität

In den inhaltlichen Regelungen zu den Vergütungssystemen unterscheidet BT8 MaComp auch in der Neufassung zwischen Regelungen, die vom WPDU für die relevanten Personen – unter Beachtung des Subsidiaritäts-Leitsatzes – zwingend zu beachten sind, sowie Regelungen, deren Anwendung das WPDU auf der Grundlage des aufsichtsrechtlichen Proportionalität-Leitsatzes zu prüfen und zu beurteilen sowie das Beurteilungsergebnis zu dokumentieren hat. 

Die Abgrenzung dieser beiden Regelungskreise hat die BaFin – im Anschluss an die Verlautbarung der ESMA in den ESMA-Leitlinien – gekennzeichnet: Regelungen mit den Termini „soll“, „muss“, „hat“ oder „verpflichtet zu“ inkludieren zwingende Regelungen, die im Kern die zwingenden gesetzlichen Vorgaben weiter konkretisieren. Regelungen mit dem Terminus „sollte“ umfassen die dem aufsichtsrechtlichen Proportionalität-Leitsatz unterliegenden Regelungen.

Die zwingenden Regelungen inkludieren im Kern folgenden Vorgaben:

  • Hinreichende Berücksichtigung und Definition von qualitativen Kriterien für die Vergütung (BT 8.2.1.2 und 8.2.1.3, 8.2.1.9): Während die Vorfassung dieses Kriterium nur auf die Performanceparameter der variablen Vergütung bezog, bestimmt BT8 MaComp 2024 die Anwendung dieser Regelung auf alle der BT8 MaComp unterliegende Vergütungsbestandteile. In der Praxis dürfte sich der Anwendungsbereich der Regelung im Kern weiterhin auf die variable Vergütung beziehen – und hierzu soll diese Vorgabe sicherstellen, dass die Beachtung des Kundeninteresses einen materiellen Performanceparameter bildet und insoweit die variable Vergütung nicht nur auf der Grundlage von quantitativen Parametern ermittelt wird, die bei typisierter Betrachtung auf Erfolgskennziffern des WPDU (z.B. EBIT, auf das Wertpapierdienstleistungsgeschäft bezogene Deckungsbeitrag-Kennziffern) abstellen und nicht primär auf das Kundeninteresse ausgerichtet sind.

    BT8 MaComp enthält für die konkrete Umsetzung dieser Regelung – unverändert – keine weitergehenden Vorgaben. WPDU können diese daher in der Vergütungssystematik für die variable Vergütung weiterhin auf der Ebene der Performanceparameter (bei einer Zielvereinbarung-Systematik als qualitative Ziele und bei einseitigen Zielvorgaben bzw. einer ermessensbasierten Systematik als vom WPDU vorgegebene Kriterien/ermessensleitende Parameter) und/oder auf der Ebene der Prüfung von etwaigen negativen Erfolgsbeiträgen berücksichtigen.
  • Zwingende Berücksichtigung der Kundeninteressen in der Vergütungsstrategie (und damit verbunden für das Vergütungssystem) der relevanten Personen (BT 8.2.1.1): Die BaFin hat zur Operationalisierung dieses Rechtssatzes in BT8 MaComp 2024 klargestellt, dass das WPDU durch angemessene Kriterien sicherzustellen hat, dass die Interessen der relevanten Personen und des WPDU mit den Kundeninteressen in Einklang zu bringen sind. Dies kann in der Praxis vor allem durch die Festlegung der geeigneten qualitativen Kriterien in der Vergütungssystematik gemäß den vorstehenden Ausführungen erfolgen.

    Für die der IVV unterliegenden WPDU hat diese Regelung keine weitergehende praktische Relevanz, da ihr Regelungsinhalt inhaltlich in §§ 4 und 5 IVV vorgegeben ist. Alle weiteren WPDU haben diese Vorgabe für die Vergütungssysteme der unter Ziffer 2. angeführten relevanten Personen zu beachten.
  • Einrichtung von angemessenen und transparenten Vergütungsgrundsätzen und Vergütungsverfahren und Vorab-Information der relevanten Personen über die maßgeblichen Parameter zur Festlegung des Vergütungsbetrags (BT 8.2.1.1, 8.2.1.4 bis 8.2.1.6): Diese Anforderung verfolgt zwei Zweckrichtungen. Einerseits soll durch die Verpflichtung zur Aufstellung der Vergütungsgrundsätze und Vergütungsverfahren sichergestellt sein, dass WPDU die maßgeblichen Risiken der Vergütungssysteme der relevanten Personen insbesondere in Bezug auf die Kundeninteressen hinreichend verifizieren, reflektieren und im Vergütungssystem durch geeignete Vergütungsparameter aussteuern und auch im Zeitablauf etwa aus der Einführung von neuen Produkten oder Dienstleistungen resultierende Risiken jederzeit im Vergütungssystem berücksichtigen. Zudem bezweckt die Anforderung die Sicherstellung eines insbesondere für die relevanten Personen transparenten Vergütungssystems und seine Dokumentation mit Gewährleistung, dass die relevanten Personen über die maßgeblichen Vergütungsparameter zu Beginn des Referenzjahres informiert werden und damit ihre berufliche Tätigkeit entsprechend ausrichten können. Für die der IVV unterliegenden WPDU hat diese Regelung keine weitergehende praktische Relevanz, da ihr Regelungsinhalt inhaltlich ebenfalls in §§ 11 Abs. 1 und 13 IVV vorgegeben ist. Alle weiteren WPDU haben diese Vorgabe für die Vergütungssysteme der unter Ziffer 2. angeführten relevanten Personen zu beachten.
  • Angemessenes Verhältnis zwischen den fixen Vergütungsbestandteilen und den variablen Vergütungsbestandteilen nach Maßgabe der Kriterien des § 25a Abs. 5 KWG (BT 8.2.2.1): Diese Regelung war inhaltlich bereits in BT 8.3.1 der Vorgängerregelung enthalten. Sie ist von inhaltlicher Relevanz für die Vergütungssysteme der WPDU, die als KVG oder als mittleres Wertpapierinstitut qualifiziert sind und bei denen die sonstigen gesetzlichen Regelungen keine mit den Regelungen des § 25a Abs. 5 KWG vergleichbare absolute Obergrenze für die variable Vergütung von maximal 100% bzw. 200% aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafter aufweisen, und die die Obergrenze für die maßgebliche Vergütung der relevanten Personen zu implementieren haben. 
  • Besondere Vorgaben für die Vergütungssysteme der Kontrollfunktionen des Risikomanagements und der Innenrevision – keine Beeinträchtigung der Objektivität und der Unabhängigkeit (BT 8.2.4.1 und 8.2.4.3): Diese erstmals aufgenommene zwingende Regelung erweitert den persönlichen Anwendungsbereich des BT8 MaComp im inhaltlichen Rahmen des BT 8.2.4 auf die in den oben genannten Kontrollfunktionen tätigen Mitarbeiter und bezweckt, dass diese ihre Kontrollunktionen  – mit Blick auf die Kundeninteressen – ohne Beeinträchtigung durch die konkrete Ausgestaltung der Vergütungsparameter durchzuführen haben. Für die der IVV unterliegenden WPDU hat diese Regelung keine weitergehende praktische Relevanz, da ihr Regelungsinhalt inhaltlich ebenfalls in § 5 Abs. 4 IVV vorgegeben ist. Alle weiteren WPDU haben diese Vorgabe für die Vergütungssysteme 

Die dem aufsichtsrechtlichen Proportionalität-Leitsatz unterliegenden Regelungen umfassen im Kern folgende Vorgaben, wobei die WPDU die Beurteilung darauf auszurichten haben, ob die Anwendung der konkreten Regelung zur Sicherung der Kundeninteressen – unter Berücksichtigung der aus der konkreten Funktion der relevanten Person, der maßgeblichen Produkte und sonstigen Dienstleistungen, sowie der sonstigen im Risikomanagement und im Vergütungssystem enthaltenen Instrumente zur Gewährleistung der hinreichenden Berücksichtigung der Kundeninteressen – angezeigt ist: 

  • Leistungsbewertung der relevanten Personen anhand qualitativer Kriterien und Festlegung von Bemessungsparametern in den Vergütungsgrundsätzen (BT 8.2.1.1, 8.2.1.3 und 8.2.1.7): Diese Regelung knüpft an die zwingende Berücksichtigung von qualitativen Kriterien im Vergütungssystem an und bestimmt die WPDU im Ergebnis dazu, die Berücksichtigung von qualitativen Kriterien als Performanceparameter mit konkreten Bemessungsparametern zu prüfen und zu beurteilen. WPDU, deren Vergütungssysteme auch der IVV unterliegen, können für diese Beurteilung auf den Subsidiarität-Leitsatz gemäß den Ausführungen unter Ziffer 2. verweisen. Alle weiteren WPDU haben diese Beurteilung für die Vergütungssysteme der unter Ziffer 2. angeführten relevanten Personen nach den vorgenannten Kriterien durchzuführen.
  • Berücksichtigung der relevanten Faktoren der Vergütung (insbesondere konkrete Rolle der relevanten Person, Art des Produkts, Querverkaufszeile und Vertriebsmethoden) für alle Vergütungsparameter u.a. zur Vermeidung von Interessenkonflikten (BT 8.2.1.7 und 8.2.1.8): Die BaFin stellt in BT 8.2.1.8 klar, dass auch die quantitativen Kriterien für die variable Vergütung den Kundeninteressen nicht entgegenstehen sollten.

    Anwendung der BT8 MaComp auch auf Kriterien zur Bewertung von Gehaltserhöhungen und Beförderungen (BT 8.2.1.10): Diese Erweiterung – deren inhaltsgleiche Regelung in den ESMA-Leitlinien im dortigen Konsultationsverfahren von der Vergütungspraxis weitgehend abgelehnt wurde – soll sicherstellen, dass auch die Kriterien für die Karriereentwicklung der relevanten Personen die Kundeninteressen hinreichend berücksichtigen und insoweit insbesondere relevante Personen aus opportunistischen Karrieregründen die Kundeninteressen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht in der gebotenen Weise beachten. Diese Regelung kennt kein Pendant in den weiteren gesetzlichen Vorgaben zu den Vergütungssystemen der WPDU, so dass alle WPDU eine entsprechende Prüfung und Beurteilung zur Implementierung dieser Regelung in die Vergütungsgrundsätze ihrer relevanten Personen vorzunehmen haben.
  • Variable Vergütung auf der Grundlage einer linearen Berechnung oder von mehreren Leistungszielen auf unterschiedlichen Ebenen (BT 8.2.2.3).
  • Gewährung eines Teils der variablen Vergütung über einen Zurückbehaltungszeitraum mit nachträglichen Anpassungskriterien und Rückforderungsklauseln (Deferral mit Malus und Clawback, BT 8.2.3.1 bis 8.2.3.1.4). Diese mit BT8 MaComp 2024 erstmals in die MaComp aufgenommenen Regelungen beruhen auf der Erwägung, dass im Einzelfall für die hinreichende Berücksichtigung der Kundeninteressen auch eine nachträgliche (expost) Risikoadjustierung der variablen Vergütung und ihrer Bewertungsparameter sinnvoll sein kann; etwa wenn sich relevante Risiken aus den relevanten Produkten/Dienstleistungen und den konkreten Vergütungsparametern beim WPDU erst nach einem mehrjährigen Zeitablauf realisieren. Sollte die Beurteilung des WPDU das Erfordernis der Umsetzung dieser Regelungen als Ergebnis inkludieren, hat das WPDU bei der Umsetzung insbesondere der Clawback-Regelungen in das Vergütungssystem die sich insbesondere aus der gesetzlichen AGB-Kontrolle ergebenden restriktiven Anforderungen an die Transparenz und inhaltliche Wirksamkeit zu beachten – und kann hierzu auf die von (qualifizierten nicht-)bedeutenden Instituten bei der Umsetzung der Clawback-Vorgaben der §§ 18 Abs. 5, 20 Abs. 6 IVV gemachten Erfahrungen zurückgreifen. WPDU, deren Vergütungssysteme auch der IVV unterliegen, können für diese Beurteilung auf den Subsidiarität-Leitsatz gemäß den Ausführungen unter Ziffer 2. verweisen, demnach die IVV die vorgenannten Regelungen nur für die variable Vergütung der Risikoträger in (qualifizierten nicht-)bedeutenden Instituten nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 IVV bestimmt. Alle weiteren WPDU haben diese Beurteilung für die Vergütungssysteme der unter Ziffer 2. angeführten relevanten Personen nach den vorgenannten Kriterien durchzuführen.

Die inhaltlichen Vorgaben zu den Vergütungssystemen schließen in BT 8.2.5 mit guten und schlechten Beispielen, die auch in der BT8 MaComp2024 der dreiteiligen Methodik folgen mit Beispielen, die anzusehen sind als (1) vorbildliche Verfahren (wobei die inhaltlichen Beispiele bereits in der Vorversion der BT8 MaComp enthalten waren), (2) in der Regel unzulässige Vorgehensweisen, für die das WPDU im Einzelfall die Zulässigkeit darlegen kann (wobei die BaFin einzelne Beispiele gegenüber der Vorversion weiter konkretisiert und teilweise auch stärker akzentuiert hat), sowie (3) als stets unzulässige Vorgehensweisen (mit gegenüber der Vorversion der BT8 MaComp unveränderten Beispielen).

 

5. Regelungen zur Vergütungsgovernance

Der nunmehr in BT 8.3 enthaltene Katalog zur Vergütungsgovernance bestimmt als zwingende Regelung unverändert die Zuständigkeit der Funktion der Compliance für die Überwachung der Einrichtung, Ausgestaltung und Umsetzung der Vergütungssysteme nach Maßgabe des BT8 MaComp (BT 8.3.1).

Erweitert hat die BaFin in der BT8 MaComp 2024 den Katalog der dem Proportionalität-Leitsatz unterliegenden Regelungen in BT 8.3.2 bis 8.3.5 sowie BT 8.4, demnach unter anderem WPDU die Vergütungsgrundsätze neben der regelmäßigen Überprüfung auch anlassbezogen bei relevanten und wesentlichen Änderungen der Geschäftstätigkeit einer Prüfung auf BT8 MaComp-Kompatibilität unterziehen und bei Bedarf zeitnah anpassen sollten (BT 8.4.2), wobei bei Bedarf neben Compliance auch weitere Kontrollfunktionen in die Überprüfung einbezogen werden können (BT 8.4.5).

 

6. Anwendung der BT8 MaComp 2024 und Umsetzung durch die WPDU

Die BT8 MaComp 2024 ist seit dem 28. Februar 2024 anwendbar und daher von den WPDU im aktuellen Geschäftsjahr umzusetzen. Die Umsetzung hat unter anderem eine umfassende Dokumentation der Ergebnisse zur Beurteilung der Anwendung der dem Proportionalität-Leitsatz unterliegenden Regelungen auf die Vergütungssysteme der relevanten Personen zu umfassen. Wir begleiten die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in die Vergütungssysteme der relevanten Personen von WPDU und werden in unseren Folge-Client Alerts einzelne Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung erörtern.

BaFin: Rundschreiben 05/2018 (WA)
Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten - MaComp

ESMA-Guidelines

ESMA35-43-5605 - Guidelines on certain aspects of the MIFID II remuneration requirements

in englischer Sprache

Deloitte Legal Client Alert
CRD V und CRR II – der neue regulatorische Rahmen

Deloitte Legal Client Alert
Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung

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