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Änderung an IFRS 16 für Leasingnehmer

Auf die COVID-19-Pandemie bezogene Mietkonzessionen

Mietkonzessionen infolge der COVID-19-Pandemie können nach den bisherigen Vorschriften des IFRS 16 für einige Leasingnehmer zu negativen Bilanzierungsfolgen führen. Um dies zu vermeiden, hat der IASB den IFRS 16 am 28. Mai 2020 um einen praktischen Behelf ergänzt.

Hintergrund

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abzumildern, kommt es – neben anderen Maßnahmen – vielfach zu Zugeständnissen bei Mietzahlungen, beispielsweise für Ladenlokale oder Gaststätten. Diese Mietkonzessionen können sowohl vertraglich vorgesehen gewesen sein (z.B. Vertragsklauseln für den Fall höherer Gewalt) oder aber aufgrund von Initiativen des Gesetzgebers oder Absprachen zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber zustande kommen. Hierbei kommt es beispielsweise zu folgenden Ausgestaltungen:

  1. Dem Leasingnehmer werden die Mietzahlungen für einzelne Monate vollständig erlassen.
  2. Dem Leasingnehmer werden die Mietzahlungen für einzelne Monate gestundet, sodass diese erst später zu begleichen sind.
  3. Dem Leasingnehmer werden die Mietzahlungen für einzelne Monate erlassen, wobei sich die Vertragslaufzeit anschließend um entsprechend viele Monate verlängert.
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Grundsätzliche Bilanzierung von Mietkonzessionen nach IFRS 16

Im Hinblick auf die Bilanzierung dieser Zugeständnisse sieht der IFRS 16 vor, dass zu prüfen ist, ob es sich bei der Mietkonzession um eine Vertragsmodifikation im Sinne des Standards handelt. Abhängig davon ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für die bilanzielle Abbildung der Mietkonzession. Eine Vertragsmodifikation liegt gemäß IFRS 16 vor, wenn sich der Umfang des Leasingverhältnisses (z.B. Laufzeit des Leasingverhältnisses) und/oder die Gegenleistung ändert und diese Änderung nicht Gegenstand des ursprünglichen Vertrages war.

Mietkonzessionen stellen demnach keine Vertragsmodifikation dar, wenn Zahlungen lediglich proportional auf einen späteren Zeitpunkt während der Vertragslaufzeit verschoben werden oder wenn die Vorschriften zur Anpassung der Zahlungen bereits im ursprünglichen Vertrag enthalten waren oder auf anwendbares Recht zurückzuführen sind. Liegt eine Vertragsmodifikation vor, kommt es – abhängig von deren Ausgestaltung – entweder zu einer Bilanzierung als separates Leasingverhältnis oder zu einer Anpassung des Nutzungsrechts und der Leasingverbindlichkeit. Liegt hingegen keine Vertragsmodifikation – sondern eine Vertragsänderung – vor, werden die Zugeständnisse bei den Mietzahlungen als (negative) variable Zahlungen erfasst. Des Weiteren wäre zu prüfen, ob nach IFRS 9 ein Teil der Leasingverbindlichkeit auszubuchen ist.

In Zeiten von COVID-19 kommt es im Rahmen sehr vieler Leasingverhältnisse zu Mietkonzessionen und betroffene Unternehmen sind zudem mit vielfachen operativen und prozessualen Herausforderungen konfrontiert. Bei Unternehmen, die derzeit den ersten Abschluss unter Anwendung des IFRS 16 erstellen, wird die Komplexität durch etwaige Mietkonzessionen zusätzlich erhöht. Vor diesem Hintergrund hat sich der IASB entschlossen, den IFRS 16 um einen praktischen Behelf zu erweitern.

Bereits zuvor hatte der IASB am 10. April einen Hinweis zur Anwendung von IFRS 16 in Zeiten von COVID-19 veröffentlicht, der die Bilanzierung und Offenlegung von Mietkonzessionen adressiert und eine einheitliche Anwendung des IFRS 16 sicherstellen soll.

Anwendungsbereich des praktischen Behelfs

Der praktische Behelf des IASB für Leasingnehmer ist nur für Mietkonzessionen anwendbar, die folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllen:

  1. Die Zugeständnisse müssen als unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie vereinbart oder erlassen worden sein.
  2. Die Anpassung der Mietzahlungen darf nur zu einer Veränderung der Gegenleistung führen, die substanziell gleich oder geringer als die Gegenleistung vor der Gewährung der Mietkonzession ist.
  3. Die Inanspruchnahme ist begrenzt auf Zahlungen, die entsprechend der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung bis zum 30. Juni 2021 fällig gewesen wären.
  4. Die Änderungen dürfen nicht mit weiteren wesentlichen Änderungen der Bedingungen oder Vertragskonditionen einhergehen.

Entsprechend könnten etwa Mietkonzessionen, die mit einer Verlängerung des Leasingverhältnisses einhergehen oder bei denen der Erlass der Mietzahlungen in einer zukünftigen Periode z.B. durch einen Aufschlag überkompensiert wird, nicht im Anwendungsbereich des praktischen Behelfs liegen. Zudem dürfte insbesondere zu dokumentieren sein, dass die Zugeständnisse tatsächlich eine unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie waren.

Praktischer Behelf

Für Mietkonzessionen, die die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllen, wird den Unternehmen ein Wahlrecht eingeräumt, entweder die bestehenden Regelungen anzuwenden oder ausnahmsweise die Zugeständnisse an den Leasingnehmer ohne Prüfung so zu behandeln, als handele es sich nicht um eine Vertragsmodifikation. Wird der praktische Behelf in Anspruch genommen, werden Vertragsmodifikationen im Sinne des IFRS 16, die die o.g. Voraussetzungen erfüllen, nicht als solche bilanziert.

Bei Anwendung des praktischen Behelfs sind die Zugeständnisse an den Leasingnehmer entsprechend als negative variable Mietzahlungen nach IFRS 16.38 (b) zu erfassen bzw. eine anteilige Ausbuchung der Leasingverbindlichkeiten unter Anwendung des IFRS 9 zu prüfen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob ein Wertminderungsbedarf für das Nutzungsrecht gemäß IAS 36 besteht. Die Inanspruchnahme des praktischen Behelfs ist im Anhang anzugeben.

Im Falle einer Mietkonzession, die als Vertragsmodifikation behandelt wird, kommt es beim Leasingnehmer zur Bilanzierung eines neuen Vertrages oder zur Anpassung von Nutzungsrecht und Leasingverbindlichkeit, wobei diese aufgrund etwaiger gefallener Zinsen auch ansteigen können. Dahingegen kommt es bei der Anwendung des praktischen Behelfs regelmäßig zu einer sofortigen erfolgswirksamen Erfassung der Mietkonzession. 

Die Anwendung des praktischen Behelfs befreit die Leasingnehmer von der Verpflichtung, bei jeder Mietkonzession zu prüfen, ob eine Vertragsmodifikation im Sinne des IFRS 16 vorliegt, diese zu bilanzieren und entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen dürften jedoch Analyse- und Dokumentationsaufwand dadurch entstehen, dass bei jedem betroffenen Leasingverhältnis geprüft und vorgehalten werden muss, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des praktischen Behelfs (s.o.) erfüllt sind. Bei Anwendung des praktischen Behelfs dürfte sich außerdem Anpassungsbedarf der technischen Leasing-Bilanzierungslösungen ergeben, da diese die vorgeschlagene Erleichterung wahrscheinlich noch nicht abbilden können.

Inkrafttreten der Neuregelung

Die Änderung am IFRS 16 ist für Geschäftsjahre wirksam, die am oder nach dem 01. Juni 2020 beginnen. Die Anwendung erfolgt retrospektiv. Eine vorzeitige Anwendung ist für am 28. Mai 2020 noch nicht freigegebene Abschlüsse ebenfalls möglich.

Für europäische Bilanzierer ist zu beachten, dass die Änderung an IFRS 16 erst durch das Endorsement in EU-Recht übernommen werden muss, bevor der Standard angewendet werden kann. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat bereits eine endgültige Übernahmeempfehlung für die Änderung am IFRS 16 ausgesprochen. Nach aktuellem Stand wird die endgültige Übernahme nicht vor „Q3/Q4 2020“ erwartet.

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