Article

Umbruch im deutschen Einzelhandel

Warum der Handel angesichts aktueller Krisen umdenken muss

Die letzten Jahre waren von Krisen geprägt: die COVID-19-Pandemie, Lieferengpässe, die steigende Inflationsrate sowie der Krieg in der Ukraine. Die Auswirkungen dieser Krisen sind im Handel und im Verbraucherverhalten zu beobachten. Aufgrund dieser Entwicklungen hat Deloitte im September und Oktober 2022 für eine neue Studie mehr als 1.000 Konsumenten zu ihrem Kaufverhalten und ihren Erwartungen an den Handel befragt. Zusätzlich wurden mehr als 40 Interviews mit Entscheidungsträgern des deutschen Einzelhandels durchgeführt. Ziel der Studie ist, den Einfluss der aktuellen Krisen auf die Fokusthemen des deutschen Handels zu identifizieren und diese mit dem Wandel des Kundenverhaltens abzugleichen. In der Studie beschreiben die Deloitte Experten Handlungsfelder, wie Handelsunternehmen zukünftig agieren sollten, um weiterhin erfolgreich am Markt zu bestehen.

Der Handel steht in der praktischen Kundenarbeit unter dem Eindruck von sechs zentralen Entwicklungstrends, die durch veränderte Kundenanforderungen, technische Neuerungen und neue Wettbewerber bestimmt werden:

  1. Omnikanal-Ansatz: Dieser Trend verspricht ein nahtloses Kundenerlebnis über verschiedene Anwendungen, Touchpoints und Geräte hinweg. Zurzeit erfolgt im Handel der Aufbau weiterer Omnikanalstrukturen z.B. die Nutzung neuer Kanäle wie Social Media, Plattformen oder Internet of Things. Die Kombination aus neueren und klassischen Kanälen ist für die Omnichannel-Strategie entscheidend.
  2. Digitales Retailtainment: Hierunter wird die Aufwertung des Einkaufserlebnisses vor Ort durch digitale und technologische Investitionen in die Customer Experience z.B. durch Retail Media verstanden. Mithilfe digitaler Aktivitäten im Geschäft werden die Einkaufserfahrungen der Kunden verbessert.
  3. Convenience: Händler reagieren auf den Wunsch der Kunden nach einem unkomplizierten Einkaufserlebnis mit mehr Convenience (dt. vorgefertigte Lebensmittel). Der Fokus liegt auf einfachen und effizienten Einkaufserlebnissen sowie auf Convenience-Produkten im Lebensmittelbereich.
  4. Sofortlieferung zu jeder Zeit an jeden Ort: Quick Commerce gilt als Weiterentwicklung der klassischen Online-Bestellung und garantiert eine Warenlieferung innerhalb weniger Minuten. Neben Lebensmittellieferungen ist der Trend auch auf Artikel des täglichen Bedarfs übergegangen und entwickelt sich mit Haushalts-, Elektro- und Kosmetikartikeln weiter.
  5. Von 3D-Commerce zu Metaverse: Der neueste Trend im Handel und die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung ist das Metaverse. Aufgebaut auf modernen Technologien wie z.B. AR, VR oder KI bildet es eine neue Verkaufswelt in Form einer digitalen Experience-Plattform.
  6. Fokus auf Nachhaltigkeit: Heutzutage ist Nachhaltigkeit den Verbrauchern wichtig. Daher fordern sie vom Handel Transparenz in der Wertschöpfungskette und setzen eine konstante Produktqualität voraus. Dabei liegt der Fokus auf sozial nachhaltigen Produkten (bspw. sichere Arbeitsbedingungen) und auf der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Bezug auf die Umwelt (bspw. umweltfreundlichere Verpackungen).

Back to the roots

Zur Studie

Unterschiedliche Auswirkungen von Krisen auf Händler und Kunden

Die aktuellen Krisen führen zu einer Anpassung des Kaufverhaltens. Allerdings sind einige der zuvor genannten Trends weiterhin entscheidend bei der Kaufentscheidung. Beispielsweise haben für 22 Prozent der befragten Verbraucher Omnikanal-Angebote an Bedeutung gewonnen. Mehr als 50 Prozent nutzen Online-Kanäle, um Produktverfügbarkeiten zu prüfen oder Produkte direkt online zu kaufen. Somit verschieben sich die Kundenbedürfnisse und eine erhöhte Transparenz und Auskunft über Verfügbarkeiten durch Omnikanal-Angebote werden eingefordert. Dementsprechend sollten Konsumententrends nicht statisch, sondern differenziert betrachtet werden.

Insbesondere das Thema Nachhaltigkeit hat keineswegs an Bedeutung verloren: Über 50 Prozent der Verbraucher sind bereit, Preisaufschläge zu akzeptieren, wenn sie ein nachhaltiges Produkt erwerben. Allerdings wird in der Studie deutlich, dass Kunden ihr Kaufverhalten an die aktuellen Krisen wie z.B. die Inflation anpassen. 45 Prozent der Konsumenten warten beim Kauf, bis das Produkt im Angebot ist. Zusätzlich nutzen 60 Prozent der Befragten Online-Preisvergleichsportale, um ihre Ausgaben zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Konsumentenverhalten ebenfalls differenziert zu betrachten ist.

Handlungsfelder und nächste Schritte für den deutschen Einzelhandel

Die aktuellen Krisen bedingen neue Herausforderungen für den Handel. Der deutsche Einzelhandel muss sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, um die gegenwärtige Situation zu überstehen. Um den nach wie vor hohen Kundenansprüchen gerecht zu werden, sollten Händler gleichzeitig Geschäftsmodelle und Prozesse in Richtung höherer Resilienz transformieren:

Einerseits sollte die Flexibilisierung der Kernprozesse angestrebt werden. Somit wird der Aufbau erweiterter Vorhersagefähigkeiten bezüglich der Datengenerierung vorangetrieben. Damit ist der Handel in der Lage, zukünftige Marktentwicklungen schneller zu identifizieren, den Effekt der Umstände besser zu bewerten und entsprechende Reaktionen flexibler zu gestalten. Durch einen frühzeitigen Aufbau dieser Fähigkeiten kann ein bedeutender Wettbewerbsvorteil besonders in Krisenzeiten erzielt werden.

Andererseits sollten langfristige Transformationen umgesetzt werden, um Kundenanforderungen zu erfüllen und sich gleichzeitig von der Konkurrenz abzuheben. Daher sollte der Handel frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um auch in Zukunft für Kunden attraktiv zu bleiben. Gleichwohl muss der Handel flexibel agieren, da sich die Kundenbedürfnisse schnell ändern können. Vor diesem Hintergrund werden in der Studie folgende Handlungsfelder für den deutschen Einzelhandel identifiziert:

  • Warensicherheit: Um zukünftig auf Unsicherheiten besser reagieren zu können, muss der Handel aktiv werden, damit eine vollständige Transparenz hergestellt und eine kontinuierliche, datengestützte Supply-Chain-Optimierungen realisiert werden kann.
  • Category Management: Damit Kundenanforderungen kontinuierlich erfüllt und Margen nachhaltig stabilisiert werden können, braucht es weitreichende langfristige Portfoliooptimierungen wie z.B. den gezielten Aufbau von Eigenmarken.
  • Kundeninteraktion: Für eine nachhaltige Erfüllung der Kundenanforderungen sind erhebliche Investitionen nötig. Durch den Aufbau eines holistischen und datengestützten Kundenprofils kann die Customer Experience personalisiert werden. Somit wird eine gezieltere Ansprache möglich.
  • Technologische Basis: Bei allen Handlungsmaßnahmen ist die Verfügbarkeit relevanter Daten erforderlich, um flexibel auf aktuelle Umstände reagieren zu können. Daher muss eine flexible und kurzfristige Datenaufbereitung durch den Handel gewährleistet sein.

Auf Basis dieser möglichen Handlungsfelder können vier Schritte für den Handel formuliert werden, mit dem Ziel zukünftig flexibler auf Krisen reagieren zu können (siehe Abbildung 1).

Diese vier Handlungsschritte können den deutschen Einzelhandel bei der Flexibilisierung der Geschäftsmodelle unterstützen. 70 Prozent der für die Studie befragten Händler geben an, dass diese aktuell zwingend notwendig ist, um auf zukünftige Krisen besser vorbereitet zu sein und schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Außerdem sollten bestehende und aufkommende Trends für den Handel ebenso weiterhin im Fokus stehen wie eine kundenzentrische Ausrichtung des Geschäftsmodells.

Laden Sie hier die vollständige Studie „Back to the roots – Warum der deutsche Einzelhandel ange-sichts der aktuellen Krisen umdenken muss“ herunter und lesen Sie alle Ergebnisse im Detail.

 

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns gerne an. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Inhaltliche Ansprechpartner

Vera Maag
Manager | Retail & Consumer Goods
Monitor Deloitte
vmaag@deloitte.de

Marius Merkel
Manager | Retail & Consumer Goods
Monitor Deloitte
mmerkel@deloitte.de

Konstantin Thomas
Senior Consultant | Retail & Consumer Goods
Monitor Deloitte
konthomas@deloitte.de

Constanze Atzwanger
Senior Consultant | Retail & Consumer Goods
Monitor Deloitte
catzwanger@deloitte.de

Alexandra Heck
Senior Consultant | Retail & Consumer Goods
Monitor Deloitte
aheck@deloitte.de

Fanden Sie diese Information hilfreich?