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COVID-19 und Forderungsrisiko bei Real Estate-Unternehmen

Einfluss von COVID-19 und des temporären Kündigungsmoratoriums für Mietverträge auf die Bemessung der erwarteten Kreditverluste nach IFRS 9

Die weltweit ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung der COVID-19 Pandemie beeinträchtigen die internationalen Finanzmärkte und die globale Weltwirtschaft aktuell in erheblichem Maße. Unternehmen nahezu aller Branchen sind mit der Herausforderung konfrontiert, die wirtschaftlichen Auswirkungen zu eruieren und im Rahmen ihrer Finanzberichterstattung zu adressieren. Der folgende Beitrag thematisiert die Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19 und des temporären Kündigungsmoratoriums für Miet- und Pachtverträge bei der Bemessung der erwarteten Kreditverluste nach IFRS 9 in der Immobilienwirtschaft.

Einfluss von COVID-19 auf die Bemessung der erwarteten Kreditverluste

Mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ hat der Gesetzgeber erste für die Immobilienwirtschaft relevante Stützungsmaßnahmen für Mieter und Pächter getroffen. Durch den am 01. April 2020 in Kraft getretenen Artikel 5 des COVID-19 Gesetzes wurde in Art.240 EGBGB eine Regelung eingeführt, nach der ein Vermieter „ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen [kann], dass der Mieter im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.“

Diese unabdingbaren Neuregelungen gelten gleichermaßen für Pachtverhältnisse. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutierte weiterreichende Vorschläge wurden nicht in das Gesetz übernommen. Die genannten Regelungen sind bis zum 30. Juni 2022 anwendbar, sodass eine Kündigung wegen unterbliebener Nachzahlung der Miete/Pacht für den in den Regelungen genannten Zeitraum durch den Vermieter/Verpächter ab dem 01. Juli 2022 wieder möglich ist.

Ferner wurde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, die Kündigungsbeschränkung im Falle der Fortdauer der COVID-19 Pandemie auf Zahlungsrückstände im Zeitraum vom 01. Juli 2020 bis zum 30. September 2020 sowie durch weitere Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und ohne Zustimmung des Bundesrates auf Zahlungsrückstände über den 30. September 2020 hinaus zu erstrecken. Gegenwärtig ist noch nicht ersichtlich, dass von diesen Erweiterungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werden soll.

Das Kündigungsmoratorium lässt für den Immobilienmarkt im zweiten Quartal 2020 ein ansteigendes Forderungsrisiko erwarten, wenn Vermietern oder Verpächtern durch die mieterseitige Aussetzung von Zahlungen über mehrere Monate Zahlungsausfälle drohen. Etwaige Unsicherheiten darüber, inwieweit die ausstehenden (Miet-)Forderungen am Ende in voller Höhe einbringlich sind, sind in der Bemessung der erwarteten Kreditverluste nach IFRS 9 zu berücksichtigen.

Das IASB hat am 27. März 2020 ein Dokument veröffentlicht, das die Frage nach der Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19 auf die Bemessung der erwarteten Kreditverluste im Rahmen der Wertminderungsvorschriften und Risikovorsorge nach IFRS 9 thematisiert. 

Der Anspruch auf Miet- und Pachtzahlungen ist den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zuzuordnen. Für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Leasingforderungen sowie Vertragsvermögenswerte sieht IFRS 9 ein vereinfachtes Modell zur Bemessung der erwarteten Kreditverluste vor, bei dem die Ausfallwahrscheinlichkeit über die Restlaufzeit der Forderungen zu berücksichtigen ist. Typischerweise wird hierfür auf eine Wertminderungsmatrix (provision matrix) abgestellt, die unterschiedliche Wertberichtigungsquoten in Abhängigkeit von Überfälligkeiten vorsieht. Die Basis für die Herleitung der Wertminderungsmatrix bilden historische Verlustraten, die angepasst werden, um die gegenwärtigen sowie zukünftigen ökonomischen Bedingungen zu reflektieren. Die Parameter sind in der Folge auf ihre Aktualität hin zu überprüfen.

Der IASB weist darauf hin, dass sich durch die gesetzlich gewährten Zahlungsaufschübe nicht automatisch eine Erhöhung des Ausfallrisikos ergeben muss und das implementierte Modell somit nicht „mechanisch“ weiterlaufen kann. Unternehmen müssen kritisch prüfen, ob unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Rahmenbedingungen und Prognosen, die explizit die Auswirkungen von COVID-19 umfassen, Folgen für die Höhe der erwarteten Kreditverluste resultieren. Hierbei ist der Kündigungsausschluss vor dem Hintergrund einer möglichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Position der Mieter bzw. Pächter zu analysieren. Bei einer Aussetzung von Zahlungen durch Mieter bzw. Pächter – für die Monate April, Mai und Juni 2020, unter Verweis auf das Kündigungsmoratorium - ist dann der Grad der Bonitätsbeeinträchtigung zu bewerten, um das Ausfallrisiko zu bemessen. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit davon ausgegangen werden kann, dass diese Zahlungen in der Frist bis zum 30. Juni 2022 nachgeholt werden können. 

Die Beurteilung muss auf belastbaren Informationen basieren, die dem Unternehmen ohne unangemessenen Aufwand zur Verfügung stehen. Eine belastbare Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19 auf die wirtschaftliche Situation der Mieter bzw. Pächter ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig. Daher sind verschiedene Szenarien in die Bestimmung der erwarteten Kreditverluste einzubeziehen.

Die ESMA (European Securities and Market Authority) hat in ihrer Stellungnahme vom 25. März 2020 darauf hingewiesen, dass unter den gegebenen Umständen in der Szenariobetrachtung insgesamt ein größeres Gewicht auf langfristige Prognosen, wie sie sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit ergeben haben, gelegt werden kann. Um unterschiedliche Entwicklungen in der wirtschaftlichen Position der einzelnen Schuldner besser abbilden zu können, empfiehlt es sich, das Ausfallrisiko basierend auf Bonitätsklassen der Schuldner zu ermitteln, die granularer sind als vorher.

Die ausführliche Stellungnahme des IASB finden Sie unter folgendem Link.

Die ausführliche Stellungnahme der ESMA finden Sie unter folgendem Link.

Angabepflichten für Zwischenabschlüsse nach IAS 34

Die meisten Unternehmen werden die Auswirkungen von COVID-19 bereits in ihren Zwischenabschlüssen nach IAS 34 berichten müssen. In einem Zwischenabschluss werden grundsätzlich die Veränderungen zum letzten Geschäftsbericht dargestellt. Dabei sind auch die Umstände zu erläutern, die zu wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Geschäftsbericht geführt haben. Für Anhangangaben nach IAS 34 i.V.m IFRS 7 ist zu beachten, dass wesentliche Änderungen in den Annahmen und Schätzungen in der Berechnung der erwarteten Kreditverluste, die seit dem letzten Bilanzstichtag eingetreten sind, dargelegt werden müssen. Die Angaben müssen hinreichend umfangreich sein, um den Adressaten der Finanzberichterstattung gerade in der angespannten Situation benötigte Informationen zu vermitteln. 

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