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Pflege 2035 – Zeit für Innovationen

Health Care Indicator Pflege

Mit mehr als 14 Tausend Pflegeheimen, fast so vielen ambulanten Pflegediensten und einer Vielzahl pflegender Angehöriger besteht in Deutschland ein heterogenes Netz an Versorgungsangeboten für die über 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen. Die pflegerische Versorgungsstruktur ist durch kontinuierliche Veränderungsprozesse gekennzeichnet, welche sich auch in der Vielzahl gesetzlicher Anpassungen der vergangenen Jahre ausdrücken. Um die anstehenden Herausforderungen erfolgreich angehen zu können, die sich durch eine alternde Gesellschaft ergeben, erstellte Deloitte eine Projektion des Pflegebedarfs. Bei dieser Projektion wurden die differenzierten Entwicklungen unterschiedlicher Versorgungsformen, Altersklassen, Geschlechter und Regionen (Bundesländer) berücksichtigt.

Im Fokus der Untersuchung in Kooperation mit Prof. Dr. Frank Schmitz von der Hochschule Rhein-Waal stehen die Leistungs- bzw. Versorgungsformen Pflegegeld, ambulante Pflege durch einen Pflegedienst sowie stationäre Dauerpflege gem. SGB XI1. Betrachtet man die allgemeinen deutschlandweiten Trends zur Inanspruchnahme dieser Versorgungsformen, so sind diese seit Jahren eindeutig:

Von 2001 bis 2017 ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen, die Leistungen einer dieser Versorgungsformen in Anspruch nehmen, um 1,4 Mio. und damit 68 Prozent gestiegen, wobei in der ambulanten Pflege mit 91 Prozent der stärkste prozentuale Anstieg erfolgte. Die stationäre Dauerpflege ist im Vergleich dazu lediglich um 36 Prozent gestiegen. Betrachtet man die absoluten Werte, so erfuhr in diesem Zeitraum die Anzahl der Pflegegeldempfänger mit 764 Tausend den stärksten Zuwachs.

Health Care Indicator 2020

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

  • Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird bis 2035 um 28 Prozent zunehmen. Diese Entwicklung ist hinsichtlich einzelner Regionen, Altersgruppen und Versorgungsformen sehr heterogen.

  • Das Durchschnittsalter pflegebedürftiger Menschen steigt weiter an. Jeder Zweite, der im Jahre 2035 durch einen Pflegedienst betreut wird, ist älter als 85 Jahre. In der stationären Dauerpflege werden 42 Prozent älter als 90 Jahre sein.
  • Im Jahre 2017 wurden 77 Prozent der pflegebedürftigen Personen in der eigenen Häuslichkeit gepflegt. Dieser Anteil wird im Jahre 2035 auf 81 Prozent steigen. Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen, die durch einen Pflegedienst versorgt werden, steigt um 33 Prozent an. Die Anzahl der Pflegegeldempfänger nimmt um 37 Prozent zu. 
  • Im Jahre 2035 wird durchschnittlich jeder Zehnte in der Altersgruppe zwischen 45 und 65 Jahren ein pflegebedürftiges Elternteil versorgen. 
  • Im Bereich der ambulanten und stationären Versorgung ergibt sich durch die Zunahme pflegebedürftiger Menschen ein Bedarf an 67 Tausend Vollkräften (VK). Bei konstanter Teilzeitquote bedeutet dies einen Mehrbedarf an 95 Tausend Mitarbeitern. Betrachtet man ergänzend den Bedarf an Pflegekräften im Krankenhaus, ergibt sich für die beiden Bereiche einen Bedarfszuwachs von nahezu 100 Tsd. VK, um für jede pflegebedürftige Person auch bis 2035 ein gleichbleibendes Zeitpensum für Pflege realisieren zu können.

Hinsichtlich der Versorgung Pflegebedürftiger sind Innovationen eine gesellschaftliche Herausforderung zum Nutzen der Betroffenen und ihres sozialen Umfeldes. Neue, medizinisch fundierte Versorgungsformen und deren digitale Unterstützung benötigen wir flächendeckend, schnell und bundesweit. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert die notwendigen Anreize zu schaffen.

Erhard Hackler | Geschäftsführender Vorstand Deutsche Seniorenliga e.V.

Die Versorgung einer alternden Gesellschaft erfordert zusätzliche Pflegekräfte. Auch wenn eine Erhöhung des gegenwärtigen Zeitkontingents für körperbezogene Pflege und zur sozialen Interaktion je pflegebedürftigem Mensch wünschenswert ist, wird es eine enorme Herausforderung, dieses Zeitkontingent aufgrund der dargestellten Trends zu gewährleisten.

Ergänzend zu den Maßnahmen, die Attraktivität des Pflegeberufs für Berufsanfänger zu steigern und eine Abwanderung von Fachkräften in andere Tätigkeitsbereiche zu verhindern, werden digitale Innovationen erforderlich, um sowohl den Eintritt der Pflegebedürftigkeit als auch die Inanspruchnahme von pflegeintensiveren Versorgungsformen zu minimieren und die notwendigen Unterstützungsangebote zur ambulanten Versorgung zu schaffen.

Bestehende digitale Anwendungen und Konzepte müssen weiterentwickelt werden, um den Zeitbedarf indirekter Pflege bzw. der pflegefernen Tätigkeiten in allen Sektoren zu minimieren.


Weitere Details zum Pflegebedarf und den daraus abgeleiteten Implikationen finden Sie in unserer Studie.