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Quality 4.0 in der Life Science Industrie

Revolution im Qualitätsmanagement

Das Qualitätsmanagement der Zukunft ist ein intelligentes Informationsmanagement, das die “richtige Information, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort" steuert. Es ist benutzerfreundlich, präzise und intuitiv, von überall mobil zugänglich und erlaubt Ausgabeformate in Text, Bild und Sprache. Das Qualitätsmanagement der Zukunft entspricht den digitalen Vorstellungen der heutigen Technologie-Nutzer. Erfahren Sie hier mehr über Quality 4.0 für die Life Science Industrie.

Das Zeitalter der Digitalisierung schafft nicht nur neue Produkte und Geschäftsmodelle, es führt auch zu tiefgreifenden Veränderungen in der Organisation bestehender Unternehmen. Die wachsende Vernetzung auf der Grundlage von digitalen Technologien wirkt sich auf alle Unternehmensbereiche aus. Mit ihr verändern sich die Informationsbeschaffung, die Informationsverarbeitung, die Prozesse sowie die gesamte Wertschöpfung. Im Wandel zur Industrie 4.0 findet ein grundlegender Paradigmenwechsel statt. 

Die Life Science Industrie hat den essenziellen Bedarf und kompetitive Vorteile der Digitalisierung erkannt und investiert massiv in die digitale Transformation. Aber während durch das gesamte Unternehmen intelligent-vernetzte Technologien Einzug nehmen, folgt das Qualitätsmanagement weiterhin dem traditionellen, dokumentationsbasiertem Ansatz, separiert in funktionale Insellösungen. Diese manifestieren sich in dateibasierten Prozessbeschreibungs- und Handlungsanweisungsdokumentationen (Standard Operating Procedures, SOPs). Dokumentenbasierte SOPs sind für Maschinen unlesbare Daten, die ein menschliches Handling unabdingbar machen. Somit ist ein vernetzter Datenfluss hinsichtlich regulatorischer Daten bisher nicht möglich. 

Mit „Quality 4.0“ unterstützt Deloitte, Unternehmen der Life Science Industrie in der Transformation zu einem digital-getriebenen Qualitätsmanagement-Modell: Statt unstrukturierter Dokumentensammlungen wird nun eine prozessorientierte Informationszuordnung angesteuert, die bis auf granularer Prozessebene eine agile, durchgängige Informationsversorgung „just-in-time“ gewährleistet.

Die richtige Information zur richtigen Zeit, am richtigen Ort

Das Qualitätsmanagementsystem (QMS) ist tiefgreifend mit der pharmazeutischen Wertschöpfungskette verzahnt, um eine durchgehende Produktqualität innerhalb der Zulassung und Spezifikationen hergestellter Medikamente – und damit die Patientensicherheit – zu gewährleisten. Ein QMS, das den regulatorischen Anforderungen entspricht, ist die Voraussetzung für jedes Unternehmen in der Life Science Industrie für die Herstellerlaubnis, Zertifizierung und damit  Marktzulassung seiner Produkte.

Das QMS bietet ein Rahmenwerk für die lückenlose Kontrolle und Verbesserung der gesamten Wertschöpfungskette von der Entwicklung über die Produktionsprozesse bis hin zum Kunden sowie beim Einsatz von Material, Maschinen, Lieferanten etc.  

Ein effektives und effizientes Qualitätsmanagement ist die Voraussetzung für eine zeit- und zielgerichtete Umsetzung von regulatorischen Anforderungen bis zum Shop-floor.  

Die SOPs der Zukunft sind nicht mehr Dokumente, sondern in dieser Vision übersichtlich strukturierte Qualität-Informationseinheiten, die anhand eines nutzerfreundlichen Informationsmanagementsystems bei Bedarf prozessgesteuert und zielgerichtet angezeigt werden können. Diese Informationseinheiten können von Mitarbeitenden im konkreten Prozessschritt im gewünschten Format, sei es Audio, Text oder Video/Bild, abgerufen werden. 

Der Ansatz ist vergleichbar mit dem Übergang von der haptischen Karten-Navigation zur GPS-Navigation. Während Informationen aus haptischem Kartenmaterial bedarfsgerecht verarbeitet werden müssen, liefert die positionsdatengestützte GPS-Navigation kontextgerechte Anweisungen just-in-time. In Anlehnung daran kann das Thema Quality 4.0 als einer Art „Quality GPS“ für Organisationen der Life Science Industrie bezeichnet werden.

Für die Einführung herrschen dabei in den Unternehmen aktuell günstige Voraussetzungen: Da sich die Mehrheit der Unternehmen in der Life Science Industrie aktuell in einer digitalen Transformation befindet, kann und sollte Quality 4.0 in die unternehmensweiten Transformationen integriert werden, etwa im Rahmen eines SAP S4/HANA Rollouts.

End-to-end integration – Interoperability

Treiber des Wandels – die Ausgangslage

Selbst in schlanken und innovativen Unternehmen der Branche ist das SOP-Management heute so gut wie immer noch traditionell dokumentenbasiert und  ähnelt eher einer Dokumentenbürokratie als einem effizienten Qualitätsmanagement System. Die vom Regulator vorgeschriebenen Handlungsanweisungen werden interpretier- und auslegungswürdig formuliert, und somit ergibt sich für die Organisation ein enormer Aufwand in der Pflege und Aktualisierung der Textpassagen.

Dieser erhebliche administrative manuelle Aufwand erzeugt für Organisationen,  je nach Größe des Unternehmens und Komplexität der Dokumentenmenge,  jährlich Kosten im zweistelligen Millionenbereich. Dies veranlasst Unternehmen zunehmend dazu, sich den neuen Ansätzen der Quality 4.0 Technologien zuzuwenden. 

Da ein Monitoring der Kosten im SOP-Management schwer zu erfassen ist, ist die Berechnung der hierfür real anfallenden Aufwände weitgehend intransparent und bedarf einer forensischen manueller Recherche. 

Das Thema Quality ist jedoch keine reine Effizienz-, und damit Kostenfrage. Weitaus gewichtiger ist die Gewährleistung einer stetigen Zuverlässigkeit des Unternehmens am Markt. Aufgrund der laufend wachsenden Menge an Regularien und der daraus resultierenden SOP-Komplexität besteht ein ernstzunehmendes Compliance-Risiko. Verstöße können hier schnell das Vertrauen am Markt bis hin zur „license to operate“ gefährden. Mängel im SOP-Management sind eine der häufigsten Ursachen für Abweichungen und Inspektionsmängel, die wiederum zu erhöhten Kosten für das Management dieser Abweichung und Inspektionsmängel führen. Letztendlich stellt ein nicht effektives Qualitätsmanagement ein Compliance Risiko an sich dar. 

Darüber hinaus ist der dokumentenbasierte Ansatz mit fortschreitender Transformation der Unternehmensprozesse nicht mehr "state-of-the-art" im Sinne eines Busines Enablers. Die Branche steht unter hohem Leistungsdruck, denn die Business-Modelle verändern sich, von „Blockbuster-Produkten“ bis hin zu einer individuellen Gentherapie. End-to-End kundengetriebene, hoch agile Supply Chains on demand sowie Mitarbeitenden der Generation xyz mit ihrer Erwartung an eine verbesserte digitale User-Experience, erfordern ein fundamentales anderes, ein digitales, modulares, granulares, agileres und auch anwenderfreundliches Qualitätsmanagement. Der informationsbasierte Prozessansatz von Quality 4.0 gewährleistet genau dies, indem er hohe Effizienz, optimale Compliance, maximale Flexibilität und eine zeitgemäße digitale User-Experience sicherstellt. 

Dadurch unterscheidet er sich entscheidend von vielen digitalen Ansätzen, wie sie bislang schon entwickelt wurden. Denn oft weisen diese keine ausreichende End-to-end-Effizienz auf. Ein Beispiel sind Smart Glasses, die in der Produktion SOP-Informationen einspielen, wobei diese Informationen aber selbst im Hintergrund nach wie vor manuell aufbereitet und aufwendig in den Workflow eingespeist werden müssen. Nur die Schnittstelle ist in diesem Beispiel digitalisiert. Damit werden aber nur die Symptome, nicht die Ursachen von Ineffizienz bekämpft.

Der prozessorientierte Ansatz von Quality 4.0

Der entscheidende Punkt für Quality 4.0 ist der Übergang vom Dokument zu prozessgebundenen Informationen. Hierfür muss im ersten Schritt das bestehende Konvolut an Dokumenten strukturiert, digitalisiert und in seine inhaltlichen Elemente granular gelabelt werden. Das Ergebnis sind modulare Instruktionen in digitaler Form. Nötig ist für diesen Schritt die Umwandlung der unstrukturierten (Text-)Daten der SOP-Dokumente in strukturierte Daten, die maschinell verarbeitet werden können. Die enthaltenen Informationen werden mit Hilfe von Natural Language Processing (NLP) Technologien ausgelesen und gesammelt. Hierfür haben die AI- und Quality-Experten von Deloitte einen Quality-Content Parser entwickelt, der die Inhalte destilliert, sortiert und attribuiert. Je nach Spezifikation der Attribute erfolgt die prozessgebundene Zuordnung. Attribute können je nach relevanten Inhalten auf Prozessebene (global, lokal), nach Rollen und Verantwortlichkeiten bis auf granularer Maschinenebene divergieren. Eine spezielle Suche baut zudem Redundanzen ab: In Zukunft sollen somit nur noch konsolidierte Daten existieren. 

Zur Unterstützung der Prozesse werden die modularen Informationen nach Bedarf bis auf Shopfloor-Ebene ausspielt. Dafür werden die Informationen in der Aufbereitung granuliert, integriert und dynamisiert. Das zugrundeliegende Datenmodell ist an den FAIR-Prinzipien ausgerichtet, die von verschiedenen internationalen Konsortien und Gremien entwickelt wurden (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable). Intelligente Algorithmen verarbeiten die Daten dann auf Grundlage der objektbasierten Attribute. Entscheidend für die Implementierung ist die nahtlose End-to-end-Interoperabilität auf einer einheitlichen Plattform für alle Bereiche, von Forschung und Entwicklung über Einreichung zur Zulassung bis hin zu den Primär- und Sekundärprozessen im Unternehmen. 

Der nahtlose Datenfluss zwischen den Softwaresystemen wird durch Technologien wie Application Programming Interfaces (APIs) und Micro-Services bis auf Robotic Process Automation (RPA) Prozessebenen ermöglicht. Die Ausgabe der Informationen erfolgt auf Bedarf automatisiert, ebenso die Kontrolle der resultierenden Aktivitäten im Betrieb. Realtime-Tracking wird somit genauso möglich sein wie die Berechnung der Performance von regulatorischen Merkmalen in Prozessen. 

Für die Ausgabe von Handlungsanweisungen in natürlicher Sprache, beispielsweise an Mitarbeitende im Produktionsprozess, werden komplexe SOP-Informationen per Natural Language Generation (NLG) zusammengefasst, neu interpretiert und ausgegeben. 

QMS 4.0 – Transformational Path

Vorteile von Quality 4.0 für Stakeholder und Business

Die operativen Pluspunkte von Quality 4.0 kommen Mitarbeitenden über die gesamte Prozesskette zugute. Gerade darin liegt einer der zentralen Vorteile: Je nach Rolle und Situation sind die exakt passenden SOP-Inhalte „just-in-time“ verfügbar. Nutzer navigieren unkompliziert durch die Quality-Prozesslandschaft und rufen bei Bedarf zusätzliche Informationen ab. Die personalisierten SOP-Informationen erlauben zudem die Umsetzung gezielter Trainings. 

Auch die Quality-Organisation profitiert davon umfassend. Sie erhält ein Quality-Cockpit mit Echtzeit-Reporting-Funktion, in dem die Daten nur einen Fingertipp entfernt sind. Das Cockpit erlaubt durch Performance-Messung und Simulationen eine risikoorientierte Entscheidungsfindung. Regulatorische Komplexität kann durch Attribute gemanagt werden, die Zahl der Abweichungen geht zurück. Auch ein Remote-Auditing ist jederzeit möglich. 

Aus der Sicht des Business-Leaderships wiederum ist Quality 4.0 als Enabler für die veränderte Nachfrage im Markt der Life Science Industrie der Zukunft attraktiv. Zugleich sinkt der manuelle Ressourcenaufwand für die SOP-Maintenance, die Kosten werden geringer. Die End-to-end-Integration von Business und Qualität erhöht die Effizienz, das QMS bietet zudem hohe Flexibilität für organisatorische Umstrukturierungen angesichts der sich wandelnden Anforderungen. Neben einem gewandelten Verständnis des SOP-Managements – vom Dokument zur Prozessinformation „just-in-time“ – ist insbesondere eine gut gepflegte Datenbasis entscheidend. So ist beispielsweise die Stellenbeschreibung auf Basis der Prozessrolle auf den aktuellen Stand zu bringen. Zugleich wird es nötig, neue prozessorientierte SOP-Rollen zu schaffen und entsprechend zu besetzen (z.B. Quality Global Process Owner). Doch der Aufwand rechnet sich: Nach den Erfahrungen der Deloitte-Experten sind durch Quality 4.0 Effizienzgewinne zwischen 30 und 50 Prozent zu erzielen. 

Eine neue Dimension der Life Sciences – mit Unterstützung von Deloitte

Mit Quality 4.0 bringen Unternehmen ihr Qualitätsmanagement auf den neuesten Stand des Digitalzeitalters. Deloitte bietet auf diesem Feld fundierte Unterstützung und innovative digitale Assets, gestützt durch ein breites Know-how in der digitalen Transformation und umfassende Branchenexpertise im Bereich Life Sciences & Healthcare. Durch ein vorgelagertes Assessment mit einem speziellen, auf Quality ausgerichteten Maturity Assessment, die optimale Einbindung z.B. in einen SAP S/4HANA-Rollout sowie die Implementierung eines ganzheitlichen Organizational Change Management Prozesses, der auf die individuellen Anforderungen zugeschnitten ist, wird eine effektive Umsetzung hin zu einem digitalen Informationsmanagementsystem möglich. Zugleich stellt die hohe Prozess- und Qualitätskompetenz in Verbindung mit einer fundierten Industrie-Expertise bei Deloitte sicher, dass während der ganzheitlichen Transformation im laufenden Betrieb, die Compliance und Inspection Readiness zu jedem Zeitpunkt gewährleistet bleibt. Ein weites Ökosystem an Partnern, vom digitalen Hyperscaler bis zum Spezialisten für Emerging Technologies, sowie interne Innovationslabs wie die Deloitte Garage oder die Smart Factory runden unser Angebot ab und begleiten den Weg zum Qualitätsmanagement der Zukunft.  

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