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Policy Benchmarks und Hürden für eine ethische und verantwortungsvolle Entwicklung von Smart Cities

Best Practices von globalen Pionierstädten

Urbane Herausforderungen und Chancen

Die fortschreitende Urbanisierung, die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit sowie die steigende Erwartungshaltung von Bürgerinnen und Bürgern stellt Schweizer Städte und Gemeinden vor grosse Herausforderungen. Mehr als 77% der Schweizer Wohnbevölkerung lebt bereits heute in städtischen Gebieten, Tendenz steigend1. Obwohl die zunehmende Verstädterung die Vulnerabilität von Bevölkerung und Infrastruktur im Falle von grossflächigen Störungen erhöht, bietet die urbane Verdichtung grosses Potenzial, die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft zu beschleunigen.

Smart Cities als Schlüssel der digitalen, inklusiven und nachhaltigen Stadtentwicklung

Das gesamtheitliche Entwicklungskonzept «Smart City» bietet innovative Lösungsansätze, um die Herausforderungen einer digitalen, inklusiven und nachhaltigen Stadtentwicklung zu meistern. Durch eine intelligente Vernetzung von städtischen Infrastrukturen und Dienstleistungen kann die urbane Resilienz und Lebensqualität erhöht und zugleich der Energie- und Ressourcenverbrauch reduziert werden. Dabei spielt die Nutzung von offenen Daten eine Schlüsselrolle, um Lieferketten und Verkehr zu optimieren und zugleich neue Mobilitätskonzepte zu ermöglichen. Eine offene Datenpolitik gewinnt ebenfalls im Zuge der Digitalisierung städtischer Verwaltungen zunehmend an Bedeutung, mit dem Ziel, demokratische Teilhabe und evidenzbasierte Stadtentwicklung zu fördern. Zugleich gehen mit der Entwicklung intelligenter Stadtkonzepte neue Risiken in Bezug auf Datenschutz und Cybersicherheit einher, die es auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz der digitalen Transformation zu vermeiden gilt.

Fünf Policy Benchmarks und Hürden für eine ethische und verantwortungsvolle Entwicklung von Smart Cities

Im Bestreben, städtische Verantwortliche bei der Entwicklung und Umsetzung von Smart-City-Strategien zu unterstützen und damit verbundenen Risiken proaktiv zu begegnen, veröffentlichte Deloitte im Juni 2021 in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum (WEF) und der G20 Global Smart Cities Allianz einen gemeinsamen Bericht zum Thema «Governing Smart Cities»2 . Vertreter der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer haben sich auf fünf Policy Benchmarks verständigt, die für eine ethische und verantwortungsvolle Entwicklung von Smart Cities handlungsleitend sind (vgl. Abbildung 1). Basierend auf einer weltweiten Datenerhebung und Interviews mit Expertinnen und Experten aus 36 Pionierstädten in 22 Ländern verteilt auf sechs Kontinenten, zeigt der gemeinsame Bericht fünf häufige Hürden zur Erfüllung der Policy Benchmarks auf, mit welchen die globalen Pionierstädte konfrontiert sind.

Mangelnde digitale Barrierefreiheit im öffentlichen Beschaffungswesen

Die Coronavirus-Pandemie hat die Digitalisierung weiter beschleunigt und den barrierefreien Zugang zu digitalen Dienstleistungen städtischer Verwaltungen zu einer Schlüsselkomponente der integrativen Stadtentwicklung gemacht. Allerdings verfügen heute weniger als 20% der weltweit befragten Pionierstädte über hinreichende Konzepte und Richtlinien, welche bei der Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) die grundlegenden Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllen3. Ohne einheitliche Standards für digitale Barrierefreiheit wird der Zugang für Teile der Bevölkerung zu städtischen Dienstleistungen verwehrt und sollten daher konsequent in das städtische Beschaffungswesen integriert werden.

Fehlende Datenschutzfolgenabschätzungen

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung städtischer Dienstleistungen gewinnen der Schutz von Privatsphäre und personenbezogenen Daten an besonderer Bedeutung. Dem politischen Bekenntnis zum Datenschutz und Privatsphäre steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass mehr als 75% der weltweit befragten Pionierstädte über keine etablierten Verfahren für die Durchführung von Datenschutzfolgenabschätzungen bei der IKT-Beschaffung verfügen4. Ohne eine transparente und konsequente Umsetzung von gesetzlichen Verpflichtungen, laufen städtische und kommunale Verantwortliche Gefahr, das gesellschaftliche Vertrauen in eine sichere und verantwortungsvolle Digitalisierung zu verspielen.

Unzureichende Verantwortlichkeiten in der städtischen Cybersicherheit

Mit der intelligenten Vernetzung städtischer Infrastrukturen steigt auch deren Verwundbarkeit für Cyberangriffe. Angesichts der hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten von Cyberangriffen haben Städte und Gemeinden weltweit Investitionen in den vergangenen Jahren getätigt und die städtische Cybersicherheit verstärkt. Trotz dieser Anstrengungen verfügen weiterhin nur weniger als 50% der befragten Pionierstädte über designierte Verantwortliche für Cybersicherheit mit ausreichenden finanziellen Ressourcen und notwendigen Kompetenzen, welche die periodische Überprüfung von Sicherheitsrichtlinien angesichts des dynamischen Technologieumfelds umfasst5.

Unkoordinierte Bauplanungen bremsen Netzausbau

Leistungs- und ausbaufähige digitale Infrastrukturen sind die Grundlage für die Entwicklung von Smart Cities. Zwar hat die Pandemie kritische Defizite im Ausbau digitaler Infrastrukturen offenbart. Eine Beschleunigung des Netzausbaus ist jedoch gerade in städtischen Gebieten eine komplexe und kostspielige Angelegenheit. Neben den hohen Kosten für die Verlegung von Glasfaserkabeln und Gerätinstallationen gehen entsprechende Bauarbeiten mit Unannehmlichkeiten für die Bevölkerung sowie kritischen Netzunterbrechungen einher. Im Rahmen einer sogenannten «Dig Once»-Strategie, die eine Verlegung von Lehrrohren bei Neubauten und koordinierte Bauvorhaben zwischen Versorgungsunternehmen umfasst, können der Netzausbau beschleunigt und Unannehmlichkeiten reduziert werden. Ungeachtet der Vorteile verfolgen jedoch bisher nur weniger als 50% der befragten Pionierstädte eine entsprechende Dig-Once-Strategie im Ausbau digitaler Infrastrukturen6.

Ungenügender Zugang zu offenen Verwaltungsdaten

Die Entwicklung von Smart Cities bedingt eine Strategie der offenen Behördendaten, die einen einfachen, sicheren und zentralen Zugang zu elektronischen und medienbruchfreien Daten der städtischen Verwaltung sicherstellt. Somit kann politische Transparenz erhöht, gesellschaftliche Partizipation gefördert, wissenschaftliche Studien ermöglicht und wirtschaftliche Innovation vorangetrieben werden. Die grosse Mehrheit der befragten Pionierstädte verfügt bereits heute über «Open Government Data» (ODG) Strategien sowie eigene Datenverarbeitungsteams. Die Integration entsprechender Datenportalen in die städtische Dateninfrastruktur bleibt hingegen stark limitiert, wodurch auch der wirtschaftliche und gesellschaftliche Mehrwert offener Behördendaten begrenzt ist7.

Implikationen für die Schweiz

Auch in der Schweiz beschäftigen sich seit einigen Jahren Städte und Gemeinden vermehrt mit dem Konzept von Smart-Cities, um der digitalen Transformation proaktiv begegnen zu können. In dem Bestreben, Schweizer Städte und Gemeinden in diesem Bereich zu unterstützen, arbeitet Deloitte mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Rahmen des «Swiss Smart City Survey» zusammen. Auf Basis der systematischen Erhebung Schweizer Trends und Entwicklungen wird Deloitte im Frühjahr 2023 weitere Analysen zu ausgewählten Themenbereichen publizieren. Im Fokus stehen dabei die Fragen, wie Schweizer Städte und Gemeinden von globalen Pionierstädten lernen können und in welchen Bereichen besonderer Handlungsbedarf für eine ethische und verantwortungsvolle Entwicklung von Smart Cities in der Schweiz besteht.

Footnotes

1Bundesamt für Statistik (2020). «Statistik der Schweizer Städte 2020». S. 8
2Deloitte & WEF. (2021). «Governing Smart Cities: Policy Benchmarks for Ethical and Responsible Smart City Development»
3Ibid. 16f.
4Ibid. 18f.
5Ibid. 20f.
6Ibid. 22f.
7Ibid. 24f

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