Posted: 25 May 2023 5 Lesezeit

Automotive Industry Briefing: Die Zukunft der Megatrends aus Konsumentensicht

Die Zukunft der Automobilindustrie ist elektrisch – darin sind sich Experten1 und Industrieakteure einig. Die größten Automobilhersteller haben den Wandel bereits eingeleitet, und die Verkäufe von elektrifizierten Fahrzeugen steigen kontinuierlich an. Auch Trends wie Autonomes Fahren, Konnektivität und innovative Mobilitätsdienste prägen derzeit den Wandel in der Branche. Diese sogenannten CASE-Megatrends (Connected-Autonomous-Shared-Electrified) stehen daher im Zentrum der aktuellen Deloitte Global Automotive Consumer Study, für die weltweit über 25.000 Konsumenten aus verschiedenen Regionen befragt wurden, rund 1.500 davon aus Deutschland. Der vorliegende Deep Dive in den deutschen Markt liefert zusätzliche Einblicke: Welche Verbreitung von Elektrofahrzeugen erwarten Konsumenten in Deutschland für die kommenden Jahre? Inwiefern beeinflusst aus Sicht der Befragten die aktuelle Reife von Mobilitätsdiensten deren Zukunftsaussichten? 

E-Mobilität

Gemessen am Marktanteil gilt Deutschland heute als einer der reiferen EV-Märkte weltweit. Dank eines ausgeprägten Umweltbewusstseins und umfangreicher Subventionen, aber vor allem aufgrund der niedrigeren Betriebskosten, ist Deutschland bei den europäischen Ambitionen für eine elektrifizierte Zukunft weit voraus. Nach KBA-Daten2 verfügten im Jahr 2022 hierzulande 31 Prozent aller zugelassenen Pkw über einen elektrifizierten Antrieb (EV), 17 Prozent waren reine Elektrofahrzeuge (BEV). Dennoch bleiben die deutschen Konsumenten noch skeptisch, was die künftige Verbreitung von EVs angeht. Gerade einmal 46 Prozent erwarten einen Marktanteil von über 50 Prozent im Jahr 2030. Amerikanische Konsumenten sind für ihren Markt leicht optimistischer (52%), doch in China sind die Konsumenten deutlich positiver gestimmt: Drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der in ihrem Land neu zugelassenen Autos am Ende der Dekade rein elektrisch fahren werden. 

Abb. 1: Wie viel Prozent der Gesamtverkäufe werden im Jahr 2030/2035 auf Elektrofahrzeuge entfallen (im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennungsfahrzeugen)? Die Grafik zeigt den prozentualen Anteil der Umfrageteilnehmer, die eine EV-Durchdringung von über 50 % erwarten.

Zudem zeigen sich starke Unterschiede in der Wahrnehmung der Konsumenten bezüglich der Hürden für die E-Mobilität der Zukunft. Deutsche Verbraucher nennen hier vorrangig einen Mangel an Ladestationen (29%) und zu hohe Energiekosten (36%). In den USA hingegen wird die Erschwinglichkeit von Elektrofahrzeugen als größte Herausforderung (44%) gesehen, da dort die Anschaffungskosten von BEVs deutlich höher liegen als die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Die chinesischen Befragten wiederum führen neben der Energieversorgung (35%) auch die Verfügbarkeit von Fahrzeugmodellen als kritischen Faktor an (34%) – trotz zahlreicher Markteinführungen in den vergangenen Jahren.

Diese Unterschiede in den Wahrnehmungen unterstreichen die Notwendigkeit für die Autohersteller und Regierungen, eine differenzierte Strategie für die Förderung der Elektromobilität zu entwickeln, die den Bedürfnissen der verschiedenen Märkte gerecht wird. Insbesondere für Deutschland gilt es, den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen und die Benutzerfreundlichkeit und Bezahlbarkeit des Ladens zu optimieren. 

Abb. 2: Wo sehen Sie 2030 die größten Hindernisse, die einer noch stärkeren Verbreitung von Elektrofahrzeugen im Wege stehen werden?

Autonomes Fahren

Aus Sicht der Branchenexperten werden Autonome Fahrzeuge in der Zukunft der Autobranche eine Schlüsselrolle spielen, wenn die Technologie die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Kosten, Sicherheit und Haftung bei Unfällen meistern kann - obwohl der anfängliche Hype um das Autonome Fahren mittlerweile etwas abgeklungen ist. Auch hier zeigen die deutschen Verbraucher eine wesentlich pessimistischere Sicht auf die Verbreitung des Autonomen Fahrens bis 2030 als etwa chinesische Konsumenten. In der Volksrepublik erwarten 69 Prozent der Befragten, dass am Ende der Dekade mindestens jedes zweite Auto selbstfahrend sein wird. Dagegen sind es nur 22 Prozent in Deutschland und 36 Prozent in den USA. 

Abb. 3: Wie viel Prozent der Gesamtverkäufe werden im Jahr 2030/2035 auf vollautonome Fahrzeuge (AV) entfallen (im Vergleich zu herkömmlichen fahrergesteuerten Fahrzeugen)? Die Grafik zeigt den prozentualen Anteil der Umfrageteilnehmer, die für 2030 eine AV-Durchdringung von über 50 % erwarten.

Deutschland ist eine traditionelle Auto-Nation – und der anhaltende Wunsch, ihr Auto selbst zu steuern, ist für die Deutschen mit 21 Prozent weitaus wichtiger als für Konsumenten in anderen Märkten. Allerdings spielen hierzulande Sicherheits- und Infrastrukturmängel eine größere Rolle als Hindernisse für die Zukunft (jeweils 26% und 24%). Für US-Amerikaner ist neben der Erschwinglichkeit (26%) die Sicherheit (36%) das größte Problem für eine stärkere Verbreitung. Chinesische Konsumenten bewerten hingegen Infrastrukturmängel als das größte Hindernis (37%). 

Abb. 4: Wo sehen Sie 2030 die größten Hindernisse, die einer noch stärkeren Verbreitung von vollautonomen Fahrzeugen im Wege stehen werden?

Auch hier sehen wir eine Reihe von Herausforderungen, die von den Akteuren im Bereich der Autonomen Fahrzeuge bewältigt werden müssen, um die Akzeptanz in Deutschland und in anderen Märkten zu erhöhen. So müssen die Automobilhersteller noch enger mit Technologie- und Softwareunternehmen zusammenarbeiten und geeignete Ökosysteme bilden, um die Robustheit und Sicherheit ihrer Systeme zu gewährleisten. Ob diese Hürden von den Unternehmen in den nächsten 12 Jahren überwunden werden können, ist für die Mehrheit der deutschen Verbraucher jedoch noch nicht klar. Die etablierten OEMs in Deutschland sollten weiterhin in die Softwareentwicklung investieren und strategische Partnerschaften eingehen, über die sie Zugang zu speziellem Know-how und Hardware erhalten können. Tech-Giganten drängen mit Macht auf den Markt und könnten hier entweder eine ernsthafte Bedrohung darstellen oder zu wichtigen Verbündeten werden.

 

Shared Mobility 

Die jüngeren Generationen sind bereits offen für den Umstieg auf flexible Mobilitätsalternativen, wie unsere neu veröffentlichte Studie Future of Automotive Mobility belegt. Dazu bedarf es jedoch gut konzipierter Dienstleistungen, die für die Kunden in Summe attraktiver sind als das eigene Auto. Die Nachfrage ist da, am Angebot hapert es noch. Die Daten zeigen: Noch immer hat mehr als die Hälfte der Befragten in Deutschland (52%) den Wunsch, ein eigenes Auto zu besitzen. Der Autobesitz ist offensichtlich hierzulande stark in der Kultur verankert, besonders die älteren Generationen präferieren noch die traditionellen Besitzstrukturen. In den Vereinigten Staaten sind die Zahlen ähnlich (48%). Chinesische Verbraucher zeigen deutlich weniger Interesse, ein eigenes Auto zu besitzen (24%). 46 Prozent betrachten vielmehr den Mangel an Mobilitätsoptionen als Hauptproblem. 

Abb. 5: Wo sehen Sie 2030 die größten Hindernisse, die einer noch stärkeren Verbreitung von geteilten/gepoolten/abonnierten Fahrzeuge im Wege stehen werden?

In Deutschland hängt die Entscheidung für oder gegen Autobesitz bzw. Shared Mobility von diversen Faktoren ab. Es ist daher wichtig, dass Marktteilnehmer regionale Präferenzen, Generationsunterschiede, Mobilitätsbedürfnisse und wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigen, um die Akzeptanz von innovativen Mobilitätsangeboten zu fördern. Mobilitätsdienstleister müssen eng mit öffentlichen Organisationen und Städten zusammenarbeiten, um die gewünschte Ökosystemebene zu erreichen, auf der ein ganzheitliches Mobilitätsangebot Realität werden kann, das verschiedene öffentliche und private Verkehrsmittel umfasst. Die Städte spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Verkehrslandschaft der Zukunft und können Anreize für neue Angebote schaffen - oder diese auch verhindern. Es ist unbestritten: Alle beteiligten Akteure müssen attraktive Angebote in einem funktionierenden Ökosystem schaffen, wenn sie erfolgreiche Alternativen zum privaten Pkw etablieren wollen. Andernfalls werden sich die Verbraucher nicht für alternative Mobilitätskonzepte gewinnen lassen.

 

Fazit

Die Herausforderungen, denen sich die Akteure der Automobilindustrie in den kommenden Jahren stellen müssen, sind vielfältig. Unternehmen müssen sich an die sich ändernden Bedürfnisse der Verbraucher anpassen, während viele Zulieferer traditioneller Komponenten ihr Kerngeschäft umstellen. Auch wenn der Wandel bereits im Gange ist, zeigen die Zahlen eine noch skeptische Verbraucherbasis in Deutschland. Gezielte Investitionen in neue Technologien und innovative Geschäftsmodelle, die Entwicklung erfolgreicher Ökosysteme und eine stärkere Integration von Nachhaltigkeit in die strategische Ausrichtung können helfen, die Konsumenten zu überzeugen. Darüber hinaus zeigen einige unserer kürzlich veröffentlichten Studien, dass neue Einnahmequellen der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft sind. Sei es aus Gründen der Dekarbonisierung (Automotive Pathway To Net Zero) oder weil das traditionelle Geschäftsmodell an Bedeutung verliert (Future of Automotive Mobility). Fakt ist: Die Branche wird dynamischer denn je, und wer seine Strategien nicht schnell anpasst, wird eher früher als später auf dem Trockenen sitzen.

 

Autor

Nicolas Zauner

ES Professional | Automotive Research

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Kraftfahrt-Bundesamt Statistik Neuzulassungen 2022, abgerufen am 23.05.2023 

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Dr. Harald Proff

Dr. Harald Proff

Sector Lead Automotive

Harald Proff arbeitet seit 2015 bei Deloitte und ist Automotive Sektorleiter für Global/DCE/Deutschland. Sein Fokus liegt auf Transformationsprogrammen und neuen Geschäftsmodellen der industriellen Fertigung sowie der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Industrieunternehmen. Er ist der Gründer der Deloitte Digital Factory in Düsseldorf. Neben Deutschland hat er auch länger in Südkorea und Brasilien gelebt und gearbeitet. Nach seinem Studium in der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau und anschließender Promotion an der TU Darmstadt startete er als Manager für Industrialisierungsprojekte bei Mercedes Benz in das Berufsleben. Der Automobilindustrie ist er auch als Berater immer treu geblieben. Vor seiner Rolle als Automotive Sektorleiter war Herr Proff Lead Partner Operations Deutschland.