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Welchen Beitrag können Immobilien bei Kosteneinsparprogrammen leisten? 

Der Stellenwert von immobilienbezogenen Kosten für „Non-Property“-Unternehmen in Zeiten des aktuell starken gesamtwirtschaftlichen Abschwungs

Einfluss der aktuellen COVID-19 Pandemie und des Strukturwandels in Deutschland

Nach dem langen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland muss die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aufgrund der aktuellen Situation deutlich nüchterner als in den letzten Jahren betrachtet werden. So droht Deutschland 2020 ein Wirtschaftseinbruch von historischen Dimensionen. Erste Prognosen zeigen, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Folge der Viruskrise um bis zu 9 Prozent zurückgehen könnte. Es wäre der größte Einbruch in Friedenszeiten.1

Neben dieser negativen makroökonomischen Entwicklung steht zudem das Kerngeschäft vieler Unternehmen2 unter großem Veränderungsdruck. Besonders die konjunktursensible Automobilindustrie und deren Zulieferer stehen hierzulande vor einem großen Strukturwandel. Getrieben wird die Entwicklung durch die Digitalisierung von Prozessen, neuen Produktionstechnologien sowie dem Umschwung weg von Verbrennungsmotoren hin zu alternativen Antriebsformen wie der Elektromobilität. Infolgedessen stehen viele Unternehmen vor der großen Herausforderung, das Kerngeschäft entsprechend anzupassen und sich mithilfe von Kosteneinsparprogrammen krisenfest zu machen.

Eine 2019 vor dem Ausbruch des Coronavirus veröffentlichte Deloitte-Studie zeigt jedoch, dass in deutschen Unternehmen in den kommenden 24 Monaten im internationalen Vergleich weniger Initiativen zur aktiven Kostenreduzierung geplant waren. Während in den USA circa 84 Prozent der befragten Unternehmen kostenreduzierende Maßnahmen planten, waren es in Europa circa 66 Prozent und in Deutschland lediglich circa 60 Prozent der Befragten.3 In Reaktion auf die durch COVID-19 ausgelösten, aktuellen Entwicklungen wird dieser Anteil jedoch weltweit sprunghaft ansteigen. 

Kosteneinsparprogramme beziehen sich dabei meist auf konkreten Personalabbau aufgrund des großen Anteils von Personalkosten4 an den Gesamtkosten (siehe Abbildung 1)5. Unternehmen versuchen dabei meist, die Stammbelegschaft zu halten, und setzen primär auf die Nichtbesetzung von freiwerdenden Stellen, den Ablauf befristeter Beschäftigungen, die Entlassung von Leiharbeitskräften sowie den Einsatz von Kurzarbeit. 

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Ein weiterer, wesentlicher Kostenblock, der erhebliche Optimierungspotenziale birgt, sind die immobilienbezogenen Kosten6. Immobilien als unbewegliches Sachgut wurden jedoch in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen (u.a. Immobilie nicht Teil des Kerngeschäfts, fehlende Transparenz über immobilienbezogene Kosten, Stellenwert der Immobile als Differenzierungs-merkmal unterschätzt, fehlendes professionelles/strategisches Corporate Real Estate Management [CREM]7) häufig vernachlässigt. Gerade in Zeiten von Transformationsbedarf und Kosteneinsparprogrammen ergeben sich hier ungenutzte Potenziale, wenngleich die Realisierung dieser differenziert betrachtet werden muss.

[1] Unternehmen aller Industrien, für die die Immobilie nicht als Kerngeschäft gilt, sondern bei denen die Immobilie das Kerngeschäft (ähnlich zu IT, HR etc.) unterstützt bzw. ein maßgeblicher „Enabler“ ist.
[2] D. Eckert (2020), Ökonomische Vollbremsung verursacht größten Einbruch seit 1930.
[3] Deloitte (2019), Save-to-transform as a catalyst for embracing digital disruption.
[4] Diese Herangehensweise ist besonders stark in Deutschland zu beobachten, da Deutschland innerhalb der Europäischen Union die vierthöchsten Personalkosten im verarbeitenden Gewerbe aufweist.
[5] Statistisches Bundesamt (2017), Kostenstruktur der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes.
[6] Unter immobilienbezogene Kosten fallen direkte und unmittelbare Kosten für die Planung, die Bereitstellung, den Betrieb und die Verwertung immobiliarer Betriebsmittel.
[7] In den Unternehmen werden diese Abteilungen häufig auch als „Facility Management“, „Immobilienmanagement“, „Real Estate Management“ o.Ä. bezeichnet. CREM bündelt regelmäßig alle liegenschafts-/immobilienbezogenen Aktivitäten eines Unternehmens, dessen Kerngeschäft nicht in der Immobilie liegt. CREM befasst sich mit dem wirtschaftlichen Beschaffen, Betreuen/Betreiben und Verwerten der Liegenschaften von Unternehmen aller Branchen in Abhängigkeit von der Unternehmensstrategie.

 

Die Reduzierung immobilienbezogener Kosten im Unternehmen bietet erhebliche Optimierungspotenziale

Neben den Personalkosten stellen immobilienbezogene Kosten regelmäßig den zweit- oder dritthöchsten Kostenblock in Unternehmen8 dar. Zwar schwankt der Anteil in Abhängigkeit von Branche und Geschäftsmodell, liegt aber erfahrungsgemäß zwischen 5 und 20 Prozent der Gesamtkosten im Unternehmen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Kostenentstehung im Lebenszyklus der Immobilie. Für gewöhnlich fallen lediglich circa 20 Prozent der Kosten in der Planungs- und Bauphase an, circa 80 Prozent entstehen während der Nutzungsphase. Wenngleich es hier zu beachten gilt, dass die Planungs- und Bauphase bereits einen maßgeblichen Einfluss auf die entstehenden Kosten während der Nutzungsphase hat.

Immobilienbezogene Kosten können während der Nutzungsphase in folgende Kostenblöcke9 aufgegliedert werden:

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Knapp zwei Drittel der immobilienbezogenen Gesamtkosten sind finanzwirtschaftlich gesteuerte Kostenarten (Kostenblöcke I und II), die Kosten des (technischen) Gebäudebetriebs (Kostenblöcke III–V) machen hingegen nur rund ein Drittel aus. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass aufgrund der hohen Eigentumsquote von knapp 52 Prozent in Deutschland in Abbildung 2 auf Kapitalkosten und Abschreibung verwiesen wird.10 Im Falle eines gemieteten Objektes würde dieser Wert den Großteil des Mietzinses ausmachen (Kostenblöcke I und II). Somit wird deutlich, dass der wesentliche Anteil der Kostenverursachung bei betrieblich genutzten Immobilien von finanzwirtschaftlichen und nicht den techniknahen Kostentreibern rund um das Gebäudemanagement und die Gebäudeservices bestimmt wird.11

[8] Dies ist besonders bei dienstleistungsnahen Unternehmen zu beobachten.
[9] A. Pfnür (2014), Volkswirtschaftliche Bedeutung von Corporate Real Estate in Deutschland
[10] A. Pfnür (2019), Mitten im Strukturwandel – Herausforderungen für das CREM.
[11] A. Pfnür (2002), Betriebliche Immobilienökonomie.

 

Maßnahmen zur Reduzierung immobilienbezogener Kosten im Unternehmen

Nachfolgend sind einige Maßnahmen dargestellt, die zur Senkung von immobilienbezogenen Kosten im laufenden Geschäftsbetrieb beitragen können. Initiativen, die immobilienbezogene Kosten in Gänze reduzieren, sollten dabei im Fokus stehen. Minimalinvasive Maßnahmen von einzelnen, isolierten Kostenblöcken sollten nachgelagert betrachtet werden. Da der maßgebliche Treiber aller Kostenblöcke die (Gebäude-)Fläche darstellt, bietet sich hier ein wesentlicher Anknüpfungspunkt.

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[12] Der Wirkungsgrad der Maßnahme ist in Bezug zu den in Abbildung 2 aufgeführten Kostenblöcken zu sehen. Unter Zeit ist hier Zeitraum zu verstehen, der benötigt wird, bis die jeweilige Maßnahme Wirkung zeigt. Kurzfristig ≤ 1 Jahr, mittelfristig ≤ 5 Jahre, langfristig ≥ 5 Jahre.

 

Lehren aus der Vergangenheit und Vorsicht vor blindem Aktionismus

Der Erfolg und die Höhe des Kapitalgewinns durch die Veräußerung der Unternehmensimmobilien hängen maßgeblich vom richtigen Timing ab. Dies zeigte sich besonders im Jahr 2004, als das Desinvestment und das Sale-and-Lease-Back13 von Unternehmensimmobilien im Eigentum en vogue waren. Die hohen Kapitalwerte der Immobilien (und stillen Reserven) wurden zur Steigerung des Unternehmenserfolges und der Eigenkapitalquote genutzt. Als sich die Weltwirtschaft dann während der Subprime-Krise 2007/2008 deutlich verschlechterte und Finanzierungsengpässe bei institutionellen Investoren auftraten, konnten eigene Immobilien kaum oder nur mit erheblichen Abschlägen von den ursprünglich geplanten Veräußerungserlösen verkauft werden. In den Jahren nach der Krise wurde die verkauften Immobilien, u.a. als Zeichen der zurückerlangten wirtschaftlichen Stärke, teilweise unter deutlich höherem Kapitalaufwand zurückerworben. Heute hat Sale-and-Lease-Back aufgrund der Änderungen durch IFRS 1614 deutlich an Attraktivität verloren.

Aus Sicht der Mitarbeiter wurde eine Veräußerung von Immobilien meist als erster Schritt in Richtung einer Standortschließung interpretiert, was sich negativ auf Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation ausgewirkt hat.15 Dabei können strategische Investitionen und die Umsetzung von immobilienbezogenen Maßnahmen zu einer Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit, -effizienz und -bindung führen. Die Umsetzung solcher Maßnahmen hat zudem eine positive und direkte Implikation auf den kostenintensiven Block der Personalkosten.

Erfahrungsgemäß sollten sich Unternehmen daher nicht erst in Krisensituationen, wie aktuell aufgrund der COVID-19 Pandemie, sondern auch in wirtschaftlich gesunden Zeiten kontinuierlich mit möglichen Maßnahmen zur Optimierung und mit Investitionen in ihre Immobilien auseinandersetzen. Es bedarf einer ganzheitlichen Immobilienstrategie, um strategisch richtige Immobilienentscheidungen und -maßnahmen im Einklang mit der Unternehmensstrategie zu treffen. 

[13] Unter Sale-and-Lease-Back wird der Verkauf von Vermögenswerten des Anlagevermögens und das anschließende Zurückmieten dieses Vermögenswerts verstanden.
[14] Leasingverbindlichkeiten werden, im Gegensatz zu IAS 17, als Nutzungsrecht aktiviert und die korrespondierende Leasingverbindlichkeit passiviert.
[15] A. Pfnür/S. Armonat (2004), Desinvestments von Unternehmensimmobilien unter besonderer Berücksichtigung der Vermarktungsmöglichkeiten.

 

Notwendige Schritte, um Ihre Unternehmen krisenfest zu machen

1. Schaffen Sie Transparenz über Ihre Immobilien, Liegenschaften sowie die Aufschlüsselung der immobilienbezogenen Kosten in Ihrem Unternehmen.

2. Identifizieren Sie immobilienbezogene Optimierungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der daraus resultierenden kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen. 

3. Priorisieren, bewerten und realisieren Sie kurz-, mittel- und langfristig umzusetzende immobilienbezogene Optimierungsmöglichkeiten.

4. Professionalisieren Sie Ihr Corporate Real Estate Management, um zukünftig proaktiv, strategisch und nachhaltig mit Ihren Immobilien umgehen zu können.

Bei der Umsetzung von kostenreduzierenden immobilienbezogenen Maßnahmen ist zu berücksichtigen, dass diese in einem schnelllebigen Marktumfeld aufgrund der Charakteristika einer Immobilie häufig nicht unmittelbar ihre Wirkung zeigen. Um diesen Zeitversatz so gering wie möglich zu halten und den Wirkungsgrad der entsprechenden Maßnahmen richtig identifizieren zu können, bedarf es eines professionell aufgestellten Corporate Real Estate Managements oder der kurzfristigen Unterstützung durch Experten. Dabei reicht es nicht aus, nur den operativen Immobilienbetrieb sicherzustellen. Das CREM muss strategisch und professionell aufgestellt sein.

Aktuelle Studienergebnisse zeigen jedoch, dass ein Großteil der CREM-Abteilungen in Unternehmen dafür (noch) nicht bereit ist. So werden laut einer 2019 veröffentlichten ZIA-Studie die immobilienwirtschaftlichen Chancen und Risiken des Strukturwandels von den jeweiligen Entscheidungsträgern in den Unternehmen zwar klar erkannt, dennoch sind Immobilienabteilungen nur in wenigen Unternehmen tatsächlich handlungsrelevant. So spürt das CREM in lediglich 31 Prozent der Unternehmen den Einfluss des Strukturwandels.16 

Dabei zeigen aktuelle Studien, dass seit der Einführung eines professionellen CREM bei den befragten Unternehmen die immobilienwirtschaftlichen Kosten durch kurz-, mittel- und langfristig ausgerichtete Investitionen nach zehn Jahren um circa 30 Prozent reduziert werden konnten – bei einer gleichzeitigen Qualitätssteigerung der Flächen und Dienstleistungen.17 Dies verdeutlicht, dass ein professionelles Corporate Real Estate Management gerade innerhalb der Non-Property-Unternehmen deutlich an Bedeutung gewinnen und sich von einem reinen Flächenbereitsteller und -verwalter zu einem wert-, kosten- und nutzerorientierten internen Dienstleister weiterentwickeln muss.18 Aufgrund der negativen wirtschaftlichen Prognose durch COVID-19 werden Unternehmen mit einem professionell aufgestellten CREM Vorteile bei der Umsetzung von kurzfristig notwendigen immobilienbezogenen Kosteneinsparmaßnahmen haben.

[16] A. Pfnür (2019), Mitten im Strukturwandel – Herausforderungen für das CREM.
[17] A. Pfnür/S. Hartmann/M. Lohse (2007), 15 Jahre Corporate Real Estate Management in Deutschland.
[18] Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. (2019), Agenda für die Weiterentwicklung des Corporate Real Estate Managements.

 

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Consultant – Real Estate Consulting
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